Neue Superzüge bringen Urlauber von München über Nacht bis nach Italien

München - Nein, bescheiden ist man nicht in Wien. Vom "neuen Flaggschiff des europäischen Nachtverkehres" war schon vor Wochen bei der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) in Bezug auf die nächste Zug-Generation die Rede, man versprach in seinen neuen Nachtzügen "Komfort auf ICE-Niveau".
Davon ist man heute weit entfernt. In Sitz- und Liegewagen zuckeln die Münchner heute mit sehr starken 70er-Jahre-Gefühlen nachts über den Brenner und weiter nach Rom, Florenz, Venedig oder Genua. Und auch die Schlafwagenfahrt hat oft wenig von der "Hotel-Nacht unterwegs", die die Bahn einem verspricht.

Neues Nachtzug-Angebot ab München: Komfortabel nach Hamburg und Italien
Doch all das soll nun eben anders werden. Schon ab 10. Dezember (Tickets ab 11. Oktober im Vorverkauf) werden die Nachtzüge von München nach Hamburg (die aus Innsbruck kommen und ebenfalls von den Österreichern betrieben werden) auf die neuen Wagen umgestellt. Und ab April 2024 sollen dann nach und nach die Italien-Züge ab München auf die neue Generation umgestellt werden.
An diesem Wochenende präsentierten die Österreicher das erste Mal diese Wagen. Die siebenteiligen Nightjets der neuen Generation bestehen aus je zwei Sitzwagen (Steuerwagen und Multifunktionswagen), drei Liegewagen und zwei Schlafwagen, teilt die ÖBB mit. Bei der Gestaltung verbinde sich hochmodernes Design mit noch mehr Komfort und Platz.

"Im Schlafwagen ist das Reisen noch bequemer", so die ÖBB, "denn alle Abteile verfügen über eine eigene Toilette sowie eine Duschmöglichkeit". Fix montierte Betten erhöhten zudem den Schlafkomfort. Außerdem verfügten die Kabinen über eine "gemütliche Sitzgelegenheit".
Ob all das die Münchner Bahn-Fans überzeugt und sie wirklich "ICE-Komfort" über Nacht empfinden – sie können es schon bald testen.
Erlebnisbericht Nachtzug nach Italien: Darum lohnt es sich
Warum das Nachtzugerlebnis ein Besonderes ist? AZ-Redakteurin Heidi Geyer weiß es:
Es hat ein bisschen gedauert, bis wir Freunde wurden. Als der Holländer im Nachtzug von Budapest die Schuhe auszog, da war es sehr schwer, Zuneigung zu entwickeln.
Glücklicherweise ist das lange her, das olfaktorische Trauma überwunden. Inzwischen fahre ich herzlich gerne mit dem Nachtzug in den Urlaub. Für 60 Euro war ich schon in Rom – wenn auch im Sitzen. Ab Florenz hatte ich das Abteil für mich, konnte noch einmal süß schlummern. Denn zugegeben: Komfortabel ist ein Sitzplatz über Nacht wirklich nicht. Zurück war das Abteil ganz leer und ich schlief die Nacht durch.

Trotzdem ist mir das Schlafabteil am liebsten, auch wenn man das früh buchen muss. Mein Urlaubsritual sieht so aus: Ich fahre an meinem letzten Arbeitstag vorm Urlaub den Computer herunter, nehme meinen Rucksack in die Hand und los geht's an den Bahnhof. Dort trinke ich meist noch einen Campari Soda, esse eine Kleinigkeit, bevor ich in den blauen Waggon steige. Am besten schon in bequemen Klamotten, in denen man auch schlafen kann. Merke: Im Nachtzug umziehen ist kompliziert.
Mit Ohropax und Italien-Sehnsucht im Zug unterwegs
Meist ist der Zug voll anderer Urlauber, alle haben diese Vorfreude auf Italien. Denn da zieht es mich nun jedes Jahr hin, sogar in den Süden. Auch das geht gut mit dem Nachtzug, aber mehr dazu später. Ich schnattere ein bisschen mit den kanadischen Urlauberinnen, sage dem Schaffner, was ich gerne frühstücken möchte, und mache schon mal mein Bett. Jedes Mal verzweifle ich an der Hühnerleiter im Abteil, stoße mir den Kopf oder stolpere dann über Gepäck, das immer zu viel zu sein scheint. Zu sechst kann man in diesem Abteil eigentlich nur liegen. Wohl auch deshalb wird nach dem Zähneputzen in den kleinen Waschkabinen schnell das Licht im Abteil ausgemacht. Irgendwo zwischen Salzburg und Villach, wenn der Zug durch die Alpen schleicht.
Ohropax schaden nicht: Ich habe schon Abteile erwischt, in denen etwas so laut an der Lüftung geklappert hat, dass man sich kaum unterhalten konnte. Und unter sechs Leuten gibt es – auch bei Frauen – immer einen Schnarcher. Ich bin's jedenfalls nicht! Meist schlafe ich sogar ganz gut im Zug, aber das Schönste ist das Aufwachen: Wenn langsam die Sonnenstrahlen an der Jalousie durchschimmern und man Zypressen erahnt. Die Sehnsucht nach Italien kultiviere ich seit den Adria-Urlauben im Kindergarten. Warum ist das Wetter südlich des Brenners eigentlich immer besser?
Ich bleibe meist noch liegen und schaue schläfrig auf die Landschaft. Das ist doch viel schöner als der ganze Stress mit Sicherheitskontrolle und Gepäckband am Flughafen! So muss ein Urlaub beginnen. Wie als Kind, als die Eltern einen ins Auto getragen haben und man dann am Autogrill aufwachte. Nur muss man leider auch sagen: Die Entdeckung der Langsamkeit erlebt man mit allen Vor- und Nachteilen. Dass der Nachtzug mal pünktlich ist, hat bislang nur einmal geklappt, nämlich als ich im Juni nach Genua gefahren bin.
Verspätung um die drei Stunden, mindestens zwei, erlebe ich öfters. Teils schon bei Abfahrt. Man kann dann netterweise bei der ÖBB die Verspätung reklamieren und bekommt einen Gutschein. Mit Anschlusszügen ist das nur oft so eine Sache.
Trenitalia: Nicht so pedantisch wie die Deutsche Bahn
Auf der anderen Seite ist man bei Trenitalia nicht so pedantisch wie bei der Deutschen Bahn. Dass ich Zugpreisbindung hatte für eine Verbindung von Rom nach Neapel, hat dort wirklich niemanden interessiert. Im Gegenteil, der Schaffner hat mir sogar ohne mit der Wimper zu zucken, einen neuen Sitzplatz reserviert. Nur einen Verbesserungsvorschlag hätte ich: Mein Dolce Vita in Italien soll nicht mit trockenen Semmeln und österreichischer Marmelade beginnen. Liebe ÖBB, wie wäre es mit Cornetti und einem gscheiten Cappuccino?
Nächstes Jahr will ich nach Apulien. Ganz den Stiefel runter... vielleicht gönne ich mir dann mal ein Einzelabteil.