Neuer Trend in München: Bargeld statt Betongold
München - Herr P. ist Arzt. Über die Jahre hat er gut verdient. Vor zwei Jahren hat er ein Enkelkind bekommen. Weil er für sein Geld auf dem Konto wenig Zinsen bekommt, will Herr P. sein Kapital gewinnbringend anlegen – und gleichzeitig seinem Stammhalter etwas Gutes tun.
Deshalb kauft er im Münchner Stadtteil Lochhausen eine verhältnismäßig günstige Immobilie. Sie wird weiterhin durch den vorigen Eigentümer bewohnt, einen Rentner. Der hat dafür knapp 600.000 Euro bekommen und darf in seinem Haus bleiben, bis er stirbt. Alle Beteiligten sind glücklich.
Neuer München-Trend: Bargeld statt Betongold
Herr P., sein Enkel und der Rentner sind natürlich erfunden. Doch so oder so ähnlich machen immer mehr Ruheständler in München ihr Eigenheim zu Geld. "Wir sehen einen Trend zur sogenannten Verrentung. In diesem Jahr überlaufen uns die Menschen nahezu", sagt Mesut Yikilmaz, Geschäftsführer der Gesellschaft für Immobilienverrentung (Degiv). Gemeinsam mit seinem Partner Özgün Imren berät er Käufer und Verkäufer in der Stadt – vorwiegend Senioren.
In der Generation der älter als 65-Jährigen, der Baby-Boomer, ist die Eigentumsquote hoch. Jeder zweite Deutsche im Rentenalter besitzt nach Angaben des Statistischen Bundesamts eine eigene Immobilie, die er auch selbst bewohnt. Ruheständler sind demnach selten von Wohnraumknappheit oder gar Platzmangel betroffen. Während jeder erwerbstätige Deutsche im Schnitt auf 46 Quadratmetern Wohnfläche lebt, haben Rentner durchschnittliche 59 Quadratmeter zur Verfügung.
Doch nicht alle Senioren – in München insgesamt immerhin mehr als 300.000 – leben ihren Immobilientraum mit Dauersonnenseite. Zwar sparen sie sich im eigenen Haus die Miete, trotzdem haben sie das Gefühl, finanziell keine großen Sprünge machen zu können.
Nur 17,9 Prozent der Rentner wollen im Alter noch umziehen
Während bei den einen die knappe Rente kaum reicht, um die Nebenkosten zu bestreiten, Reparaturarbeiten zu bezahlen oder altersgerechte Umbauten vorzunehmen; wünschen sich die anderen mehr kulturelle Teilhabe. Ein Umzug kommt für einen Großteil der Älteren nicht in Frage. "Nur 17,9 Prozent der befragten Senioren sind zu einem Umzug bereit", sagt Özgün Imren. Für eine Studie hat er ältere Immobilienbesitzer befragt und festgestellt: "Im Alter geht es den Menschen beim Wohneigentum mehr um die Frage von Identität, Heimat und Zuhause."
Einen Ausweg aus dem Dilemma bietet die Verrentung der eigenen Immobilie. Dabei kommen vornehmlich drei Modelle zum Einsatz: die Immobilien-Leibrente und der Immobilienverkauf auf Nießbrauchbasis oder mit Rückvermietung.
Bei der Leibrente verkauft der Besitzer sein Haus unter dem Verkehrswert an einen Investor. Im Gegenzug erhält er ein lebenslanges mietfreies Wohnrecht sowie eine monatliche Rente. Wie hoch diese ausfällt, hängt vom Geschlecht und Alter des Verkäufers und dem Wert der Immobilie ab.
Nießbrauchrecht endet mit dem Tod
Im Fall des Nießbrauchrechts hat der Verkäufer mehr Handhabe. Nach Abschluss des Vertrags erhält er eine Einmalzahlung. Das Nießbrauchrecht endet mit dem Tod. Der Verkäufer muss nicht bis an sein Lebensende in der Immobilie wohnen bleiben. Zieht er etwa in ein Altenheim um, darf er sein Haus vermieten und die Einnahmen behalten. Bei der Rückvermietung können Immobilienbesitzer von hohen Kaufpreisen profitieren. In einem Vertrag mit dem Neueigentümer können Mieterhöhungen oder außerordentliche Kündigungen ausgeschlossen werden.
Selbst wenn Besitzer bei der Verrentung mit Gewinneinbußen gegenüber Komplettverkäufen rechnen müssten, lassen sich gerade in der Immobilienhochburg München hohe Preise erzielen. Denn: Der Markt sei nahezu leer gefegt, heißt es bei Degiv. Und die Erben? Für viele der Kunden des Unternehmens spielten die keine Rolle. Entweder gibt es sie nicht oder die Senioren wollen "ihren letzten Lebensabschnitt ohne finanzielle Engpässe" genießen.
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