Nicht Guam, sondern Grünwald: Stadt will Steueroasen bekämpfen

Vor den Toren Münchens lassen sich prächtig Gewerbesteuern sparen. Der Stadtkämmerer will das nicht akzeptieren. Der Stadt werde so "das Wasser abgegraben", sagt der Kämmerer.
von  Sophie Anfang
In Grünwald gibt es inzwischen fast so viele Firmensitze wie Einwohner (Symbolbild).
In Grünwald gibt es inzwischen fast so viele Firmensitze wie Einwohner (Symbolbild). © imago/STPP

München - Es muss nicht immer eine Insel im Südpazifik sein, wenn es darum geht, dem Fiskus weniger Geld zukommen zu lassen: Etwa um die 545 Quadratkilometer große Insel Guam, die auf der Schwarzen Liste der Steueroasen der EU steht. Wer seine steuerlichen Abgaben "vorteilhafter gestalten" möchte, wie es so schön heißt, wird auch viel näher fündig. Gleich vor den Toren Münchens.

Wer "Steuern sparen Grünwald" in Google eingibt, bekommt rasch Ergebnisse: Ein "Spezialist für virtuelle Firmensitze" bietet da etwa seine Dienste an. Hier gebe es die "idealen steuerlichen Rahmenbedingungen" und das alles "gesetzeskonform".

Grünwald bei München: "Virtueller Firmensitz" steht für Briefkastenfirma

"Virtueller Firmensitz" heißt es auf der Webseite, vulgo würde man doch eher Briefkastenfirma sagen. In Grünwald gibt es, das zeigen Recherchen von WDR und NDR, inzwischen fast so viele Firmensitze wie Einwohner.

Und das hat einen Grund: niedrige Steuern. Mit einem Hebesatz von 240 liegen diese in Grünwald um die Hälfte niedriger als in München mit 490 Punkten. Aber auch andere Umlandgemeinden machen sich die Regelung zunutze, dass Kommunen ihre Gewerbesteuer selbst festsetzen können. "Besonders hervorzuheben ist der Gewerbesteuer-Hebesatz in Gräfelfing, der mit 250 v.H. zu den niedrigsten in Bayern gehört", wirbt die Kommune beispielsweise auf ihrer Webseite.

Hebesatz liegt in München bei 480 Punkten, in Grünwald bei 240, in Pullach bei 260

Und auch in Oberhaching möchte man Firmen anwerben, indem man nur einen Hebesatz von 250 verlangt, in Pullach, das direkt an München klebt, sind es laut IHK 260.

In der Münchner Stadtkämmerei treibt das den Puls hoch. Durch diese Anreize kämen einige Umlandgemeinden auf "ein Vielfaches an Gewerbesteuern pro Einwohner", heißt es in einer Mitteilung. In der Spitze ginge dieser Wert sogar über das Fünffache hinaus.

Freilich, man könnte sagen: München muss eben selbst attraktiver werden für Unternehmen. Vonseiten der Kämmerei weist man aber darauf hin, dass die in den Umland-Steueroasen tätigen Firmen "bestenfalls eingeschränkt unternehmerisch tätig" seien.

Firmen erwirtschaften Gewinn woanders

Will heißen: Die Firmen erwirtschaften ihre Gewinne anderweitig und setzen sie aber dort steuerlich ab, wo es günstig ist - wobei zum Beispiel die schon beschriebenen "virtuellen Firmensitze" sicher hilfreich sind.

Der Münchner Stadtkämmerer Christoph Frey (SPD) kritisiert, dass die Unternehmen in der Landeshauptstadt tätig seien und die Stadt ihnen dafür Infrastruktur wie Kitas, Wohnraum und ÖPNV zu Verfügung stelle. Und das gehe nur, in dem man Schulden mache. "Gleichzeitig sprudeln in den Gewerbesteueroasen die Steuern und graben den umliegenden Städten das Wasser ab", so Frey.

Münchner Stadtkämmerer Christoph Frey übt Kritik

Eine Arbeitsgruppe im Finanzausschuss des Deutschen Städtetages hat nun Vorschläge erarbeitet, wie diese Steuersparmodelle erschwert werden können. Mit dabei: der Münchner Stadtkämmerer Frey.

Die Arbeitsgruppe schlägt vor, dass Kommunen künftig mindestens eine Gewerbesteuer von 320 Prozent erheben müssen. Bislang sind es 200 Prozent. Zudem sollen Firmen den betroffenen Gemeinden mitteilen müssen, wenn sie ihre Steuern "gemeindeübergreifend gestalten". Und auch die Prüfrechte der Kommunen sollen ausgeweitet werden.

Ob die Forderungen zu neuen Gesetzen werden, wird sich zeigen. Sie fließen aber zumindest in die Beratungen von Arbeitsgruppen zwischen Bund und Ländern ein, die bereits zu dem Thema tagen.

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