Neuanfang in München
Die Verzweiflung bei vielen Griechen ist groß: Viele verlassen ihre Heimat und wagen den Neuanfang – auch in München. Evangelos Melkonian ist vor 30 Jahren ausgewandert – und jetzt und zurückgekehrt. Evropi Mavridou muss Deutsch lernen. Und Ekaterina Pavlidou hat hier Arbeit gefunden
Halb Grieche halb Bayer
Schon 1977 wanderte Evangelos Melkonia (57) nach Komotini aus. Er ist in München geboren, doch fühlt sich der griechischen Heimat seines Vater verbunden. Dort arbeitete er in der Kfz-Werkstatt seines Cousins. Als er seine erste Frau kennenlernt, lässt er sich griechisch-orthodox taufen und seinen Namen in Evangelos umändern. Zwischendurch lebt er in München. Doch die Sehnsucht zieht ihn 1996 nach Griechenland zurück.
Dort führt er einen kleinen handwerklichen Betrieb mit vier Angestellten. Vor drei Jahren fängt es an: die Kunden bezahlen ihre Rechnungen nicht mehr. Es fehlt an Geld. Seine zweite Frau muss mit den Kindern zurück in ihre Heimat Polen ins Haus ihrer Mutter. Melkonian gibt seinen Betrieb auf und arbeitet als Angestellter. Eineinhalb Jahre bekommt er keinen Lohn. „Immer heißt es: Morgen, morgen! Was soll ich mit morgen? Ich will meine Familie zurück!“
Anfang des Jahres fliegt er zu seiner Mutter (83) nach München, wo er jetzt auch wohnt. Er ist lungenkrank und ist in Griechenland falsch behandelt worden. Hier kann man ihm helfen. Doch er möchte nur glücklich mit seiner Familie leben. Wo, weiß er nicht. Er braucht Arbeit. Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Nach zwanzig Jahren hat er in München seine erste Tochter wieder getroffen, ist Opa. „Es tut mir leid, dass ich meine Tochter im Stich gelassen habe. Aber jetzt verliere ich noch meine anderen Kinder.“
Ein schwerer Schritt zuürck
Als Ekaterine Pavlidou vier Jahre alt ist, wandern ihre Eltern nach Bayern aus. „Ich wollte immer zurück nach Griechenland. Jeder will doch zurück in seine Heimat“, sagt die 24-Jährige. Mit 18 verlässt sie München, um in der Nähe von Thessaloniki eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen. Die Krise kommt für sie überraschend. Nach ihrer Ausbildung kann sie keine Arbeit finden. Die ehemaligen Kolleginnen bekommen immer weniger Geld.
Ekaterine Pavlidou ist keine Frau, die laut wird, deshalb sagt sie mit leiser, aber nachdrücklicher Stimme: „Der normale Grieche kann nichts dafür. Man kann uns nicht alles wegnehmen. Den Rentner, den Jungen, denen, die sowieso nichts haben.“
Letztes Jahr im Dezember kehrt sie zurück nach München. Die Entscheidung ist ihr schwer gefallen. „Ich liebe das Meer. Das fehlt mir besonders“, sagt sie. Sie ist ein Familienmensch und zieht wieder zu den Eltern. Im griechischen Kindergarten in der Steinsdorferstraße nimmt man die 24-Jährige mit Handkuss. Mit den Kinder spricht sie deutsch und griechisch.
Doch wenn sich die Lage in Griechenland verbessert hat, würde Ekaterine Pavlidou gerne zurückkehren. Ihre Schwester arbeitet dort als Lehrerin. Das Gehalt wurde drastisch gekürzt. So möchte Ekaterine Pavlidou aber nicht leben. In einem Jahr will sie die Schwester besuchen. Dann hat sich die Situation vielleicht ein wenig entspannt.
Gekommen um zu bleiben
Ihr Name ist bedeutungsschwanger: Europe. Doch in ihrem griechischen Pass steht Evropi Mavridou – die Behörden haben zwei Buchstaben verwechselt. Seit Ende Juli ist die 25-Jährige in München. Den Entschluss, wegen der Krise nach Deutschland zu fliehen, setzte sie im Juli innerhalb von zwei Wochen um.
2009 war sie in München gewesen, um Verwandte zu besuchen. Jetzt lebt Europe bei ihnen. Der 8 Jahre alte Lieblingsneffe teilt Zimmer und Bett mit ihr. Sie kam im Juli mit einem Koffer in München an, einen zweiten Koffer hat ihre Familie hinterhergeschickt. Seitdem rennt Europe von einer Behörde zur nächsten. Die Arge unterstützt die junge Frau mit einem kleinen Betrag. In ihrer Heimat hat sie als Bau- und Konstruktionszeichnerin gearbeitet. Doch die Ausbildung wird hier nicht anerkannt. Sie hat die Dokumente übersetzen lassen und muss jetzt nochmal die Schulbank drücken. Um deutsch zu lernen und in ihrem Beruf arbeiten zu können.
In Griechenland sieht Europe für sich keine Zukunft. Monatelang wurde sie nicht bezahlt. Immer wieder auf morgen vertröstet. „Ich bin gekommen um zu bleiben“, sagt Europe. Was sie vermisst? Ihren Hund und ihre Familie. Als Schülerin hat sie in Griechenland in Cafes und Bars gejobbt. Bis sie hier in die Schule kann, würde sie gerne in einem Cafe arbeiten. „Eines, in dem keine Griechen sind, ich muss doch die Sprache lernen“, übersetzt ihre Freundin.
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