Nierenversagen: Erich Kiesl ist tot

„I mog d' Leit, und d' Leit mögn mi“. Im Alter von 83 Jahren ist Donnerstagnacht der frühere Münchner Oberbürgermeister Erich Kiesl (CSU) gestorben. Er regierte von 1978 bis 1984.
München - Im Alter von 83 Jahren ist Donnerstagnacht der Münchner Alt-Oberbürgermeister Erich Kiesl zuhause an Nierenversagen gestorben. Er war nach Karl Scharnagl der bislang einzige direkt gewählte CSU-OB in München. Er regierte von 1978 bis 1984: zwischen den Amtszeiten von SPD-OB Georg Kronawitter.
Erich Kiesl war gesundheitlich massiv angeschlagen. „Er war schon länger sehr schlecht beisammen“, berichtet sein Weggefährte, der Stadtrat Hans Podiuk. Kiesl litt an schwerer Herzinsuffizienz und zuletzt an den Folgen einer Wirbelsäulen-OP. Nach einem wochenlangen Krankenhausaufenthalt hatten ihn die Ärzte nach Hause entlassen.
In den letzten Jahren war Erich Kiesl nicht mehr in der Öffentlichkeit präsent. „Er hatte darum gebeten, zu keinen städtischen Veranstaltungen mehr eingeladen zu werden“, sagt OB Christian Ude (SPD). Die Münchner CSU war nach seinen Affären und Ausfällen auf Abstand zu Erich Kiesl gegangen.
„Erich Kiesl war ein Politiker mit Ecken und Kanten und einer starken, markanten Persönlichkeit“, sagt Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle: „Einer seiner größten Verdienste ist zweifellos die Ankurbelung des Wohnungsbaus während seiner Amtszeit.“ Kiesl habe als Bezirksvorsitzender in den Jahren 1969 bis 1990 „die CSU in München zur großen Volkspartei gemacht“. Als OB habe er die Entwicklung Münchens „wesentlich mitgeprägt“.
Eigentlich müsste Kiesl ein Held sein. Aber die letzten Jahrzehnte mochte ihn kaum einer mehr kennen. Da war er auch selber Schuld.
Kiesl war eine schillernde und eine widersprüchliche Natur. Der selbstverliebte „Propeller Erich“ schwebte über allen Wolken. „I mog d' Leit, und d' Leit mögn mi“, war sein Lieblingsspruch. Den Spitznamen bekam er“, weil Kiesl vor seinem OB-Amt als Innenstaatssekretär (ab 1970) gern mit dem Hubschrauber flog.
Kiesl hat große Baugebiete entwickelt, und er hat das Münchner Filmfest erfunden.
Als Kiesl 1969 auf Drängen von Franz-Josef Strauß die Münchner CSU übernahm, zog er mit dem „Team 70“ gegen Strauß eine liberale Öffnung der Münchner CSU durch. Er machte den Altherren-Club zu einer kampagnenfähigen Großstadtpartei: Kiesl verdreifachte die Mitgliederzahl auf 12 000 und jagte der SPD 1974 alle elf Münchner Landtagsstimmkreise ab – das war eine Sensation. Kiesl war auch mächtig genug, Strauß beim Kreuther Trennungsbeschluss von der CDU Paroli zu bieten. FJS tobte, Kiesl solle von den Champagner-Etagen auf die Leberkäs-Ebene zurückkommen.
1978 zog er triumphierend vom Innenministerium ins Rathaus ein. Dabei war seine OB-Wahl ein Betriebsunfall der zerstrittenen SPD: Die hatte Kronawitter als „nicht vermittelbar“ als OB-Kandidaten abgesägt. Er regierte nur sechs Jahre lang. Bei seiner Abwahl 1984 bekam der eitle Kiesl schmerzhaft zu spüren, dass ihn die meisten Münchner doch nicht mochten. Seit seiner Abwahl als CSU-Bezirkschef im Jahre 1990 spielte er politisch keine Rolle mehr.
„Seine Verdienste als Stadtmanager sind sehr hoch anzuerkennen“, sagt OB Christian Ude: „Er muss zuletzt wohl sehr einsam gelebt und sich verbittert zurückgezogen haben.“ Kiesls Amtszeit sei „von Affären überschattet“ gewesen, weshalb er der einzige OB sei, der nicht wiedergewählt wurde.