Neues bayerisches Naturkundemuseum: AZ im "Biotopia" - Oohs und Aahs für die Zukunft

Das neue bayerische Naturkundemuseum „Biotopia“ hat nicht weniger vor, als die Welt zu verbessern.
Anja Perkuhn |
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Kribbelnde Erfahrung für die AZ-Reporterin: So einen Riesentausendfüßler sollen auch Biotopia-Besucher über ihre Hand laufen lassen können.
Petra Schramek 3 Kribbelnde Erfahrung für die AZ-Reporterin: So einen Riesentausendfüßler sollen auch Biotopia-Besucher über ihre Hand laufen lassen können.
Vogelperspektive: Im Ökosystem-Observatorium kann man zukünftig die Wanderbewegungen zum Beispiel von Waldrappen live beobachten.
Petra Schramek 3 Vogelperspektive: Im Ökosystem-Observatorium kann man zukünftig die Wanderbewegungen zum Beispiel von Waldrappen live beobachten.
Eine „Jahrhundertchance“ nennt die Zoologin Auguste von Bayern Prinzessin zur Lippe das Projekt. Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) lobt, die Naturwissenschaften seien dann „künftig noch stärker erlebbar“.
Petra Schramek 3 Eine „Jahrhundertchance“ nennt die Zoologin Auguste von Bayern Prinzessin zur Lippe das Projekt. Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU) lobt, die Naturwissenschaften seien dann „künftig noch stärker erlebbar“.

Wie eine kleine, wandernde Drahtbürste fühlt sich der großeTausendfüßler auf der Hand an. Ein bisschen kribbelt’s, ein bisschen piekt’s. Aber glücklicherweise stinkt es nicht, obwohl sein beißender Abwehr-Geruch der Hauptgrund ist, aus dem der Archispirostreptus giga an diesem Abend im Schloss Nymphenburg unter Betreuung eines Zoologen herumtausendfüßlert – als Demonstration dessen, was das neue bayrische Naturkundemuseum Biotopia bieten soll.

„Kämpfen und Verteidigen“ ist das Thema dieser Ecke – in einer anderen Ecke sind es die verschiedenen Sichtweisen von Tieren, simuliert mit silbernen Helmen, die aussehen wie futuristische Trockenhauben und das Blickfeld erweitern, verengen oder umlenken.

Und selbst auf dem Büffet geht es pädagogisch zu: Zwischen Pilzragout liegen geröstete Heuschrecken – ein potenzielles Essen der Zukunft.

Êxperimente statt Exponate: Ein Museum muss heute anders sein

Staunen sollen die Menschen, sich wundern – erleben. Genau so soll das Naturkundemuseum Bayern „Biotopia“ funktionieren: Die Besucher sollen spielerisch begreifen, dass auch die Art Mensch ein Teil der gesamten Natur ist und damit in das große Gefüge gehört. Dass die Essgewohnheiten von Krokodilen und das Sozialverhalten von Vögeln auch mit ihnen – mit uns zu tun hat.

Und auch einen Riesentausendfüßler oder ein anderes Krabbeltier sollen vor allem die jungen Besucher mal über ihre Hand laufen lassen können.

„Heute muss ein Museum anders sein als eines, in dem man sich Exponate anschauen kann von Hunderten Schmetterlingen“, sagt Gründungsdirektor Michael John Gorman. „Es muss die Neugier wecken, die Menschen durch einen Perspektivwechsel wie mit den Tierblick-Helmen dazu bringen, Empathie zu entwickeln, und sie durch ein dynamisches Erlebnis aktivieren.“

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Dafür soll das Museum eng zusammenarbeiten mit der Wissenschaft aber auch Kunst und Design. „Das Museum von Morgen öffnet sich“, sagt Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar, der durch den Abend führt, „die Wissenschaft kann hereinkommen, man kann viele Menschen von außen mit einbeziehen.“

„Die Menschheit steht vor großen Herausforderungen“

In seiner Heimat Irland hat Gorman schon ein ähnliches Projekt geleitet: die Science Gallery in Dublin – eine Plattform für Zusammenarbeit von Wissenschaft und Kunst, die junge Leute mit aktueller Forschung in Kontakt bringt.

Eines der Ziele von Biotopia ist es, die Aahs und Oohs, die die Erlebnisse bei jungen Menschen erzeugen sollen, umzumünzen in Interesse. „Wir müssen für Kinder und Jugendliche wieder einen Naturbezug herstellen“, sagt Zoologin und Förderkreis-Vorstandsvorsitzende Auguste von Bayern Prinzessin zur Lippe. „Wenn sie sich nicht mehr für die Natur interessieren, wer soll sich in Zukunft für die Natur einsetzen?“

Denn die Menschheit steht vor großen Herausforderungen, sagt Michael John Gorman: „Klimawandel, Artensterben, Wüstenbildung und Ressourcenschwund sind aktuelle Probleme.“ Dass diese auch durch das Verhalten der Menschen verursacht wurden, darüber soll ein separater Ausstellungsteil informieren. „Der soll die Leute aber nicht traurig machen“, versichert Gorman. „Er soll sie dafür begeistern, Lösungen finden zu wollen!“

Eine Konkurrenz zum Deutschen Museum soll Biotopia ausdrücklich nicht sein, sondern eine Ergänzung, um gemeinsam die Begeisterung für Wissenschaft zu fördern. Es koordiniert dafür ein Naturkundenetzwerk mit bayerischen Regionalmuseen, ist mit den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen vernetzt und hat Partner in Hochschulen wie LMU, TU und der Hochschule für Bildende Künste sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Neben der Dauerausstellung wird es wechselnde Ausstellungen geben, ein junges Museum für Kinder unter zehn Jahren, vier offene Labore, in denen zum Beispiel die Zukunft der Ernährung getestet werden kann, außerdem ein Studio, in dem der Einfluss der Wissenschaft auf Kunst, Design und Technik zum Beispiel in der Bionik deutlich wird.

2023 eröffnet Biotopia – anstelle des Museum Mensch und Natur

Das Mueseum soll 2023 eröffnet werden – dort im Schloss Nymphenburg, wo das Museum Mensch und Natur untergebracht ist (siehe Kasten). Im Juni findet eine Info-Veranstaltung zum 95-Millionen-Euro-Bau statt, ab 2018 soll es jedes Jahr ein Biotopia-Festival geben. Der Abriss des zu kleinen Museumsgebäudes soll 2019 beginnen, während der Bauzeit wird es schon einen Biotopia-Pavillon geben.

„Es ist eine Jahrhundertchance, an diesem Ort dieses Museum zu gründen“, sagt Auguste von Bayern. „Und wir haben sie glücklicherweise ergriffen.“

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