Neue Unterkunft in München: Wo Obdachlose jetzt Schutz finden können

Am Montag eröffnet die neue Notunterkunft an der Lotte-Branz-Straße. Die AZ hat schon einen Blick hineingeworfen. Es gibt mehr Privatsphäre, mehr Sicherheit und mehr Platz.
von  Christina Hertel
Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek, Sozialreferentin Dorothee Schiwy, Bürgermeisterin Verena Dietl und Diakonie-Chefin Andrea Betz (v.l.) vor der Unterkunft.
Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek, Sozialreferentin Dorothee Schiwy, Bürgermeisterin Verena Dietl und Diakonie-Chefin Andrea Betz (v.l.) vor der Unterkunft. © Sigi Müller

München – In der bayerischen Landeshauptstadt muss niemand auf der Straße schlafen. Das ist ein Satz, den man oft hört, wenn es um Obdachlosigkeit geht. Trotzdem zählte das Sozialreferat rund 340 Menschen innerhalb eines Jahres im Stadtgebiet, die unter Brücken, in Hauseingängen und am Straßenrand schliefen.

Die meisten gaben an, zu wissen, dass die Stadt auch Notschlafplätze anbietet. Aber Zweidrittel von ihnen nutzen die Möglichkeit nicht. Warum?

Ein Drittel fühlt sich in den Unterkünften nicht sicher

Ein Viertel findet: In der Unterkunft sind zu viele Menschen. Knapp 20 Prozent ist es dort zu schmutzig. Fast ein Drittel fühlt sich in den Unterkünften nicht sicher. Ebenso viele haben Angst vor Diebstahl. Das hat eine Befragung des Sozialreferats ergeben.

Andrea Betz, die Chefin der Diakonie, hofft, dass ab Montag mehr obdachlose Menschen in einer Notunterkunft Schutz suchen. Denn da eröffnet der neue Übernachtungsschutz an der Lotte-Branz-Straße 5, den die Stadt gebaut hat, und den die Diakonie betreibt.

So wie man sich eine klassische Notunterkunft vorstellt, sieht es an der Lotte-Branz-Straß 5 nicht aus.
So wie man sich eine klassische Notunterkunft vorstellt, sieht es an der Lotte-Branz-Straß 5 nicht aus. © Sigi Müller

450 Menschen schliefen jede Nacht in der alten Unterkunft

730 Betten gibt es in dem neuen Übernachtungsschutz. Im alten übernachteten täglich um die 450 Personen. Es gibt also einen Puffer, sollten jetzt mehr Menschen dort Schutz suchen. Denn mit dem Klischee einer Notunterkunft – viele schmale Pritschen in einer kargen Halle – hat der Neubau nichts zu tun. Die Fassade ist in einem freundlichen Rotton gestrichen, die Türen sind petrol oder hellblau.

Früher mussten bis zu zwölf Leute in einem Zimmer schlafen. Jetzt gibt es deutlich mehr Platz.
Früher mussten bis zu zwölf Leute in einem Zimmer schlafen. Jetzt gibt es deutlich mehr Platz. © Sigi Müller

In den Zimmern stehen jetzt maximal vier Betten statt zwölf wie in der alten Unterkunft in der Bayernkaserne, wo jetzt ein Neubaugebiet entsteht.

In der neuen Unterkunft sollen sich die Menschen sicherer fühlen. Der Spint im Zimmer lässt sich abschließen – ebenso wie die Duschkabinen. Im alten Übernachtungsschutz gab es Vorhänge.

Die Duschen lassen sich absperren. Früher trennten nur Vorhänge die Duschbereiche von einander.
Die Duschen lassen sich absperren. Früher trennten nur Vorhänge die Duschbereiche von einander. © Sigi Müller

Menschen im Rollstuhl bekommen ein Zimmer mit mehr Platz

Für Menschen, die im Rollstuhl sitzen oder einen Hund haben, gibt es noch kleinere Zimmer mit mehr Privatsphäre. Auch einen eigenen Familienbereich mit 152 Betten gibt es. In einem Tagestreff können sich die Menschen tagsüber aufhalten. Die Diakonie bietet hier Getränke und Snacks, die von der Tafel gespendet werden, an. "München ist eine humanitäre, soziale Stadt und dazu trägt der Übernachtungsschutz bei", sagt die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD). Sie hofft, dass sich die Menschen hier wohlfühlen.

Dietl ist wichtig: Das Angebot ist kostenfrei, eine "Vorsprache" ist nicht nötig – jeder darf kommen. Aber wie finden die Menschen ihren Weg zur neuen Unterkunft an der Lotte-Branz-Straße in dem Gewerbegebiet im Norden der Stadt, hinter dem Frankfurter Ring?

Streetworker verteilen Übernachtungsscheine. Die enthalten die Berechtigung, mit dem ÖPNV zur Unterkunft zu fahren. Dort angekommen durchsucht ein Security die Taschen, ob die Menschen Waffen oder Alkohol dabei haben. Dann werden sie auf ihre Zimmer verteilt. Nur Menschen mit der gleichen Nationalität kommen zusammen in ein Zimmer, sagt Milka Musovic, eine der Einrichtungsleiterinnen. Theoretisch können die Menschen zwei Wochen lang im gleichen Zimmer übernachten, erzählt sie. Dann steht eine Grundreinigung an, bei der die Spinde desinfiziert werden.

Im Übernachtungsschutz beraten mehrere Sozialpädagogen in verschiedenen Sprachen. Der Großteil der obdachlosen Menschen kommt aus Bulgarien und Rumänien.

Auch Räume für eine Beratung gibt es. Denn das Ziel ist eigentlich, dass die Menschen irgendwann eine Wohnung finden.
Auch Räume für eine Beratung gibt es. Denn das Ziel ist eigentlich, dass die Menschen irgendwann eine Wohnung finden. © Sigi Müller

Das Ziel ist, so schildert es Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD), dass die Menschen eine eigene Wohnung finden.

Schiwy freut sich, dass ihr Referat nur 340 obdachlose Menschen auf den Münchner Straßen gezählt hat. Das sei viel weniger als in anderen Großstädten. Doch: 8109 Menschen leben in keiner eigenen Wohnung, der Großteil davon schläft in Unterkünften.

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