Neuer Wirbel um Papst-Puppe

Es war der Aufreger beim Christopher Street Day (CSD) 2006: das schwule „Papamobil“ mit lebensgroßer Papst-Puppe, geschmückt mit Stola über den Schultern und Kondom am kleinen Finger. Jetzt landet die Puppe vor Gericht.
von  Abendzeitung
Musste vor dem Straßenumzug entfernt werden: die Papst-Puppe beim Christopher Street Day 2006
Musste vor dem Straßenumzug entfernt werden: die Papst-Puppe beim Christopher Street Day 2006 © Marlies Schnetzer

MÜNCHEN - Es war der Aufreger beim Christopher Street Day (CSD) 2006: das schwule „Papamobil“ mit lebensgroßer Papst-Puppe, geschmückt mit Stola über den Schultern und Kondom am kleinen Finger. Jetzt landet die Puppe vor Gericht.

Doch bevor der Spaß beim schwulen Straßenfest vor zwei Jahren losgehen konnte, war schon eine Anwohnerbeschwerde da („Verunglimpfung“) – und in der Folge viel Polizei. Initiator Dietmar Holzapfel (Wirt der Deutschen Eiche) musste die Puppe vom „Papamobil“ entfernen, bevor es zum Umzug durchs Glockenbachviertel ging.

So weit, so unsexy. Dann kam das erste Nachspiel: Eine Anzeige bei der Polizei, deren Ausformulierung durch Beamte nur so triefte von homophoben Anspielungen, während Holzapfel klagte: „Ist es denn so negativ, wenn jemand homosexuell ist, oder so dargestellt wird? Ich bin selbst gläubig, wo bleibt da die Meinungsfreiheit?“

Bereits das zweite Nachspiel

Der Staatsanwalt stellte die Ermittlungen ein, doch nun drehten Holzapfel und drei weitere CSD-Verantwortliche den Spieß um: Mit ihrer Anwältin Bettina Weber brachten sie ein juristisches Ungetüm namens Fortsetzungsfeststellungsklage auf den Weg. Auf deutsch: Nun wollen sie vom Gericht geklärt wissen, ob der Polizeieinsatz gegen die schule Papst-Puppe überhaupt rechtmäßig war.

So kommt es nun zum zweiten Nachspiel, das bereits die Züge einer Posse trägt. Am Mittwoch wird verhandelt vor dem Verwaltungsgericht „Holzapfel (. . .) gegen Freistaat Bayern“. Vorgelegt wird ein von den Klägern bei dem Rechtsexperten Johannes Wasmuth in Auftrag gegebenes Gutachten, in dem auf mehr als 80 Seiten das Verhältnis der katholischen Kirche zur Homosexualität analysiert wird.

Hier blasen nun die Kläger zum ganz großen Angriff auf Papst und Kirche, dessen Beurteilung durch das Gericht vielleicht sogar grundsätzliche Bedeutung für Satire und Meinungsfreiheit erlangen könnte.

Knallharte Beurteilungen der katholischen Kirche

Wasmuth trägt Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Bibelstellen und Äußerungen von Papst Benedikt zusammen und kommt zu knallharten Beurteilungen. Der derzeitige Papst habe, vor allem als er noch Josef Ratzinger war, so Wasmuth, immer wieder „Homosexuelle in unangebrachter Weise diffamiert“. Die katholische Lehre sei in Bezug auf ihr Verhältnis zur Sexualität „mit elementaren Grundsätzen der grundgesetzlichen Ordnung und den Menschenrechten der Europäischen Konvention unvereinbar“. Ratzingers „Einsatz für die Intoleranz“ sei „nach den Maßstäben des Rechtsstaates nicht anders zu beurteilen als die Intoleranz eines Ausländerfeindes oder eines Antisemiten“.

Daraus, so der Gutachter, erwachse ein „Recht auf einen Gegenschlag“ mit künstlerischen oder satirischen Mitteln – also der Papst-Puppe. Und da die Polizei das nicht beachtet habe, verletzte sie die Grundrechte der Kläger, so Wasmuth. Nun ist das Gericht gefragt.

Michael Grill

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