Neuer Lodenfrey-Chef Leonard von Pfister (27): "Der neue Luxus"

AZ: Lieber Herr von Pfister, mit ihrer Schwester Antonia (26) sind Sie nun in sechster Generation Mitglied der Geschäftsführung beim Münchner Traditionshaus Lodenfrey. Ruft eines Tages der Opa an - oder wie wird man ins Familienunternehmen berufen?
LEONARD VON PFISTER: So ungefähr. Meine Schwester und ich sind die sechste Generation der Familie Frey, das ist ein großer Name, natürlich hat Lodenfrey immer eine Rolle in unserem Leben gespielt. Vor allem bei den großen Familienfeiern. Mit 18 durfte ich beispielsweise mal auf eine Gesellschafterversammlung. Doch dadurch, dass meine Mutter - und mein Vater und meine zwei älteren Brüder - andere Wege fernab des Unternehmens gegangen sind, war es bei uns in der kleinen Familie nicht ständig das Hauptthema. Was sicher gut war, sodass wir Kinder uns frei entfalten konnten. Vor knapp zwei Jahren fragten mal mein Onkel und meine Tante vorsichtig nach, wie es denn so ausschaut.
Und wie schaute es so aus?
Ich fand es gleich superspannend, wusste aber nicht, ob ich das überhaupt kann. Ich habe Politikwissenschaft studiert, meinen Master in Philosophie gemacht. Meine Schwester hat VWL studiert, sie hat ihren Master in Modemanagement. Ohne Antonia hätte ich nie zugesagt, es war klar, dass wir es zusammen probieren. Wir verstehen uns super, ergänzen uns toll. Also haben wir vorgeschlagen, im März 2019, dass wir ins Unternehmen reinschnuppern wollen. Wir haben uns alle Bereiche und Prozesse angeschaut - und hatten gleich viel Freude. So ganz blöd haben wir uns wohl nicht angestellt. Das Feedback war sehr gut.
Die Mutter war über die Nachfolge nicht begeistert
War Ihre Mutter auch so begeistert, dass Sie ins Unternehmen einsteigen?
Eher nicht. Sie hätte uns gern davor bewahrt, dass wir uns dem großen Namen aussetzen.
Und dem großen Druck?
Genau. Es geht ja nicht nur um Tradition und die Familie. Es geht auch um viel Geld.
Haben Sie keine Angst?
Angst nicht, aber Respekt. Es ist eine fantastische Aufgabe - und Herausforderung. Glücklicherweise ist jetzt auch meine Mutter Feuer und Flamme, dass Antonia und ich dabei sind und neuen Schwung ins Unternehmen bringen wollen.
Gab es nicht auch viel Neid?
Menschen, die denken, wir wären nur mit dem Silberlöffel aufgewachsen, wird es immer geben. Anfangs meinten ein paar Leute, wir wären zu jung. Durch die Eingewöhnungsphase konnten wir gut in die Firma reinwachsen. Seitdem wachsen wir jeden Tag mit der Aufgabe. Die meisten Mitarbeiter von Lodenfrey sind lange dabei, sie sind sehr loyal und haben Verständnis, dass es auch in einem Traditionshaus immer etwas Veränderung geben muss.

"Wenn wir das alles überstehen, kann uns nix so leicht umhauen"
Neben Druck und Verantwortung kommt Corona hinzu. Der Start in der Geschäftsführung könnte für Sie kaum schwerer sein.
Das ist schon krass, gleich mit einer der größten Krisen überhaupt zu kämpfen zu haben. Aber ich denke, wenn wir das alles überstehen - gesundheitlich, wirtschaftlich, als Gesellschaft - dann kann uns danach nix mehr so leicht umhauen.
Wie geht's Lodenfrey im Lockdown?
Da von der Wiesn bis zum kleinen Trachtenfest alles fehlt, ist 70 Prozent des Vorjahres weg. Wirklich heftig. Auch die Hochzeiten fehlen uns sehr. Der Onlinehandel ist vor Corona gewachsen, jetzt wächst er noch mehr. Wir haben vor der Krise sehr gut gewirtschaftet, das hilft uns jetzt. Trotzdem wird sich zeigen, wie sich nach Corona das Konsumverhalten verändert. Ich denke, Luxus wird sich neu definieren und eine neue Bedeutung bekommen.
Der neue Luxus - was ist das?
Wie wird der neue Luxus?
Die Mode war ein völlig überlaufener Markt. Gerade meine Generation denkt an die Zukunft und möchte nicht, dass das obszöne Ausmaß des billigen Konsums so weitergeht - auf Kosten des Klimawandels und der Erderwärmung. Ich denke, Naturprodukte werden Luxus werden. So wie immer nachhaltiger gegessen wird, wird nachhaltiger geshoppt werden. Bedarfsartikel kann man online bestellen, besondere Produkte - in meinen Augen Naturprodukte - werden eine neue Wahrnehmung erfahren, wofür man gern in ein Geschäft geht und sich beraten lässt.
Sie haben die "Gen Six"-Kollektion entwickelt, wollen Loden verjüngen, verzichten auf synthetische Fasern und Plastikverpackung. Aber: Tragen jetzt im Homeoffice nicht eh wieder alle Jogginganzüge?
Ich war noch nie der Jogginganzug-Typ, das mag auch in der Familie liegen (lacht). Ich kann nur sagen: Loden ist wahnsinnig bequem und eignet sich echt gut im Homeoffice.
Sie werden nächste Woche 28, wie geht es Ihnen privat im Lockdown?
Wie allen: Ich vermisse das Skifahren und Rausgehen, Freunde, Restaurantbesuche, Reden, Wein trinken, Spaß haben. Ich bin nur froh, dass ich mich mit meiner Schwester so gut verstehe, weil sie ja eine der wenigen Menschen ist, die ich derzeit überhaupt noch sehe.