Neue Pläne: So grün soll die Altstadt werden

München - Die Altstadt ist steinern – dieser Grundsatz gilt eigentlich im Denkmalschutz. Aber in Zeiten des Klimawandels ist das Münchner Rathaus dabei, dieses Prinzip zu überdenken. Ein Gutachten, das die Stadt in Auftrag gab, kommt zu dem Ergebnis, dass die Altstadt großflächig entsiegelt werden muss, und macht Vorschläge: Bäume, grüne Fassaden und Dächer, Brunnen.
Ziel ist, in der Altstadt alle 150 Meter einen kühlen Aufenthaltsort zu schaffen. Denn: "Diesen Sommer gab es in Deutschland 3.000 Klimatote. Das sind genauso viele wie im Straßenverkehr ums Leben gekommen sind", sagt Architektin Andrea Gebhard, die mit ihrem Büro das Gutachten erstellt hat. Mit Klimatoten meint sie alle, die heuer in Folge der Hitze gestorben sind. "Wir wissen, dass wir etwas tun müssen", sagt sie.
Der Sommer in der Altstadt fühlt sich zehn Grad wärmer an
In der Münchner Altstadt ist das besonders notwendig. Denn hier fühlt sich der Sommer noch heißer an. Das kann das Klimaschutzreferat belegen: Fast flächendeckend wurde in der Altstadt an einem Juni-Tag eine Lufttemperatur von 30 Grad gemessen. Angefühlt hat es sich allerdings wie 40 Grad.

Auch nachts kühlt die Altstadt nicht gut ab. "Inzwischen beträgt der Temperaturunterschied zwischen Umland und Innenstadt bis zu zehn Grad in der Nacht", sagt Klimareferentin Christine Kugler (parteilos). "Der Beton speichert die Wärme."
Das wirksamste Mittel, die Stadt abzukühlen, sind große Bäume. Denn die, so erklärt es Kugler, spenden nicht nur Schatten, sondern geben auch durch ihre Blätter Feuchtigkeit ab. Bäume schaffen es laut Klimareferat, die gefühlte Temperatur um bis zu zehn Grad zu senken.
300 Standorte für neue Bäume untersucht die Stadt laut Baureferentin Jeanne-Marie Ehbauer (Grüne) in der Altstadt gerade. Aber man darf Zweifel haben, ob wirklich so viele gepflanzt werden. Denn im Untergrund liegen zahlreiche Leitungen. Sie zu verlegen, ist aufwendig - und teuer. Einen Baum an einem Standort zu pflanzen, wo der Untergrund frei ist, koste um die 3.500 Euro, sagt Ehbauer. Müssen Leitungen verlegt werden, könnten es schnell 15.000 Euro und mehr sein.
Deshalb will die Stadt auch andere Maßnahmen umsetzen. Auf der Liste stehen sonst noch Sprudler, Wasserspiele, Dach- und Fassadenbegrünung, Sonnensegel, Wiesen, Sträucher und Pflanztröge. Sechs Orte stehen besonders im Fokus: der Marstallplatz bei der Residenz, die Maximilianstraße, der Max-Joseph-Platz vor der Oper, die Prannerstraße (hinter dem Hotel Bayerischer Hof), der Hackenplatz (beim Radspieler) und der Peterhof beim Marienplatz.
"Die Altstadt soll nicht zum Museum werden"
Stadtbaurätin Elisabeth Merk (parteilos) betont, dass Denkmalschützer bei dem Konzept mit eingebunden waren: "Die Denkmalpflege will auch, dass in der Altstadt gelebt wird, und nicht dass sie zum Museum wird." Wann die Stadt die Straßen und Plätze in der Altstadt umbauen will, konnte die Stadtbaurätin allerdings nicht sagen. 2024 soll der Stadtrat das Konzept verabschieden. Dann komme es darauf an, welche Baustellen es in der Altstadt gibt und ob es sich mit dem Verkehrskonzept verträgt.
Zum Beispiel will die Stadt in der Maximilianstraße eine Allee pflanzen. So wie Ende des 19. Jahrhunderts soll alle 15 Meter ein Baum wachsen. Heute sind dort Parkplätze - die müssten entfallen. Stattdessen sieht das Konzept breitere Gehwege vor.
Doch bis zum Umbau der Maximilianstraße können noch locker zehn Jahre vergehen. Denn so lange, wie hinter dem Rathaus der neue S-Bahnhalt Marienhof gebaut wird, kann die Stadt nicht beginnen, schildert Baureferentin Ehbauer. Auch mit einer zweiten Maßnahme muss sich die Stadt deshalb gedulden: dem Max-Joseph-Platz.
Langfristig soll rund um die Statue von König Max Joseph ein "Wasserspiegel" entstehen. So geht es aus dem Konzept hervor. Aus Düsen am Boden tritt dann ein feiner Sprühnebel, der die Umgebung kühlt. Gleichzeitig soll ein Wasserfilm auf dem Platz verlaufen.
Das Vorbild dafür steht in Bordeaux: Der Miroir d'Eau (übersetzt Wasserspiegel) – kein klassischer Brunnen, sondern eine knapp 3.500 Quadratmeter große Fläche aus Granitplatten, auf die in regelmäßigen Abständen Wasser strömt und wieder abläuft.

