Neue Diskussion um Stolpersteine auf öffentlichem Grund

München - Für die Einen sind sie die beste Form, das Erinnern an die Opfer des Nationalsozialismus in den Alltag zu tragen, für die Anderen sind sie unwürdig, verachtend und kommerziell: die sogenannten Stolpersteine, die ins Straßenpflaster eingelassen werden, und den Namen, Lebensdaten und Sterbeort von NS-Opfern als Gravur tragen.
Der Stadtrat soll sich bald entscheiden, ob diese Steine in München erlaubt werden – und hat deshalb am Freitag in einer öffentlichen Anhörung Befürworter und Gegner zu Wort kommen lassen. Vor zehn Jahr hatte sich die Stadt gegen Stolpersteine auf öffentlichem Grund entschieden.
Geht man nach der Stimmung bei der öffentlichen Anhörung, könnte sich das bald ändern. Zumindest die anwesenden Bürger klatschten vor allem für die Befürworter der Stolpersteine, etwa für den Holocaust-Überlebenden Ernst Grube vom Verein Lagergemeinschaft Dachau. Er sagt: „Stolpersteine schaffen eine andauernde Nähe, es gibt keine lebendigere Form des Erinnerns“. Das Verbrechen werde auf diese Weise in der Öffentlichkeit markiert und der Opfer mit Respekt gedacht.
Eine entschiedene Gegnerin der Stolpersteine ist die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch. Sie ist selbst nicht zur Anhörung gekommen, sondern lässt Oberbürgermeister Dieter Reiter ein Statement vorlesen. „Dadurch werden die Opfer zwangsläufig wieder mit den Füßen getreten“, schreibt sie, und: „Gedenken muss auf Augenhöhe stattfinden.“
Kritisch sehen Gegner der Steine auch, dass der Künstler Gunter Demnig sich alle Rechte an dieser Art des Gedenkens gesichert habe, und daher nicht nur gut daran verdiene, sondern auch Einfluss auf die Inschriften nehme. Die Befürworter sagen, dass die Stolpersteine in München nur im Einverständnis mit Angehörigen von Opfern platziert würden und man auch die Inschriften anpassen könne.
Fast 50 000 Stolpersteine dieser Art gibt es derzeit schon in Europa. Der Stadtrat will sich nun die nächsten Wochen Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, ob sie das Votum von 2004 kippen und diese Art des Gedenkens auch in München zulassen.