Neues aus dem Swinger-Club
Schluss mit dem Disco-Gehopse! Seit Anfang des Jahres wird der „Lindy Hop“ jeden Donnerstag wieder getanzt - zuerst im „Schnupperkurs“, anschließend beim "Swing-a-ling" im Cord Club.
Und die Damen jetzt bitte aufpassen!“ Aufmerksame Mienen bei den Herren. „Die Damen“, erklärt Catrin Host, eine weiße Lilie im dunklen Haar, „die Damen sollten aufpassen, dass sie den Ellenbogen nicht zu früh und zu hoch ausfahren. Sonst kann´s schmerzhaft werden". Verhaltenes Kichern.
Donnerstags, kurz vor 21 Uhr im Cord Club, Sonnenstraße. Der „Schnupperkurs“ ist seit anderthalb Stunden im Gang. Ein Dutzend Tanzpaare stehen in „korrekter Haltung“, wie Catrin Host lobt, unter dem angenehm dämmrigen Deckenlicht und üben mit Hingabe die Grundschritte im „Lindy Hop", einem angeblich nach Charles Lindbergh benannten Paartanz, der seit den frühen 30er Jahren dem Swing Benny Goodmans und Count Basies die passende Bewegung gibt.
Seit Anfang des Jahres wird der „Lindy Hop“ jeden Donnerstag wieder getanzt - zuerst im „Schnupperkurs“, anschließend beim "Swing-a-ling" im Cord Club.
Ausgelassenheit und Erotik
„Tuxedo Junktion“ schwebt im Raum. Es ist 21.15 Uhr. Der elegante Saxophon-Satz, der langsam treibende Rhythmus, der gediegene Klang, der das wilde Gebläse eines Bix Beiderbeck aus den Kneipen in die Tanz-Dielen der Gesellschaft hob: Zweifellos eignet sich Glenn Millers Klassiker trefflich, den „Lindy Hop“ zu proben, in dem sich die Ausgelassenheit und Erotik des Jazz mit der Disziplin des klassischen Paartanzes vereinigen.
21.30 Uhr. Der Club füllt sich: Nach zwei Stunden Kurs beginnt der eigentliche Tanzabend. Neben wenigen deutlich über 30 liegenden Herrschaften sind es vor allem die Jungen, die, teils in der üblichen Jeans-Hemd-Uniform, teils aber auch recht stilecht gekleidet, der Zauber einer verlorenen Ära anlockt.
„Ich bin immer wieder erstaunt, wie gut das ankommt", kommentiert Christine von Scheidt, die Tanzlehrerin, die ihre „Leidenschaft zum Beruf gemacht hat“, die Fuß-Fertigkeit der Neo-Swinger. Vor allem wenn, wie jeden ersten –und oft auch jeden dritten – Donnerstag im Monat, Live-Bands die Atmosphäre des legendären Savoy Ballrooms in Harlem beschwören, drängeln sich die Paare auf dem Parkett.
Auch viele Junge
Gemeinsam mit der Sinologie-Studentin Catrin Host hat von Scheidt den Swing-Abend ins Leben gerufen und damit das Ihrige beigetragen, das Münchner Tanzleben an die Swing-Szene in Berlin anzuschließen. Dort, im Grünen Salon der Volksbühne, hatte André Hermlin vor acht Jahren begonnen, den Sound und die Mode der 30er und 40er perfekt zu kopieren - und damit nicht nur jene angelockt, die in ihrer Jugend noch zu den Originalen getanzt hatten, sondern viele von den Jungen, die man auf den Dance-Floors der Hip-Hop-Clubs vermutet hätte.
Woraus mag diese plötzliche Begeisterung für eine Musik fließen, in deren Klang ja auch die Motoren der Rosinenbomber nachhallen? Ist es die Sehnsucht nach einer Zeit, in der das Leben noch leidenschaftlich, weil gefährlich war? Oder die Aufbruchs-Stimmung der Nachkriegsjahre? „Es ist die Freiheit, die in dieser Musik mitschwingt, das geht ins Blut“, sagt Christine von Scheidt.
Aus den Boxen klingt „Bei mir bist du schön“, die Tanzfläche ist voll, die Stimmung zieht an. Man sieht jetzt nicht wenige, die mit lässiger Sicherheit ihre Figuren aufs Parkett werfen. Einer von ihnen ist Erich, der mit weißer Mütze und Ringelpullover von fern an einen Matrosen der US-Navy erinnert. Beim Donnerstags-Swing schwingt sich der 27jährige Informatik-Student sozusagen mental auf die Diplomarbeit ein, an der er eigentlich schreibt. „Damn’ their eyes", singt Ella. Das Parkett vibriert.
Und die blonde Isabelle vibriert mit. Vor knapp drei Stunden hat die Abiturientin ihre ersten „Triple-Steps“ versucht.
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