An heißen Tagen können sich die Menschen in dem zwei Zentimeter hohen Wasser abkühlen. Architektin Gebhard geht davon aus, dass das Wasser die repräsentative Funktion des Platzes stärken könnte: Schließlich spiegeln sich darin die Gebäudefassaden.
Die Stadt will allerdings nicht warten, bis die Baustelle am Marienhof fertig ist, bevor sie Maßnahmen umsetzt, sagt Baureferentin Ehbauer. Heuer hatte sie einen Vorschlag für eine Interimsumgestaltung gemacht. Doch der Denkmalschutz kassierte die Idee. "Wir haben uns auf eine Lösung geeinigt", sagt Ehbauer. Es wird Bäume in Kübeln geben. Und die Stadt will sich den historischen Originalzustand zum Vorbild nehmen.
Das hat das Rathaus auch beim Marstallplatz vor. Dieser befindet sich östlich von der Residenz an der Alfons-Goppel-Straße. Das Residenztheater hat in der ehemaligen Hofreitschule ein Theater untergebracht. Der Großteil des Platzes ist versiegelt, er ist Parkplatz und dient zur Anlieferung. Das war nicht immer so: Noch im frühen 20. Jahrhundert war der Platz großflächig begrünt. Dort wuchsen Bäume und Hecken. Geplant ist, das Grün wieder herzustellen. Sowohl vor als auch hinter dem Marstall-Theater will die Stadt entsiegeln.

Umbauen will die Stadt auch weniger prominente Orte in der Altstadt. Zum Beispiel den Hackenplatz beim Geschäft "Radspieler". Die Fassaden gegenüber will die Stadt begrünen. Fußgänger und Radler sollen Vorrang haben, die Parkplätze werden dafür entfallen. Auch Nebelduschen zur Abkühlung, Bäume und Bänke sieht das Konzept vor.
Eine "Hinterstraße" soll grün werden
Begrünen will die Stadt außerdem die Prannerstraße. Sie liegt hinter dem Hotel Bayerischer Hof und läuft auf den Maximiliansplatz zu. Früher lebten hier viele Adelsfamilien. Heute wird die Prannerstraße eher als "Hinterstraße" wahrgenommen, heißt es in dem Konzept. Baustellen dominieren derzeit, das Grün fehlt. Im Sommer fühlt es sich auf der Südseite so an, als hätte es 40 Grad.
Zwei Varianten für eine Begrünung stehen zur Debatte: Entweder soll die Stadt vor allem auf der Nordseite auf den Parkplätzen Bäume pflanzen oder in der Mitte der Straße. Problematisch sind vor allem die vielen Leitungen unter der Oberfläche. Würde die Stadt die Straßenmitte bepflanzen, wären wohl nur Fernwärme- und womöglich Wasserleitungen betroffen. Bei der anderen Varianten müssten die auf jeden Fall verlegt werden - ebenso wie die Stromleitungen.
Ein Hinterhof beim Marienplatz soll eine Oase werden
Auch den 1.600 Quadratmeter großen Peterhof, hinter dem Hugendubel und dem Café Glockenspiel am Marienplatz, will die Stadt begrünen. Bisher ist der Innenhof vor allem Parkplatz und Einfahrt zur Tiefgarage. Die Stellplätze will die Stadt alle abschaffen. Um in die Tiefgarage zu gelangen, soll ein Fahrzeugaufzug gebaut werden. Dann entsteht Platz für ein Café und Platz mehr Grün.