Nicht mehr für Bundestag nominiert: Grüne watschen Bause ab
München - Schon als Dreijährige sei sie eine Rebellin gewesen, sagt Vaniessa Rashid. Damals flüchtete sie mit ihren Eltern aus dem Nordirak. "Ich wollte nicht verstehen, warum Jungs im Meer schwimmen dürfen und Mädchen nicht." Sie habe diskutiert, widersprochen, gehofft, dass es einmal anders wird. Heute ist Vaniessa Rashid 29 Jahre alt und unangepasst geblieben. Überraschenderweise wird sie als Direktkandidatin der Grünen für den Münchner Osten antreten. Bei der Nominierung setzte sie sich mit nur einer Stimme Vorsprung gegen die Bundestagsabgeordnete Margarete Bause durch.
Bause wollte Menschenrechtsarbeit im Bundestag fortsetzen
Bause zog Mitte der achtziger Jahre erstmals in den bayerischen Landtag ein, war dort viele Jahre Fraktionsvorsitzende, Landesvorsitzende und wurde 2017 in den Bundestag gewählt. Dort ist sie Sprecherin für Menschenrechte. Einen Tag nach ihrer Niederlage will Bause nicht persönlich mit der Presse sprechen, sondern lässt über ihr Büro in Berlin Zitate ausrichten. Eines davon lautet: "Ich hätte meine Menschenrechtsarbeit, für die ich von vielen Seiten große Anerkennung bekommen habe, gerne im nächsten Bundestag fortgesetzt." Bis zum Ende der Legislaturperiode will Bause auf jeden Fall Abgeordnete bleiben. Was danach ist, das lässt sie offenbar erstmal offen. Mitte April stellen die bayerischen Grünen ihre Landesliste auf - über die bis heute alle grünen Abgeordneten in den Bundestag eingezogen sind, ein Direktmandat konnte man noch nie erringen.
Nominierung von Vaniessa Rashid aus dem Münchner Osten
"Für mich ist Bause ein Vorbild", sagt Vaniessa Rashid. Sie sei immer noch von dem Ausgang der Wahl überrascht. Gleichzeitig betont Rashid, dass sie zwar für Presse unbekannt sei, nicht aber für den Münchner Osten. Rashid wohnt in Neuperlach, gründete mit 16 Jahren gemeinsam mit anderen eine kurdische Frauengruppe und sitzt seit 2014 im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach.
Sie studiert Politikwissenschaft, engagiert sich gegen Rechtsextremismus und in vielen Vereinen. Hat die Bundestagsabgeordnete Bause diesen Kontakt zur Basis verloren? Damit sei der Wahlausgang nicht zu erklären, heißt es, wenn man sich bei den Grünen umhört. Bause habe sich in ihrem Münchner Wahlkreis stets engagiert. Sie habe in der Corona-Pandemie geholfen, Masken für Bedürftige zu beschaffen und sei durch ihr Wahlkreisbüro immer ansprechbar gewesen.
Nur eine Stimme Vorsprung für Rashid gegen Bause
Doch dieser Wahlkreis ist vielfältig. Er reicht von den feinen Altbauten im Lehel bis zu den Hochhausblöcken in Neuperlach. Gut 100 Menschen nahmen bei der Abstimmung teil - in Anbetracht der Größe des Wahlkreises sei das nicht viel, heißt es. Letztlich entschied nur eine Stimme. Im zweiten Wahlgang erreichte Rashid 48 Stimmen, Bause kam auf 47. Einer enthielt sich. Vielleicht waren sich Bauses Anhänger schlicht zu sicher, dass sie am Ende ohnehin das Rennen machen würde.
Seit diesem Wochenende steht zudem fest, dass Vaniessa Rashid nicht die einzige junge Frau ist, die für die Grünen bei der Bundestagswahl um ein Direktmandat kämpft. Im Süden tritt die 27-jährige Jamila Schäfer an, die bereits seit ein paar Jahren bundespolitische Erfahrung hat: Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Grünen und engagiert sich in der Europa-Politik. Zudem studiert Schäfer Soziologie und Philosophie. Ihr Ziel sei, ein Wahlkreisbüro der Grünen im Süden zu schaffen und von dort aus die Politik für die Bürger transparenter zu machen. Als einziger amtierender Abgeordneter wird der 44 Jahre alte Dieter Janecek im Westen antreten. Im Norden ist Doris Wagner (58) nominiert, die sich seit über 20 Jahren bei den Grünen engagiert.