Neue Fluggesellschaft in München: Deshalb setzt Ryanair auf "Geiz ist geil"

München - Ab November fliegt die irische Billig-Airline von München aus zwei Mal täglich nach Dublin. Warum Ryanair das nicht als Test betrachtet, was München besser macht als Berlin und welche Ziele die nächsten sein werden, erzählt Kenny Jacobs der AZ.
AZ: Mister Jacobs, der Deal zwischen Ryanair und dem Münchner Flughafen hat sich lange hingezogen – warum?
KENNY JACOBS: Aus Sicht des Flughafens ging es unter anderem darum, dass es ja nur eine begrenzte Zahl von Slots für Fluggesellschaften gibt, dann geht es um die handelsüblichen Tarife... Ich gehe da nicht so ins Detail, das ist schon sehr speziell. Aber aus unserer Sicht ist es so: Wir wählen einfach sehr sorgfältig aus, mit wem wir zusammenarbeiten – denn davon hängt ja ab, wie wir uns in diesem Land entwickeln.
Sie steigen sanft ein, mit zwei Flügen am Tag nach Dublin.
Ja, es ist ein bescheidener Start. Die Leute werden sich fragen: Warum ist Europas größte Fluggesellschaft die kleinste in München? Aber jetzt fangen wir erstmal an, schauen, wie es operativ läuft – und dann wollen wir auf mehr und mehr deutschen Flughäfen vertreten sein und mehr und mehr Flugfrequenzen anbieten. Unser Ziel ist es, die zweitgrößte Fluggesellschaft nach Lufthansa in Deutschland zu werden.
Haben Sie da ein Zeitfenster?
Eigentlich hatten wir uns im vorigen Jahr ein Zeitfenster von fünf Jahren gesetzt. Nun werden wir das schon am Ende des Jahres erreichen, weil es Air Berlin, die momentan zweitgrößte Fluglinie, dann nicht mehr geben wird. Aber unabhängig davon: In den letzten drei Jahren haben wir uns in Deutschland verdoppelt.
Gibt es eine Art Probezeit für Ihre Strecke München-Dublin?
Nein, wir machen das einfach und ich gehe davon aus, dass es gut funktionieren wird. Viele Iren werden für ein Wochenende oder einen Kurzurlaub nach München kommen, außerdem ist es in beiden Richtungen eine gute Strecke für Geschäftsreisende. Es werden sicher auch viele Münchner und auch Bayern Dublin als Wochenendziel ausprobieren. Das wird funktionieren! Je mehr Kapazitäten es geben wird, desto mehr Menschen werden auch fliegen.
Was meinen Sie: Wie wird das Verhältnis sein von Geschäftsleuten zu Biertouristen?
Oha! Im September werden es natürlich immer deutlich mehr Biertouristen sein, die von Irland nach München fliegen. Für den Rest des Jahres würde ich sagen: Grundsätzlich sind etwa 30 Prozent unserer Passagiere Geschäftsleute, also denke ich, auf dieser Route werden es etwas mehr als 30 Prozent sein.
Memmingen im Allgäu fliegen Sie schon lange an. Dort haben Sie gerade eine Ryanair-Basis eröffnet. Sie bleiben also dort und kommen nach München?
Genau! Memmingen ist unsere zehnte Basis in Deutschland, München unser 14. Flughafen, wir sind hier jetzt also sehr gut vertreten. Unser Modell ist das, was wir auch schon in Mailand und Glasgow und London angewandt haben. In Italien zum Beispiel haben wir schon immer Mailand-Bergamo angeflogen, jetzt haben wir zusätzlich Mailand-Malpensa, der näher an der Innenstadt ist.
Und so soll’s auch mit München und Memmingen sein?
So wird es sein: Wir können beide Flughäfen sehr erfolgreich betreiben. Es wird da sicher einige Überschneidungen geben, aber das wird klappen.
Und wann wollen Sie Easyjet im Billigflug-Sektor überholt haben?
Ich glaube, das haben wir in Deutschland insgesamt schon. Sie waren die Nummer eins in Berlin – das sind jetzt wir. Sie waren die Nummer eins in Hamburg – von da ziehen sich sich jetzt zurück. Die gleiche Situation in Köln und einigen kleineren Städten. Wir haben ungefähr acht Prozent des deutschen Marktes, Tendenz zu zehn – Easyjet etwa sechs.
Von der Debatte um die dritte Startbahn in München haben Sie sicher gehört – haben Sie dazu eine Meinung?
