Neonazi-Aufmarsch legt Innenstadt lahm
MÜNCHEN - Nichts ging mehr in der Innenstadt: 150 Neonazis sind vom Goetheplatz über den Hauptbahnhof zum Sendlinger Tor marschiert. Zwischen 500 und 1200 Gegendemonstranten begleiteten den gesamten Weg. Hundertschaften der Polizei waren im Einsatz.
Die Münchner Innenstadt stand am Samstag still. Ganze Straßenzüge waren seit dem Mittag gesperrt. Zunächst hielten die Neonazis eine Kundgebung am Goetheplatz ab. Dort sprach Neonazi-Aktivist Roland Wuttke zu den rund 150 Neonazis. Seine Worte gingen aber im gellenden Pfeifkonzert der Gegendemonstranten hinter Absperrgitterns unter. Seit dem frühen Vormittag hatten in München etwa 1200 Menschen gegen das sogenannte "Heldengendenken" der Neonazis protestiert.
Später setzten sich die Neonazis in Richtung Hauptbahnhof und weiter Richtung Sendlinger Tor in Bewegung. Es kam zu den ersten Zwischenfällen. Ein 66-jähriger Mann setzte sich den Neonazis in den Weg. Polizeibeamte trugen ihn weg. Auf der weiteren Strecke bewarfen Gegendemonstranten die marschierenden Neonazis mit Gemüse und Laub. Es flogen auch Flaschen und Dosen. Unter den Gegendemonstranten waren auch rund 350 Autonome, die von außerhalb Bayerns angereist kamen.
Bis zum Abend gab es 25 Festnahmen, darunter zwei Personen aus der rechten Szene. Die Vorwürfe reichen von Beleidigung, über Verstöße gegen das Versammlungsgesetz bis zu Körperverletzung sowie dem Verwenden von verfassungsfeindlichen Symbolen.
Am Sendlinger Tor standen den 150 Neonazis noch etwa 500 Gegendemonstranten hinter Absperrgittern gegenüber.
Der Nazi-Aufmarsch hatte Samstagnachmittag mit über einer Stunde Verspätung begonnen. Gegendemonstranten hatten den Lautsprecherwagen blockiert und abgedrängt - es begann eine einstündige Irrfahrt.
Durch die Demonstrationen kam der Verkehr in der Innenstadt teilweise zum Erliegen. Trambahnen und Busse wurden umgeleitet. Statt üblicherweise zehn Minuten dauerte der Weg von einem Ort in der Innenstadt zu einem anderen bis zu einer Stunde.
Mehr als 1000 protestierten seit dem Vormittag gegen den Neonazi-Aufmarsch
Am Vormittag hatten sich etwa 1200 Demonstranten am Samstag in München zu zwei Kundgebungen versammelt, um friedlich gegen den Aufmarsch von Neonazis zu protestieren. Rund 500 Menschen waren auf dem Marienplatz unter dem Motto „Wir wehren uns gemeinsam gegen den Nazi-Aufmarsch“ zusammengekommen. Zu dieser Demonstration hatte auch Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) aufgerufen. Am Rathaus hingen Transparente mit den Aufschriften: ""Diese Stadt hat Nazis satt" und "München ist bunt, nicht braun". Eine weitere Gegendemonstration hatten linke Gruppierungen organisiert.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte den Weg für geplante Aufmärsche von Rechtsextremen in München und in Wunsiedel an diesem Samstag geebnet. Das Gericht hob am Freitag entsprechende Verbote der kommunalen Behörden auf. Nach Ansicht der Richter ist bei den Aufmärschen nicht davon auszugehen, dass damit automatisch die schweren Menschenrechtsverletzungen des NS-Regimes gebilligt werden. Im oberfränkischen Wunsiedel planen die Rechtsextremisten einen Gedenkmarsch für den vor gut zwei Wochen gestorbenen NPD-Vize Jürgen Rieger.
Die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, hatte die Entscheidung des VGH kritisiert. „Es ist mir unbegreiflich, wie in einem Rechtsstaat bekennende Rechtsextremisten und polizeibekannte Neonazi-Kader eine Kundgebung unter dem Deckmantel der demokratischen Meinungsfreiheit abhalten können“, erklärte sie in einer Mitteilung. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) nannte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes „enttäuschend und deprimierend“.
job/va