"Nichts Gutes": Was Söders Cannabis-Blockade für München und Bayern bedeutet

München - Die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland kann kommen. Das Bundeskabinett in Berlin beschloss am Mittwoch den entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Nach dem Beschluss im Kabinett muss das Gesetz noch durch Bundestag und Bundesrat. In der Länderkammer ist es nach Angaben des Gesundheitsministeriums aber nicht zustimmungspflichtig. Mit einem Inkrafttreten rechnet das Ministerium bis zum Jahresende.
Bundeskabinett stimmt über Gesetzesentwurf ab: Kommt jetzt die Cannabis-Legalisierung?
Die Pläne sehen vor, Cannabis im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Ab 18 Jahren soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden dürfen. In speziellen Vereinen, sogenannten Cannabis-Clubs, sollen Mitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen.

Kritik an Cannabis-Legalisierung: Angst vor Gesundheitsgefahren
Bereits vor der Verabschiedung hatte es erneute Kritik aus der Union und von Verbänden aus Justiz, Polizei und Gesundheitswesen gegeben. Sie warnen vor Gesundheitsgefahren für junge Menschen und vor Mehrbelastungen für Ermittler und Gerichte.
Die Bundesregierung verteidigt das Vorhaben mit dem Argument, dass damit der Schwarzmarkt und die organisierte Kriminalität eingedämmt und Gesundheitsgefahren durch mögliche giftige Beimischungen reduziert werden könnten. Außerdem habe der Konsum trotz des bisherigen Verbots zugenommen.
Kritik aus der CSU: Söder und Holetschek gegen geplante Cannabis-Legalisierung
"Die Ampel ist grundlegend auf dem Irrweg. Drogenlegalisierung ist einfach der falsche Weg", wetterte CSU-Chef Markus Söder. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hat von der Bundesregierung gar einen sofortigen Stopp ihrer Pläne zur Cannabis-Legalisierung gefordert.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dürfe Kritik von Ärzten, dem Deutschem Richterbund und der Gewerkschaft der Polizei an dem Vorhaben nicht ignorieren, sagte der CSU-Politiker am Mittwoch in München. "Wenn Lauterbach immer noch nicht zur Vernunft kommt, muss Bundeskanzler Scholz die Notbremse ziehen und den aberwitzigen Legalisierungs-Kurs stoppen."

Der gesundheitspolitische Sprecher der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag bekräftigte am Mittwoch das "Nein" seiner Partei zur Cannabis-Legalisierung. "Das ist eine katastrophale Fehlentscheidung. Das Risiko von Psychosen ausgelöst durch den Konsum von Cannabis wird komplett unterschätzt. Es ist schleierhaft, wie ausgerechnet ein Arzt als Bundesgesundheitsminister diesen Weg befürworten kann", so Bernhard Seidenath.
Der CSU-Politiker führte aus: "Statt sich mit den wirklich wichtigen Themen im gesundheitspolitischen Bereich auseinanderzusetzen, ruft der Bundesgesundheitsminister mit diesem irrwitzigen Gesetzesbeschluss Geister, die man nicht mehr los wird. Das Letzte, was wir brauchen, ist eine zusätzliche drogenpolitische Baustelle."
Grüne in München wollen Landeshauptstadt zur Cannabis-Modellkommune machen
Längst nicht überall in Bayern ist der politische Widerstand gegen die Cannabis-Legalisierung so groß wie in der CSU. Bereits im April reichte etwa die Grünen-Fraktion im Münchner Stadtrat einen Antrag ein, die Landeshauptstadt zur Modellkommune für die kontrollierte und lizenzierte Abgabe von Cannabis zu machen.
Hierfür solle das Gesundheitsreferat Vorbereitungen treffen und auch die Bevölkerung zum Thema Cannabis und der geplanten Legalisierung befragt werden. So sollen Informations- und Hilfsangebote entwickelt werden, um Konsumenten und Jugendliche zu schützen. "Der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg zur Legalisierung von Cannabis ist aus Sicht der Rathauskoalition richtig: München sollte hier mitgehen und mit einer eigenen Initiative unterstützen", hieß es dazu von der Stadtrats-Fraktion der Grünen.
Wird Cannabis auch in Bayern legalisiert? Die AZ hat mit einem Experten gesprochen
"Bei den aktuellen Entwürfen geht ja ein Gestaltungsauftrag an die Bundesländer, und wenn man sieht, wie Söder auf die Ideen aus Berlin reagiert, bedeutet das nichts Gutes für Bayern", sagte der Diplom-Sozialpädagoge Siegfried Gift bereits zuletzt im Gespräch mit der AZ. Er weiß, wovon er spricht: Seit 25 Jahren ist er in der Suchtberatung tätig, leitet die Abteilung Jugend, Sucht und Familienhilfen bei der Münchner Initiative Condrobs e.V.
Suchtberater Gift: "Die Entkriminalisierung des Cannabis-Konsums ist das Wichtigste"
Siegfried Gift begrüßt die Ansätze der Bundesregierung. "Die Entkriminalisierung des Konsums ist das Wichtigste, Probleme resultieren gerade bei Jugendlichen vor allem aus der polizeilichen Verfolgung heraus", betonte der 57-Jährige. "Es ist gut, dass die Bundesregierung an den Jugendschutz denkt und versucht, eine legale Abgabe zu ermöglichen."
Entscheidend sei, dass man nicht die gleichen Fehler mache wie in den Niederlanden, wo die Weitergabe von Cannabis "nicht über von der Mafia abgekoppelte Wege" geschehen sei und man so nicht sicher sein konnte, was für Substanzen wirklich in der Droge stecken würden. "Wir sind in Deutschland mit den Plänen auf einem guten Weg."
Gift kann die Kritik zum Teil nachvollziehen: Jugendliche seien einfach naiver
Wie der Münchner Suchtmediziner Tobias Rüther – er leitet die sogenannte Tabakambulanz an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im LMU Klinikum – sieht Siegfried Gift ein großes Risiko gerade bei den Jugendlichen.
Das Gehirn wächst bis zum 23. Lebensjahr und vernetzt sich bei Drogenkonsum schlechter. "Grundsätzlich zieht sich die Sucht-Problematik sowohl bei Cannabis- und Alkoholkonsum durch alle Generationen durch", betont Gift. "Aber Jugendliche sind im Antwortverhalten oft ein bisschen naiver, probieren einfach sehr gerne aus."