Na klar! Wir unterstützen dritte Startbahnen grundsätzlich, überhaupt alles, das mehr Kapazitäten bedeutet, denn das bedeutet ja das Potenzial, noch weiter zu wachsen und eine größere Auswahl. Da würde ich München und Berlin gegenüberstellen: Auf der einen Seite haben wir München, die...was, fünfgrößte Stadt des Landes?
Eher drittgrößte.
Wirklich? Okay, dann hier München, die drittgrößte Stadt in Deutschland – und da Berlin, die Hauptstadt. Der Münchner Flughafen wird eine Kapazität von 49 oder 50 Millionen Fluggästen pro Jahr haben, wenn diese dritte Startbahn gebaut ist, er kann also wachsen und aus meiner Sicht ist das etwas Gutes, etwas Kluges. Die Verantwortlichen planen vorausschauend dafür, dass München mit Frankfurt konkurrieren kann. Für mich ist München ein Beispiel für einen Flughafen, der eine vernünftige Zukunftsstrategie hat.
Und Berlin stattdessen...
Da haben Sie Schönefeld und Tegel, über die 33 Millionen Menschen von und nach Berlin fliegen. Der neue Flughafen BER wird diese beiden Flughäfen ersetzen, wenn er im Herbst 2019 eröffnet...
...das warten wir mal ab...
...und der wird eine Kapazität von 27 Millionen haben. Damit sagt Berlin: Wir wollen schrumpfen. Wir wollen weniger Touristen haben, weniger Geschäftsreisende – weniger Menschen, die per Flugzeug kommen. Das ist unglaublich! Das ist rückwärtsgewandt und so verkehrt! Berlin sollte sich fragen: Wie bekommen wir einen 50-Millionen-Flughafen?
Sie klingen etwas wütend.
Ach naja, wir klingen wohl etwas verärgert, aber so sehr sind wir es gar nicht. Wir hätten nur gern die Möglichkeit zur Auswahl und guter Konkurrenz.
Also macht München richtig, was Berlin falsch macht?
In diesem Fall schon! München ist aber immer noch ein teurer Flughafen – grundsätzlich ist die Luftfahrt in Deutschland sehr teuer, es gibt hier die höchsten Flugpreise in ganz Europa. Dafür, dass Deutschland uns Lidl und Aldi gebracht hat, sind die Deutschen bereit, wirklich hohe Preise für Flüge zu zahlen. Lufthansa besetzt über 90 Prozent der Slots für Inlandsflüge. Und die Regierung unterstützt Lufthansa dabei, dass sie Air Berlin übernehmen. Darüber sollten die Kunden mal nachdenken.
Transavia, eine andere Billigfluglinie, hat sich gerade aus München zurückgezogen. Ist das nicht ein Zeichen für einen übersättigten Markt?
Da ist noch genug Raum für mehr. Wenn man am Münchner Flughafen vor der Anzeigetafel steht, sieht man: Da stehen nicht genug Billigfluglinien. Außerdem ist Transavia auch keine echte: Das ist ja ein Projekt von Air France und KLM, das aussehen soll wie eine Billigfluglinie. Ryanair in München wird gut sein für den Flughafen und für die Kunden, weil sie mehr Auswahl haben.
Warum denken Sie, die Kunden werden Ryanair wählen und nicht Lufthansa?
Es wird immer ein paar Schickimicki-Deutsche geben, die mit Lufthansa fliegen. Deutsche lieben ihre Lufthansa, sie nimmt einen besonderen Platz in ihren Herzen ein.
Wie kommen Sie in die Herzen der Deutschen, der Münchner?
Das werden wir über das "Geiz ist geil". Wir haben nun einmal die günstigsten Preise. Und wir sind pünktlich! 92 Prozent unserer Flüge kommen pünktlich an, mehr als bei der Lufthansa! Bei uns gibt es keine Streiks, außerdem ist unser Service gut.
Das war nicht immer so.
Vor fünf Jahren hatte Ryanair noch ein paar Ecken und Kanten, ja. Da hätten wir es hier auch nicht versucht, München-Dublin hätte nicht funktioniert. Air Lingus fliegt die Strecke und bietet noch dies an und das und jenes. Heute müssen sich die Kunden fragen: Warum sollte ich für dieselbe Strecke zur selben Zeit zu gleichen Konditionen mehr zahlen?
Und was sind Ihre nächsten Schritte in München?
Wir werden einfach weiterwachsen. Wenn Sie auf unsere Liste von Flugzielen schauen – 203 sind es zur Zeit –, dann können Sie schon ganz gut raten, was die nächsten Flugverbindungen von München aus sein könnten.
Und wenn ich nicht raten will?
Die klassische Entwicklung geht in die Richtung: Hauptstädte. Rom, Lissabon, Madrid. Und dann sehen wir weiter.
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