Neue Busse: So fährt München in (die) Zukunft
Im nächsten Monat wird der erste von zehn Buszügen an die Münchner Verkehrsgesellschaft geliefert: ein 23 Meter langes Gespann. Die AZ hat das Werk des polnischen Herstellers besucht.
MÜNCHEN - Der Platz scheint Herbert König zu gefallen. Sofort hat sich der MVG-Chef hinters Steuer des neuen Buszugs gesetzt. Noch steht das Gefährt in einer Garage des polnischen Herstellers Solaris. Doch wenn das Fahrzeug Mitte Juni in München ankommt, will König seine neueste Anschaffung auf dem Betriebsgelände auch mal selbst ausprobieren.
Die AZ hat den X-Large-Bus schon gesehen: Ein Bericht aus dem polnischen Posen.
Auf den ersten Blick wirkt es, als würden da einfach zwei Busse hintereinander parken. Tatsächlich handelt es sich aber um ein Gespann. Der vordere Teil ist herkömmliche zwölf Meter lang und ausgestattet mit einem MAN-Motor. Zusammen mit dem Anhänger kommt der Buszug auf eine Länge von 23 Metern.
Es ist das erste Mal, dass die MVG zehn solcher Anhänger-Busse kauft, plus ein elftes Zugfahrzeug. Kostenpunkt: fünf Millionen Euro. Auch eine Nachbestellung weiterer Fahrzeuge wird schon vorbereitet.
Die Anschaffung soll bei der Bewältigung von Engpässen durch ständig steigende Fahrgastzahlen helfen. 130 Fahrgäste passen in einen solchen Buszug – und damit 30 mehr als in einen Gelenkbus, der es auf 18 Meter Länge bringt.
Außerdem machen die Gespanne die MVG flexibler. Außerhalb der Stoßzeiten kann sie den Anhänger einfach abkoppeln und so Treibstoff sparen. Zugleich muss während der Zeiten stärkster Nachfrage kein zusätzlicher Bus samt Fahrer eingesetzt werden.
Was hilft dem Busfahrer, trotz der Länge des Gespanns den Überblick zu behalten? Am Heck sind drei Kameras angebracht. Auch der Zwischenraum zwischen Zugwagen und Hänger sowie das Fahrzeuginnere werden videoüberwacht. Es gibt einen Notrufknopf, eine Gegensprechanlage und eine elektronische Achsensteuerung.
Der MVG-Bus-Chef Otto Schultze sagt: „Sicherheitsprobleme entstehen nicht aus der Länge der Fahrzeuge.“ Der Anhänger halte genau die Spur des Zugfahrzeuges. Deshalb sei das Gespann auch überall einsetzbar, wo sonst ein 12-Meter-Bus durchpasse.
Die Busfahrer der MVG erhalten eine eintägige Schulung, bevor sie die langen Gefährte dann durch München steuern.
Dass die neuen Busse für München in Polen produziert werden, hat einen einfachen Grund. Bei der Auftragsvergabe ist die MVG zu einer europaweiten Ausschreibung verpflichtet. Herbert König erklärt: „Wir müssen das wirtschaftlichste Angebot nehmen.“
Dieses lieferte Solaris ab. Die Fahrzeuge des polnischen Familien-Unternehmens gibt es inzwischen in 26 Ländern. Auch auf Münchner Straßen sind bereits Solaris-Busse unterwegs, nur eben keine mit Anhänger.
In Deutschland hat die Firma einen Marktanteil von rund 13 Prozent. Zeitweise wurde bei Solaris über eine Produktionsstätte hierzulande nachgedacht. „Aber bis jetzt lohnt sich das nicht“, sagt Chefin Solange Olszewska. Ein Arbeiter im Werk bei Posen verdient den Angaben zufolge 1600 Euro brutto, während die Löhne in Deutschland zwischen 2300 und 3200 Euro liegen.
Etwa 60 Prozent der verwendeten Bus-Bauteile kommen aber ohnehin aus Deutschland. Wie die Achsen aus Passau. Oder der Anhänger für den Buszug, der komplett in Thüringen hergestellt wird.
Spätestens zum Fahrplanwechsel im Dezember sollen die Buszüge durch München rollen.
Die geltende Rechtslage ist übrigens ein kurioses Beispiel für deutsche Bürokratie: Seit 1960 sind Busanhänger in Deutschland eigentlich verboten. Die Betonung liegt auf: eigentlich. Denn trotzdem werden sie bundesweit von über 20 Verkehrsunternehmen im Linienbetrieb eingesetzt, etwa in Fürth oder Wolfsburg. Ausnahmegenehmigungen machen es möglich. München wird die erste Millionenstadt sein, die Buszüge wieder rollen lässt.
Bis in die 60er Jahre hinein waren sie auch im Straßenbild Münchens etwas ganz Normales. Jetzt gibt’s also eine Renaissance.
- Themen:
- Herbert König