Neonazis nehmen Kurs aufs Rathaus

Zwei Gruppen werden wohl für die Kommunalwahl im März zugelassen
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Werbeplakat und Unterschriftenschriften-Aktion der Gruppe "Pro München"
az Werbeplakat und Unterschriftenschriften-Aktion der Gruppe "Pro München"

Zwei Gruppen werden wohl für die Kommunalwahl im März zugelassen

MÜNCHEN Die kümmern sich um alles in der Welt, nur nicht um die Deutschen nuschelt der hagere Mann und knittert eine Karte in der Hand auf der in dicken Lettern "Gewalt" und "Kriminelle Ausländer raus" steht. Das wiederholt sich seit Wochen jeden Tag auf dem Marienplatz, den Rechtsextremisten und Neonazis zum verbalen Schlachtfeld um die Stadtratswahl im März gemacht haben. Dort kämpfen sie um die 1000 Unterschriften, die sie jeweils brauchen, um zur Wahl zugelassen zu werden.
Der Sturm aufs Rathaus wurde lange vorbereitetet und spaltet heute die Rechte. So kamen vor zwei Jahren die bayerischen Rechtsextremisten bei einem Treffen zusammen, aufgeputscht von Wahlerfolgen von NPD, DP und DVU in anderen Bundesländern. Sie wollten gemeinsam ein Fanal setzen, planten den Marsch aufs rot-grüne Rathaus und träumten davon, in der früheren Hauptstadt der Bewegung in den Stadtrat einzuziehen.
Der Hintergedanke war, dass man gemeinsam einen neuen Parteinamen finden muss, der im Westen wählbar ist. Vorbild war die Pro Köln-Bewegung. Denn der Name NPD ist gesellschaftlich geächtet und die Reps als Organisation am Boden.

Rechtsextremisten wollten gemeinsam ein Fanal setzen


Einig waren sie in einem diffusen Patriotismus und der Ausländerfeindlichkeit. Doch Flügelkämpfe und der Streit um die Führung spalteten die Rechte in München in mittlerweile drei Gruppen. Untereinander trennen sie sich (ihrem eigenen Gefühl nach) in elitäre Gute und plebejische Böse. Das sind: Die krawallige, von der NPD gesteuerte "Bürgerinitiative Ausländerstopp" um die Vorbestraften Roland Wuttke und Norman Bordin. Die (elitäre) "Bürgerbewegung Pro München" und die Reps. Das schlimmste Schimpfwort füreinander: CSU-nah zu sein.
Ein schlummerndes Wählerpotenzial existiert, und Rechtsextremisten sitzen seit 1990 im Münchner Stadtrat. So kamen bei der Europawahl 1989 die Reps in München auf 14,9 Prozent. 1990 zogen erstmals sechs von ihnen mit Ingrid Schönhuber (der Frau des damaligen Republikaner-Chefs Franz Schönhuber) in den Stadtrat. Die Gruppe gab sich im Rathaus zahm. 1994 waren es vier und seit 1996 stets einer. Von den Einzelkämpfern fiel Johann Weinfurtner auf, der wegen zu rechter Umtriebe und NPD-Nähe von den Reps ausgeschlossen wurde. Nach dessen Tod rückte 2005 Norbert Feil nach, der nicht mehr Rep-Mitglied ist. Er fällt im Rathaus nicht auf.
Heute sind die Reps in München bedeutungslos, die Organisation gibt es kaum noch. Flügelkämpfe haben sie zerrissen. Massenweise verließen in den vergangenen Jahren Lehrer und Polizisten die vom Verfassungsschutz beobachtete Partei, ganze Gruppen gingen zur NPD. Bis Freitag hatte sie nur drei Unterstützerunterschriften.

