Neonazi-Aussteiger: Ein "Verräter" packt aus

München Felix Benneckenstein (25) wirkt etwas nervös. Das Posieren für die Fotografen ist ungewohnt für ihn. Doch an diesem Nachmittag ist er die Hauptperson.
Benneckenstein geht als Aussteiger aus der Neonazi-Szene an die Öffentlichkeit. Zugleich präsentiert der 25-Jährige einen neuen Verein, dessen Vorsitzender er ist: Die Aussteigerhilfe Bayern. Er richtet sich an potenzielle Aussteiger aus der rechten Szene. Mit zehn Mitstreitern hat Benneckenstein den Verein gegründet. Bisher gab es so ein Angebot nur vom Verfassungsschutz.
„Diese Authentizität, die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch ist extrem wichtig“, sagt Fabian Wichmann von der Aussteiger-Initiative „Exit“, die den Verein unterstützt.
Zehn Jahre war Benneckenstein in der „Bewegung“ aktiv. Er tourte als Liedermacher „Flex“ durch die Republik. Auf Kameradschaftsabenden und Schulungsveranstaltungen der NPD spielte er teils selbst verfasste Songs mit gewaltverherrlichenden und rassistischen Texten. Er veröffentlichte sogar eine CD.
Seinen Einstieg in die Szene nennt Benneckenstein „klassisch“: „Als Teenager hatte ich ein großes Problem mit Autoritäten und der Gesellschaft an sich.“ Über die Musik kam er schließlich immer mehr mit organisierten Kreisen und Institutionen des rechten Rands in Kontakt. Er tauchte ein in die Parallelgesellschaft, eignete sich immer mehr das rechte Gedankengut an. „Ich sah die Ideologie als Allheilmittel an.“
Er gründete eine Kameradschaft in Erding. Später zog er nach Dortmund-Dorstfeld. „Ein Viertel, das man als national befreite Zone betrachten kann.“ Wie dort mit Aussteigern umgegangen wurde, hinterließ bei ihm ein ungutes Gefühl. Er ging zurück nach München.
Bei einem von mehreren Gefängnisaufenthalten lernte er Abschiebehäftlinge kennen. Ihre Fälle „haben mein Unrechtsempfinden getroffen“, sagt Benneckenstein. Das Weltbild begann zu bröckeln. Mit seiner Freundin, die in der rechten Szene aufgewachsen und später mit ihm ausgestiegen ist, besprach er immer häufiger seine Zweifel.
Der endgültige Entschluss zum Ausstieg fiel beim nächsten Knastaufenthalt. Er entschied, gegen einen „Kameraden“ auszusagen und nahm Kontakt zu Exit auf.
„Aussteigen ist ein langwieriger Prozess“, sagt Benneckenstein. „Man muss nicht nur bewusst mit allen Freunden und sozialen Kontakten brechen, man ist sich auch im Klaren, dass man sie hinterher zum Feind hat. Das ist sehr schwer.“ Fabian Wichmann ergänzt: „Die Angst als Ex-Neonazi in der Gesellschaft nicht mehr Fuß zu fassen, stellt ebenfalls eine große Hemmschwelle dar.“
„In der Szene wird Benneckensteins Ausstieg heiß diskutiert“, sagt Wichmann. „Er gilt nun als Verräter.“ Erste unterschwellige Drohungen habe es bereits gegeben. „Ich weiß, wie man in diesen Kreisen mit Verrätern umgeht“, sagt Benneckenstein.