Neue Zahlen: Immobilienpreise in München weiter hoch. Umland steigt

München - Wer zum Münchner Immobilienmarkt gute Nachrichten verbreiten will, der muss sich gedanklich schon ein wenig verrenken. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Institut, der Gesellschaft für Immobilienmarktforschung, versucht es trotzdem: "Wenn man das Positive sehen will, kann man zumindest feststellen, dass die Preiszuwächse sich etwas abgeschwächt haben", leitet er die Vorstellung des neuen Marktberichts des IVD ein.
Doch da man trotz aller mentaler Gymnastik nicht den Blick auf die Realität verlieren sollte, schiebt Kippes der guten Nachricht gleich eine schlechte nach: "Allerdings reden wir in München weiter von einer deutlichen Dynamik nach oben." Sprich: Die Preisspirale dreht sich noch – wenn auch etwas langsamer.
Preiszuwächse in allen Bereichen
Der Marktbericht der IVD, der Kaufpreise für Wohnimmobilien in ganz Bayern und München untersucht hat, bestätigt das: Preiszuwächse verzeichnet der Bericht in allen Bereichen. Egal ob Reihenhaus, Baugrund, oder Eigentumswohnung, überall müssen Käufer tiefer in die Tasche greifen.

In München kommt ein weiterer Faktor erschwerend hinzu: "Objekte sind inzwischen knapp, das verschärft die Situation zusätzlich", so Kippes. Am meisten verteuerten sich in München in den vergangenen sechs Monaten freistehende Einfamilienhäuser. Über fünf Prozent müssen Interessenten hier inzwischen mehr bezahlen. Eigentumswohnungen verteuerten sich um etwas mehr als drei Prozent.
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Das ist zwar eine leichte Erholung vom vergangenen Jahr, als der IVD Preissteigerungen bei Immobilien von bis zu neun Prozent verzeichnete, erschwinglich ist Eigentum in der Landeshauptstadt aber trotzdem nicht. Beispiel Wohnungen: Mit 6.400 Euro pro Quadratmeter müssen Käufer einer Bestandswohnung mit gutem Wohnwert inzwischen rechnen. Beim Neubau werden 8.250 Euro pro Quadratmeter fällig.
Die Kaufkraft steigt nicht ansatzweise so stark
Ein Blick auf die Zahlen von vor zehn Jahren zeigt, wie schnell sich die Spirale in München in der Vergangenheit gedreht hat. Im Frühjahr 2008 waren ähnliche Bestandswohnungen noch für 2.670 Euro pro Quadratmeter zu haben und Neubauten für 3.700. Problematisch ist das vor allem deshalb, weil die Kaufkraft nicht mal ansatzweise ähnlich stark gestiegen ist.
Der IVD rechnet das anhand der Preise für Einfamilienhäuser vor. Demnach nahm das durchschnittliche Einkommen in München zwischen 1995 und 2018 um 46 Prozent zu, gleichzeitig verteuerten sich Einfamilienhäuser aber um 146 Prozent. Eine Schere, die im bayerischen Durchschnitt weit weniger auseinanderklafft.

Auch im Münchner Umland wird es immer enger und teurer
Münchner, die sich trotz guten Einkommens keine Wohnung in der Stadt leisten können, sind in den vergangenen Jahren immer häufiger aufs Umland ausgewichen. Dass die Probleme damit nur bedingt umgangen werden, weiß Lukas Sommer, Makler in Erding: "Die Nachfrage ist extrem hoch. Wir machen die Erfahrung, dass selbst Wohnungen, die vor drei Jahren noch schwer zu verkaufen waren, inzwischen sehr begehrt sind."
Mittlerweile übersteigt auch hier die Nachfrage das Angebot deutlich. Erst kürzlich, berichtet Sommer, habe es bei einem Erdinger Neubauprojekt 350 Bewerbungen auf 15 Reihenhäuser gegeben. "Immer mehr stellen Menschen fest, dass sie sich auch in Erding nichts leisten können und ziehen weiter, nach Taufkirchen oder Dorfen."
S-Bahn-Anbindung muss nicht mehr unbedingt sein
Viele Gemeinden seien mit dem plötzlichen Interesse regelrecht überfordert, so der Makler. "Diese Orte können natürlich nicht die Probleme von München lösen." Ähnliche Erfahrungen macht auch Marleen Hildebrand, Maklerin im Würmtal: "Wir stellen fest, dass Käufer inzwischen bereit sind, auf vieles zu verzichten, zum Beispiel auf eine S-Bahn-Anbindung." Wenn es mit dem Reihenhaus nicht klappe, sind laut Maklerin Familien inzwischen auch bereit auf Wohnungen auszuweichen.
Bleibt die Frage: Was tun? Immobilienexperte Kippes schlägt einen "Methodenmix" aus Nachverdichtung und Aufstockung bestehender Gebäude vor. Auch die Überbauung von Supermärkten und Parkplätzen sei wichtig. "Und es muss mehr Gas gegeben werden bei Werkswohnungen. Es hilft nichts, Arbeitsplätze zu schaffen, wenn man nicht weiß, wo die Mitarbeiter wohnen sollen," so Kippes. In einigen Gemeinden kümmern sich inzwischen die Bürgermeister schon persönlich. "Manche sprechen so inzwischen die Eigentümer von freien Grundstücken gezielt an", berichtet Kippes.
All das, das weiß man auch beim IVD, könne aber lediglich als Tropfen auf den heißen Stein wirken: "So können wir vielleicht eine leichte Linderung erwirken", prognostiziert Kippes. Die Spirale dreht sich also weiter – wenn auch im Moment zumindest ein wenig langsamer.