Initiative ist fast identisch mit der NPD


So wurde bei dem Treffen im Januar 2006 Pro München als rechtes Sammelbecken gegründet. Weniger als 50 Aktive sollen es sein.
Aber die Gruppe wollte nicht jeden Kameraden aufnehmen. "Wir wollen keine Späthitleristen und Vorbestrafte haben", sagt Stefan Werner zur AZ, Ex-Polizist und einer der drei Pro München-Sprecher: "Mit Leuten, die sich zu Hitler bekennen, wollen wir nichts zu tun haben." Damit meint er: Den bei Augsburg wohnenden Roland Wuttke, NPD-Vorsitzender Oberbayern und stellvertretender NPD-Landesvorsitzender. Vorbestraft wegen gemeinschaftlich begangener Volksverhetzung (Werner: "Okay, das kann mal jedem passieren"). Und Norman Bordin, Vorsitzender der Jungen Nationaldemokraten in Bayern, vorbestrafter Gewalttäter und Kopf der alten Kameradschaft Süd. Deshalb seien ihre Mitgliedsanträge einstimmig abgelehnt worden.
Auch von der NPD wollen die Pro-Leute nichts mehr wissen. Auch wenn neben Rüdiger Schrembs (einem der drei Pro-Sprecher in München) etliche Ex-NPDler dabei sind. Aber auch ein Thomas Fischer ehemals CSU München.
Der Name NPD ist verbrannt. "Das würde uns nur schaden", sagt Werner. Außerdem wären im Umfeld der NPD nur "politikunfähige Leute und Dilettanten". Dagegen sei die Pro -Bewegung durch Erfolge in Köln wahlfähig. Die Ex-Rep-Stadträtin Ingrid Schönhuber gehört zu deren Unterstützern.
"Wir sehen die Pro-Bewegung als Spaltungsversuch im rechten Lager an", sagt Roland Wuttke zur AZ. Weil er und seine Leute bei Pro ausgewiesen wurden, gründete er im September 2007 in München mit Gesinnungskameraden die Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA). Vorsitzender und OB-Kandidat wurde Karl Richter, Münchner Publizist und aktuell Chef des Parlamentarischen Beratungsdienstes der NPD im sächsischen Landtag.
Die BIA bezeichnet der Verfassungsschutz als eine "Tarnorganisation" der NPD: "Eine personell zumindest in starkem Umfang mit der NPD identische Organisation". So muss die NPD zur Wahl nicht mit ihrem verrufenen Namen antreten und unterstützt finanziell und logistisch die BIA.
Im Internet wird aus dem Doppelspiel kein Hehl gemacht: Die Seiten sind fast identisch. Und es gibt viele personelle Überschneidungen nicht nur in Wuttke. Gemeinsam traten BIA und NPD bei einem Infostand am Karlsplatz auf und verteilten die Schulhof-CD. In Nürnberg ist der NPD-Landeschef Ralf Ollert seit 2002 Stadtrat für die BIA.
"Die Pro-Leute sehen sich als was Besseres, wir seien die Bösen", sagt Wuttke: "Dann spielen wir die Rolle und spitzen mit unserem Namen Ausländerstopp zu." Auch im Kampf um die Unterschriften traten die BIA-Leute in München aggressiv auf. Mit einer "Strafanzeige wegen Wahlbehinderung" wollen sie gegen die Stadt vorgehen. Dazu gebe es keinen Anlass, heißt es bei der Stadt und von "Pro".
Dann erläutert Wuttke, warum die Rechten in München antreten: "München ist die Hauptstadt des multikulturellen Experiments. Deshalb ist es wichtig, dort in den Stadtrat zu kommen."
Wuttke und Bordin leben beide nicht in München, kandidieren also auch nicht für den Stadtrat. Was sagt Wuttke zur Aussage des Pro-Sprechers, er sei "Hitlerianer"? "Das ist ein überzogener Vorwurf, um sich ins rechte Licht zu setzen." Und was sagt Wuttke zu Hitler? "Dazu möchte ich nichts sagen."
Anders als früher kommen die Neonazis und Rechtsextremisten nicht mehr mit Bomberjacken und Kampfstiefeln daher. Sie pflegen ein bürgerliches Äußeres, einige junge Leute tragen Palästinensertücher, früher ein Signal Linker. Sie beklagen "Überfremdung", und greifen aktuelle lokale Themen auf. So sind beide gegen die Moschee in Sendling, und die BIA will "Keine dritte Startbahn". Die Debatte um die U-Bahnschläger hat ihnen in die Hände gespielt. So hat Pro München für die Wahl über 1400 Unterschriften beisammen. BIA steht kurz davor, die Mindesthürde von 1000 zu nehmen. Willi Bock

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