Neuer Bürgermeister von München gewählt: Gratulationen und Kritik für Dominik Krause

München - Mei, es hat schon mal Zeiten gegeben, in denen er mehr geschlafen hat, das gibt Dominik Krause zu, als die AZ ihn am Dienstag trifft. Er sitzt in einem Besprechungsraum der Grünen-Stadtratsfraktion, vorher hat er dem Fernsehen ein Interview gegeben. Die leichten Augenringe sind kein Wunder: Am nächsten Morgen soll der Stadtrat ihn zum Bürgermeister wählen. Er wird mit 33 Jahren Dieter Reiters (SPD) Stellvertreter, also der zweitwichtigste Mann im Rathaus.
Nach Abgang von Habenschaden: Dominik Krause zum Bürgermeister gewählt
Das kam plötzlich: Die Grünen haben Krause, ihren Fraktionschef, als Bürgermeister nominiert, nachdem Katrin Habenschaden überraschend ihren Rückzug aus der Politik verkündet hatte. Alle Münchner Grünen, die man zuvor fragte, hatten damit gerechnet, dass sie es noch mal mit einer OB-Kandidatur probieren würde. Und auf einmal wirbelte sie die Karten durcheinander. Bei der Frage, wer ihr Nachfolger werden soll, sei die Wahl auch auf ihn gefallen, weil er eine OB-Kandidatur nicht ausschloss, sagt Krause. Entschieden hätten die aber noch nichts. Er rechnet damit, dass sich die Partei Mitte 2024 damit auseinandersetzt.
Jetzt aber steht ohnehin eine andere Aufgabe an: Bürgermeister werden. Und – um die Aufregung zu nehmen: Krause darf Blumensträuße entgegennehmen. Am Mittwoch wählen ihn von 78 anwesenden 40 Stadträte. Ein SPDler fehlte, also dürften ihm rechnerisch drei aus der Fraktion ihre Stimme nicht gegeben haben.
Ohne Nominierung: SPD-Stadtrat Roland Hefter bekommt drei Stimmen
Vielleicht gingen die an SPD-Stadtrat Roland Hefter. Obwohl er nicht nominiert war, bekam er drei Stimmen. Zumindest er selbst sagt, dass die nicht aus den eigenen Reihen kamen. Es gab auch Stimmen für die Grünen Mona Fuchs und Florian Roth und für den Schriftsteller Franz Kafka, seit fast 100 Jahren tot.
Dass es Gegenstimmen geben würde, war zu erwarten: Nach Krauses Nominierung ließ sich die SPD tagelang Zeit, bis sie erklärte, dass sie weiter mit den Grünen regieren wolle. Dass die SPD dieses Zeitfenster nicht nutzte, um sich mit einem anderen Partner zusammen zu tun – das kritisierte FDP-Chef Jörg Hoffmann. Aus seiner Sicht lasse die grün-rote Koalition zu viele wichtige Themen liegen, etwa die Frage, wie es mit dem Gasteig weiter gehen soll. "Ich bedauere, dass die SPD nicht mutiger ist." Stattdessen gebe es jetzt mit Krause einen Kandidaten, der Habenschadens Vorteil, nämlich verbindend zu wirken, nicht habe.
Krause will ein Bürgermeister für alle werden
Auch CSU-Chef Manuel Pretzl kündigte vor der Wahl an, dass seine Fraktion Krause nicht unterstützen werde. Denn die Stadt stehe wegen des Koalitionsvertrags, den Grüne und SPD 2020 schlossen, schlechter da als vorher. Die Finanzlage nannte Pretzl katastrophal.
Einen Gegenkandidaten stellte die CSU nicht auf. Anders als die ÖDP, die ihren Chef Tobias Ruff nominierte. Echte Chancen rechne er sich nicht aus, sagte Ruff vor der Wahl. Es gehe ihm mehr um ein Zeichen, dass es in einer Demokratie mehr als nur einen Kandidaten geben solle.
Krause hat sich allerdings vorgenommen, ein Bürgermeister für alle zu werden. Das betonte er in der Rede nach seiner Wahl und auch im Gespräch mit der AZ einen Tag zuvor. Auch bei früheren CSU-Bürgermeistern seien die Türen für die Opposition immer offen gewesen, sagt Krause in dem Besprechungszimmer der Grünen. Das wolle er auch so machen.
Also doch kein "Links-Rutsch" im Rathaus, wie ihn die CSU befürchtete? "Ich bin natürlich jemand, der eine Haltung hat. Die Leute wollen ja auch keine weichgespülten PolitikerInnen", sagt Krause. "Gleichzeitig muss man in der Kommunalpolitik immer pragmatisch agieren." Die Erfahrung konnte Krause in den vergangenen zehn Jahren im Stadtrat sammeln. 2014, als Physik-Student, wurde er hineingewählt.
Dominik Krause gründete den Verein "München ist bunt" mit
Zu den Grünen kam er 2009 während des Zivildiensts. Er absolvierte ihn an einer Schule in Großhadern, die auch Kinder mit einer Behinderung besuchten. Zu der Zeit gab es in der Gegend Nazi-Demos. "Ich war geschockt, dass es in München Nazis mit Springerstiefeln gibt", sagt Krause. Er gründete den Verein "München ist bunt" mit und besuchte die Stammtische der Grünen Jugend. Die damalige Chefin ist heute die Frontfrau der Grünen im Landtag: Katharina Schulze. Sie habe ihn vom Sinn der Frauenquote überzeugt, erzählt Krause.
Dass er bereit ist, zuzuhören, seine Meinung zu ändern – und wenn nötig Fehler einzugestehen, auch das kündigte Krause in seiner Rede an. "Wir haben gelernt, dass jemand, der Fehler zugibt, Schwäche zeigt", sagte Krause. "Aber diesen Punkt müssen wir überwinden."
Das Auseinanderdriften der Gesellschaft und die Wahlerfolge rechter Parteien machen Krause Sorgen. Er hat sich vorgenommen, mit den Menschen in den Stadtvierteln ins Gespräch zu kommen. Nicht nur mit den Leuten, die eh zu den Bürgerversammlungen kommen. Sondern auch mit allen, die sich nicht über mehr Klimaschutz freuen, etwa aus Angst, dass der Geld kostet.
Auch von Habenschaden will er sich etwas abschauen: "Mit ihr war klar, dass Münchens Wirtschaft Gehör findet. Das will ich weiter so machen." Von ihr erbt er aber auch schwierige Aufgaben: Den stockenden Trambahn-Ausbau in Gang bringen, entscheiden, wie es mit dem Gasteig weitergehen soll. Einen Investor, der die Sanierung übernimmt, hatte Habenschaden nämlich nicht gefunden.