Neues Zentrum gegen Essstörungen in München

Im Lindwurmhof eröffnet ein Zentrum für Essstörungen. Auch Angehörige sollen hier Hilfe finden. Die AZ hat sich umgesehen.
von  Annika Schall
Der Lindwurmhof von außen.
Der Lindwurmhof von außen. © CoMedicum

Ludwigsvorstadt - Ein großes Foto des Tegernsees prangt an der Wand des Gruppenraums. Im Hintergrund die ruhige Wasseroberfläche, im Vordergrund ein paar Ruderboote. Ansonsten ist die Einrichtung schlicht, die Wände weiß. "Wir wollten alles möglichst einfach gestalten, aber gleichzeitig eine warme Atmosphäre schaffen. Die Patienten sollen sich sicher fühlen", erklärt Ludwig Klitzsch, Geschäftsführer der Ideamed.

Denn sicher fühlt sich für die Patienten, die ab sofort im neuen Zentrum der Gesundheitsgruppe behandelt werden, schon lange nichts mehr an. Ihr Leben wird bestimmt vom Hungern, von Ess- und Brechanfällen und von dem ständigen Kampf gegen die Waage. Im CoMedicum am Lindwurmhof soll Essgestörten künftig beim Aussteig aus dieser Leidenspirale geholfen werden.

Patienten werden jünger, Begleiterkrankungen häufiger

Besonders an dem ambulanten Zentrum, das auf bis zu 80 Patienten ausgelegt ist, ist, dass Ärzte und Therapeuten sich nicht nur um das gestörte Verhältnis zum Essen kümmern. Denn immer häufiger gehen Essstörungen auch mit anderen psychischen Begleiterscheinungen einher, wie Dr. Margot Albus, Leiterin des Zentrums und Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie weiß: "Rund die Hälfte aller Essgestörten hat depressive Episoden, insbesondere Bulimiker leiden oft unter Angstzuständen, Magersüchtige unter Zwangsstörungen", erklärt sie.

Auch selbstverletzendes Verhalten, Substanzmissbrauch und Borderline-Störungen kämen bei den Betroffenen vor.

Der Lindwurmhof von außen.
Der Lindwurmhof von außen. © CoMedicum

Gegründet wurde das Zentrum in Kooperation mit dem Versorgungszentrum Essstörungen ANAD. Dessen Leiter, Andreas Schnebel, teilt sich die Führung des CoMedicums mit Dr. Albus. Gemeinsam wollen sie in dem Zentrum auch die Betreuung der Angehörigen in den Mittelpunkt rücken. Denn Familie oder Partner leiden oft über Gebühr mit den Patienten mit.

"Mit Essgestörten zusammenleben, ist sehr schwierig", so Schnebel, "Viele meinen es gut, machen aber trotzdem viel falsch." Aus Sorge würden Angehörige zum Beispiel versuchen, das Essverhalten des Betroffenen zu kontrollieren. Die erhöhte Aufmerksamkeit sei aber oft kontraproduktiv, stachele viele Patienten erst recht an. "Essstörungen haben auch viel mit Macht zu tun", so Schnebel.

Grundsätzlich steht das Zentrum allen Altersgruppen offen. "Meine jüngste Patientin ist sechs die älteste 82 Jahre alt", so Schnebel. Ein Schwerpunkt liegt trotzdem auf Angeboten für Kinder und Jugendliche. Denn, das beobachten die Experten schon länger, die Betroffenen werden immer jünger.

Auch soziale Netzwerke haben eine Teilschuld

Das liege, laut Schnebel, zum einen daran, dass Kinder heute früher in die Pubertät kämen. Zum anderen aber trügen auch Medien und soziale Netzwerke immer mehr zumindest eine Teilschuld. Fernsehsendungen wie Germany’s Next Topmodel und Plattformen wie Instagram präsentierten den Kindern eine Welt, in der ein schlanker Körper mit Glück und Erfolg gleichgesetzt wird. Eine Beobachtung, der auch Dr. Albus zustimmen kann: "Man sollte den Einfluss von Leitfiguren nicht unterschätzen."

Um überhaupt eine Therapie zu beginnen, brauchen viele Betroffene lange. Die Scham ist zu groß, die Essstörung zu fest in den Alltag integriert. Machen die Patienten jedoch den Schritt, stehen die Heilungschancen nicht schlecht.
Laut Schnebel kann bei den häufigsten Formen von Essstörungen, Magersucht und Bulimie, rund ein Drittel der Patienten geheilt werden, bei einem weiteren Drittel lasse sich der Zustand zumindest deutlich verbessern. "Im Idealfall binden wir die Patienten hier nicht jahrelang an uns", so der Psychotherapeuten.

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