Neue Haushaltszahlen: Stadt muss für Wachstum blechen

München - Die jährliche Haushaltsdebatte ist in aller Regel eine recht trockene Angelegenheit. Münchens Kämmerer Ernst Wolowicz (SPD) reichert seine Zahlen deshalb gerne etwas an – mit einem lateinischen Sinnspruch, einer Liedzeile oder einem Zitat.
Am Donnerstag aber spielte Wolowicz ein historischer Umstand in die Karten. Die älteste erhaltene Kammerrechnung der Stadt datiert nämlich auf das Jahr 1318. Es dürfte also genau 700 Jahre her sein, dass Münchens Kassenhüter erstmals öffentlich Rechnung ablegen mussten.
Damals gab es freilich noch keine neuen U-Bahnröhren und keine milliardenschweren Schulbau-Programme, die man irgendwo hätte verbuchen müssen. Wolowicz’ Vorgänger dürften es bei der Haushaltsaufstellung also ungleich einfacher gehabt haben.
München macht keine neuen Schulden
Der Münchner Haushalt heutiger Prägung dagegen ist ein wahres Zahlen-Ungetüm. 7,8 Milliarden Euro werden den aktuellen Prognosen zufolge nächstes Jahr ins Stadtsäckel fließen. Gut 2,6 Milliarden kommen alleine durch die Gewerbesteuer rein. Noch üppiger sieht es aber auf der Ausgaben-Seite aus: Stattliche 8,1 Milliarden Euro will die Stadt da nächstes Jahr in die Hand nehmen.
Neue Schulden werden dadurch zwar keine entstehen. Aufgrund der zuletzt goldenen Vergangenheit hat die Stadt noch genug auf der hohen Kante. Für einen ausgeglichenen Haushalt muss Wolowicz nächstes Jahr aber 273 Millionen Euro von der Bank holen.
Bei Stadtregierung und Opposition hat man naturgemäß ein unterschiedliches Verständnis davon, wie diese Zahlen zu interpretieren sind. Für Hans Theiss, den finanzpolitischen Sprecher der CSU-Fraktion, sind die großen Ausgaben ein Zeichen für die hohe Effektivität der Großen Koalition im Rathaus.
"Wir haben Dinge nicht zerredet, sondern möglich gemacht", sagte Theiss bei der ersten großen Haushaltsrunde. Während Rot-Grün in den Jahren zuvor immer nur um sich selbst gekreist sei, hätten CSU und SPD vom ersten Tag ihrer Kooperation an die Zukunftsthemen auf den Weg gebracht.
Bei der Opposition sieht man das freilich anders. Statt des angekündigten Sparkurses gebe die Stadt nun schon wieder mehr aus als sie einnehme, sagte Katrin Habenschaden (Grüne). "Das ist ein Armutszeugnis für die Steuerungsfähigkeit der Großen Koalition", so die Finanzexpertin.
OB Reiter: Münchens Anziehungskraft ist enorm
Tatsächlich ist von Sparsamkeit im Haushalt 2018 wenig zu sehen. Zwar haben sich CSU und SPD für nächstes Jahr auf ein Stellen-Moratorium geeinigt. Von 1.069 bereits genehmigten Stellen in der Stadtverwaltung werden jetzt nur 800 auch wirklich besetzt. Das soll die zuletzt rasant gestiegenen Personalkosten ein bisschen abfangen. Ansonsten regieren im Haushaltsplan aber die großen Summen.
440 Millionen sind für den Schulbau eingeplant, 73 Millionen für neue Kitas. Der Wohnungsbau schlägt mit 308 Millionen zu Buche. Und für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sind 95 Millionen veranschlagt. Insgesamt beträgt das Investitionsvolumen knapp 1,1 Milliarden Euro.
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) findet dieses enorme Ausgaben-Niveau nicht weiter problematisch. München sei die mit Abstand beliebteste Stadt in Deutschland, sagte er. Die Anziehungskraft sei enorm. Und dieses Wachstum müsse man vonseiten der Stadt eben auch mit entsprechenden Investitionen begleiten.
Ein bisschen stärker auf die Ausgaben achten, will aber auch der OB. Ein "finanzielles Harakiri", sagte er, sei mit ihm nicht zu machen. Kämmerer Ernst Wolowicz hatte übrigens seine eigene Art, die Lage der Dinge zusammenzufassen. Er zitierte Horaz: Quid sit futurum cras, fuge quaerere – Was morgen sein wird, frage nicht. Das dürfe für München angesichts der finanziellen Herausforderungen keinesfalls gelten.