„Nette Jungs“ als Totschläger

MÜNCHEN - Sandra (16) und Bianca (19) haben mit dem Schläger Sebastian L. und dem Anstifter Christoph T. fast den ganzen Sommer verbracht – bis aus einem harmlosen Kumpel ein Totschläger wurde
Die beiden können es noch immer nicht begreifen. „Chris“ und „Basti“, so sagen sie, „das sind doch keine Monster.“ Die zwei Mädchen sind noch immer fassungslos. Fast den ganzen Sommer haben sie mit zwei Tätern vom S-Bahnhof Solln verbracht – mit einem der Schläger, Sebastian L. (17), und dem Anstifter Christoph T.. In der AZ erzählen sie von dem Tag, an dem aus dem Kumpel ein kaltblütiger Totschläger wurde.
Sandra F. (16) und Bianca L. (19) (Namen geändert), beide mit festem Job, kannten kannten den schlaksigen Christoph T. und den kleineren Sebastian L. seit ein paar Jahren. Die zwei jungen Männer wollten am Samstag eines der beiden Mädchen zuhause besuchen. Rumhängen und Bier trinken. „Christoph hat nachmittags am Telefon erzählt, dass noch jemand dabei ist. Markus, den wir nicht kennen“, sagt Bianca. Es ist jener Markus S., der später mit Sebastian L. auf Dominik Brunner einstiefeln wird.
An der Haltestelle Donnersberger Brücke pöbeln die drei jungen Männer vier Schüler im Alter von 13 bis 15 Jahren an: „Rückt sofort Geld raus!“ Christoph T. schlägt einem der Jungen ins Gesicht. Als die S7 einfährt, steigt Christoph T. nicht mit ein, weil er gleich zu den Mädchen fahren will – aber er feuert seine Freunde noch an. Zwanzig Minuten später ist Dominik Brunner tot.
Bei den Mädchen angekommen, setzt sich Christoph T. aufs Sofa und berichtet von dem Vorfall mit den Schülern. „Er sagte, dass er einen Jungen gewatscht hat,“ erzählt Bianca. Es klang nach einer nebensächlichen Pöbelei.
Dass Christoph T. schon in der Woche zuvor mit Sebastian L. einen Mann eingeschüchtert hatte, wie die Polizei angab, wissen die Mädchen nicht. Sie beteuern: „Wir haben die beiden aber nie als gewalttätig erlebt.“ Warum sie dann häufig Ärger mit der Polizei hatten? „Es ging um Marihuana, aber das ist schon lange her.“
Das Ausmaß der Attacke auf Dominik Brunner erfahren Bianca L., Sandra F. und Christoph T. danach Stück für Stück. Christoph T. telefoniert mit Leuten in der gemeinsamen WG und erfährt, dass Sebastian L. und Markus S. „in etwas reingeraten“ und verhaftet worden seien. Seiner Wut macht er sogleich im Internet Luft: „Schießt alle Bullen tot und holt den Basti und den Markus aus dem Knast.“ Die Mädchen beteuern: „Da wusste Chris noch gar nicht, um was es geht.“ Davor hatte ihn eine verwirrende SMS von Sebastian L. und Markus S. erreicht: „Wir sitzen im Gebüsch.“ Kurz nach der Tat haben die Schläger diese Mitteilung gesendet.
Die Drei schalten den Fernseher ein. „Mann auf Münchner S-Bahnhof erschlagen“, läuft über den Ticker. „Chris war schockiert,“ sagt Bianca L.. „Er hat kaum geredet. Nur: ,Das hätte nicht soweit kommen dürfen. Ich wäre dazwischen gegangen.’“ Seit Sonntag sitzt auch Christoph T. in U-Haft. Er gilt als Anstifter. Der Vorwurf: versuchte räuberische Erpressung.
Sandra F. und Bianca L. haben sich bislang nur ihren Eltern anvertraut. Die beiden Mädchen nehmen die S-Bahn-Schläger noch immer in Schutz. Auch wenn sie vielleicht ahnen, dass es nichts nützt. „Basti hat eine Lehrstelle bei einem Maler gefunden. Chris wollte ein berufsvorbereitendes Jahr machen.“ Und die Tätowierung von Christoph T. mit dem Kürzel „NS“? Bianca sagt: „Das sind die Initialen seiner Exfreundin.“ V. Assmann