Nikolaus (15) studiert Physik

Der Wunderknabe hat mit 14 Abi gemacht - natürlich mit Note 1. Jetzt denkt er an ein Zweitstudium.  
von  Julia Lenders
Smartes Nesthäkchen: Weil Nikolaus älter wirkt, fällt er an der Uni gar nicht so sehr auf.
Smartes Nesthäkchen: Weil Nikolaus älter wirkt, fällt er an der Uni gar nicht so sehr auf. © Petra Schramek

 Der Wunderknabe hat mit 14 Abi gemacht - natürlich mit Note 1. Jetzt denkt er an ein Zweitstudium.

MÜNCHEN Nikolaus sieht älter aus, als er ist. Er ist schlaksig, 1,88 Meter groß. Sein Gesicht ist ein bisserl kantiger geworden. Und seit einem Jahr sprießen auch die Barthaare. Der junge Mann ist ganz froh darüber. Dann fällt er an der Uni nicht so auf. Nikolaus ist erst 15. Im Oktober hat er sein Studium an der Ludwigs-Maximilians-Universität begonnen.

Gerade brachte er die ersten Prüfungen in Physik hinter sich. Seine Bilanz nach einem Semester: „Der Arbeitsaufwand ist human. Ich meine, ich versteh’s halt auch sehr schnell.” Wahrscheinlich werde ihn das Studium nicht hundertprozentig auslasten. Deshalb überlegt er gerade, im Sommer parallel ein Zweitstudium zu beginnen – Volkswirtschaftslehre wäre ganz nach seinem Geschmack.

Die AZ hatte im vergangenen Juni über den Jugendlichen aus Pöcking berichtet. Da bekam er sein Abi-Zeugnis mit der Traumnote 1,1. Das Medien-Interesse an dem damals 14-jährigen „Wunderknaben”, der vier Schulklassen übersprungen hat, war groß. Selbst zu Günther Jauchs Jahresrückblick wurde er eingeladen.

Jetzt sitzt Nikolaus im Stadtcafé am St.-Jakobs-Platz und trinkt eine Cola. Die Worte sprudeln nur so aus ihm heraus, als er von den vergangenen Monaten erzählt. Von seinem Chemiepraktikum. Von Labor-Arbeiten wie dem Pipettieren und Titrieren. „Das war nicht meins. Das Praktische brennt einen auf Dauer aus, die Theorie macht mir mehr Spaß.” Deshalb wandte er sich von der Chemie ab und der Physik zu – eingeschrieben hatte er sich ohnehin für beide Fächer. „In Physik hat man immer diesen Aha-Effekt, das erweitert das eigene Denkmuster.”

Logisches Denken ist von klein auf Nikolaus große Stärke. Ein Test bescheinigte ihm einen Intelligenzquotienten von 147, damit gilt er als hochbegabt. Der Durchschnitt liegt bei 100.

Dass er anders als andere Kinder war, bemerkte seine Familie früh. Schon als Vierjähriger hatte er großes Interesse an Baukunst und erläuterte seinen Eltern bei einer Reise die Kirchen in Venedig. Ein Foto aus dem Jahr danach dokumentiert sein damaliges Faible: Es zeigt ihn als Fünfjährigen hinter einer komplexen Lego-Nachbildung von Notre Dame.

Jetzt also die Uni. Wie reagieren die Kommilitonen auf das smarte Nesthäkchen? „Die Chemiker waren alle sehr nett, da hab ich nur positive Stimmen gehört. Und die Physiker haben noch gar nicht gecheckt, wie alt ich bin.” Das findet er auch gut so. Auf den „Wunderknaben”-Bonus verzichte er gerne, sagt Nikolaus. „Dann bekomme ich mit, wie man mit mir umgeht, wenn man mich für normal erachtet.”

Normal – das sind für die meisten Erstsemestler auch Uni-Partys, die erste WG, Flirts. Wie hält es der 15-Jährige damit? Eines betont Nikolaus auf solche Fragen hin immer wieder: „Ich bin viel reifer, als ich alt bin. Ich fühle mich wie 20.” Er habe zwar auch gleichaltrige Freunde. „Aber die 16-Jährigen sind für mich die Kleinen.”

Der Teenager wohnt freilich noch bei seinen Eltern am Starnberger See. Mit ihnen kommt er gut aus. Sie erlaubten ihm alles, erzählt er. „Das, was man als Erziehungserfolg betrachtet, bringe ich ja.” Ein typischer Satz für den jungen Mann, der immer um präzise Formulierungen bemüht ist.

Bei den Saalfesten der Chemiker war er also dabei, und auch in den ein oder anderen Club hat er sich schon mal gemogelt. Im Juli braucht er dazu eh keine ausgetüftelten Strategien mehr: Dann wird er 16 und darf ganz offiziell ausgehen. Zumindest bis Mitternacht.

Bleibt noch die Frage nach den Flirts. Da druckst Nikolaus plötzlich doch ein wenig herum, weil das Thema gerade eine gewisse Aktualität hat. Und über ungelegte Eier spricht man nicht. Nur so viel: Er habe noch keine feste Freundin gehabt. „Die Hürde ist schon da, wenn ein Mädchen älter ist als ich.”

Wenn Nikolaus volljährig wird, hat er seinen ersten Uni-Abschluss wohl in der Tasche. Und dann? „Wenn ich meinen Bachelor habe, würde ich gerne ins Ausland”, sagt er. „Harvard wäre ein Traum.” Und man ist in diesem Moment sicher, dass er es dahin schaffen wird.


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