Neue Zahlen: Senioren kehren München den Rücken
München - München ist eine Stadt zum Auswandern. Freilich nicht für die meisten Altersgruppen. Studenten, Berufstätige, Familien zieht es in die Stadt. Aber die älteren Münchner packen ihre Koffer, lösen ihre Wohnungen auf und gehen weg – häufiger als in anderen deutschen Metropolen.
Im Schnitt kehren gut 4000 Münchner über 65 Jahren der Stadt den Rücken. Natürlich gibt es auch Menschen in derselben Altersgruppe, die wieder oder zum ersten Mal in die Stadt ziehen – mehr als in Köln oder auch der größeren Stadt Hamburg. Vergleicht man aber Weg- und Zuzügler, sieht man jedoch: Durchschnittlich verliert München jedes Jahr rund 2000 „Best Ager“. Diese Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt.
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Gut die Hälfte der einstigen Münchner bleibt in Bayern. Wo genau, ist statistisch nicht erfasst. Ein Drittel verlässt Deutschland gänzlich. Denkbar ist, dass es sich hierbei teilweise um Migranten handelt, die nach Ende ihres Erwerbslebens in ihr Heimatland zurückkehren. Nur wenige ehemalige Münchner über 65 ziehen in ein anderes Bundesland.
Ältere Menschen verlassen die Stadt
Dass München bei den Älteren eine Stadt zum Kofferpacken ist, ist kein neues Phänomen. In den vergangenen fünf Jahren verlor die Stadt im Schnitt 2000 ältere Mitbürger jährlich.
Die Vorsitzende des Münchner Seniorenbeirats, Ingeborg Staudenmeyer, überraschen diese Zahlen nicht. Das Thema Wohnen sei in ihren Sprechstunden immer wieder präsent. Und um eines geht es dabei besonders: ums Geld. „Die Altersarmut macht sich bemerkbar, die Leute können sich die Wohnungen einfach nicht mehr leisten.“
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Deshalb gingen die Leute weg aufs Land. Das sei aber nicht immer besser, sagt die Seniorenbeirätin: „Vielleicht finanziell. Aber ansonsten gibt es ja kaum Infrastruktur.“ Weniger Busse, weniger Kulturangebot, oftmals keine vertrauten Gesichter mehr.
Die Rente reicht nicht für die Miete
Grob gesagt, gibt es zwei typische schwierige Situationen für Rentner. Es gebe Leute, die hätten eigentlich eine ganz gute Rente – aber teure Mieten. Sie gibt ein Beispiel: eine Frau mit 1100 Euro Bezügen, eigentlich nicht schlecht. „Aber wenn die dann 800 Euro Miete zahlen muss, dann kocht sie mit 75 Jahren immer noch im Jugendzentrum oder muss putzen, um sich etwas dazuzuverdienen.“
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Wem die Rente gar nicht reicht, bekomme zwar Unterstützung vom Staat. Aber auch das sei für viele nicht einfach: „Sie wollen nicht zum Sozialamt.“ Die Scham ist oft groß. Und Grundsicherung ist in einer Stadt wie München auch nicht viel Geld.
Dabei versucht die Stadt, daran schon etwas zu drehen und stockt die Regelsätze mit eigenen Mitteln auf. Alleinstehende bekommen als Grundsicherung 404 Euro vom Bund. Die Stadt gibt 21 Euro dazu.
Die Stadt entwickelt neue Wohnkonzepte
Zudem gibt es verschiedene Angebote, die es Älteren ermöglichen sollen, in der Stadt zu bleiben. Sozialarbeiter in den Bezirken kümmern sich um betagtere Mitbürger. „Da wird Unterstützung angeboten und auf die Leute zugegangen“, sagt Sozialreferatssprecher Ottmar Schader. Das geschieht über die Altenservice-Zentren aber auch präventive Hausbesuche „wenn man merkt, da ist jemand isoliert“.
Außerdem wird darüber nachgedacht, wie man attraktiven Wohnraum für diejenigen schaffen kann, die nicht mehr so mobil sind. „Wir entwickeln neue Wohnkonzepte für Senioren mit“, sagt Schader. Etwa Alten WGs oder Mehrgenerationenhäuser.
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Seniorenbeirätin Staudenmeyer ist skeptisch: „Da weiß man dann auch wieder nicht, wie viel diese Wohnungen dann kosten.“ Es kommt immer auf das eine zurück: Wohnraumknappheit.
Das gibt auch Schader zu: „Die Preisentwicklung können wir nicht ändern.“ Die Stadt baut zwar verstärkt. Aber weil der Zuzug nicht abreißt, ist jedes neue Wohnhaus immer noch eines zu wenig.
Das trifft vor allem Senioren hart, bemerkt Staudenmeyer. „Die Verdrängung ist schon da. Und es wird tendenziell eher schlimmer, statt besser.“
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