Neffe von Georg Elser spricht über Hitler-Attentat seines Onkels

Kurz nach Ausbruch des II. Weltkriegs zündet der Schreiner Georg Elser eine Bombe, um den Diktator zu töten. Doch der entkommt. Heute gibt es kaum noch Menschen, die Elser kannten. Zu ihnen gehört sein Neffe.
München - Er habe Gutes gewollt, sagte Georg Elser zwölf Tage nach dem Attentat. Zwölf Tage, nachdem er immer wieder verhört und gefoltert worden war.
"Ich wollte ja auch durch meine Tat ein noch größeres Blutvergießen verhindern", begründete er seine Tat. In einer Zeit, in der sich Millionen Menschen von Nazi-Propaganda steuern ließen oder dachten, man könne nichts tun, handelte der damals 36 Jahre alte Schreiner aus Königsbronn in Schwaben. Er wollte Hitler töten.
Mehr als ein Jahr lang plante er die Tat und baute an einer Bombe mit Zeitzündern. Georg Elser kundschaftete den Tatort aus, den Bürgerbräukeller in Haidhausen, wo Hitler seit der Machtübernahme 1933 immer am 8. November sprach. Schließlich ließ sich Georg Elser 30 Mal im Gasthaus einschließen und höhlte dort kniend Nacht für Nacht eine Säule hinter dem Rednerpult aus. Ganz zum Schluss deponierte er dort seine Bombe.
Bombe verfehlt Hitler um 13 Minuten
Doch als sie um 21.20 Uhr hochging und die Decke zum Einsturz brachte, traf es nicht Hitler, Heinrich Himmler, Joseph Goebbels, Rudolf Hess und Wilhelm Frick – sondern sieben Nazi-Offiziere und eine Kellnerin. Hitler und seine Führungsriege hatten den Bürgerbräukeller früher als sonst verlassen. Wegen dichten Nebels mussten sie den Zug nehmen, statt zu fliegen. Die Bombe verfehlte sie um 13 Minuten.
Auf den Tag genau 80 Jahre liegt das zurück. Es gibt kaum noch Menschen, die den Widerstandskämpfer, der erst Jahrzehnte später als solcher anerkannt wurde, noch kannten. Einer von ihnen ist Elsers heute 90 Jahre alter Neffe Franz Hirth. Der frühere Ingenieur lebt in Stuttgart. Er erinnert sich noch genau an den Tag, als er seinen Onkel zuletzt sah. Es war der Tag vor dem Attentat.
Georg Elser hatte niemanden in seine Pläne eingeweiht. Er gab vor, auf Wanderschaft gehen zu wollen, wollte sich bei seiner geliebten Schwester und ihrer Familie noch verabschieden. "Er hat vom 6. auf den 7. November bei uns übernachtet", berichtete Franz Hirth der AZ. "Es war eine gute Begegnung – ein große. Er hat mir seinen Fotoapparat geschenkt. Er war eine Box mit Balkenauszug, Blende und Verschlusszeit. Er hat mir alles genau erklärt."
Georg Elsers Neffe: Es war tabu über den Onkel zu sprechen
Wenige Tage später stürmten Gestapo-Männer die Wohnung und durchsuchten alles. Die Familie wurde zum Stuttgarter Gestapo-Hauptsitz gebracht. Die Eltern wurden verhaftet, das Kind monatelang in ein Heim gesteckt. "Ich habe als Zehnjähriger noch nicht begriffen, um was es ging."

Doch auch später konnte er mit seinen Eltern nie darüber sprechen. "50 Jahre lang war es tabu, über meinen Onkel zu sprechen. Meiner Mutter war das alles zu viel." Erst 1989, als Klaus Maria Brandauer in dem Film "Georg Elser – Einer aus Deutschland" die Hauptrolle spielte, begann sich der Neffe intensiv mit der Tat seines Onkels auseinanderzusetzen.
"Während in den Familien anderer Widerstandskämpfer, wie in den Familien Stauffenberg und Scholl auf rührende Art und Weise getrauert worden ist, wurde in dieser Familie die Trauer erstickt", sagt der Münchner Tim Pröse, Autor des Buches "Jahrhundertzeugen – Die Botschaft der letzten Helden gegen Hitler".
Elser wurde lange nicht als Widerstandskämpfer wahrgenommen
Auch generell wurde Elser lange nicht als Widerstandskämpfer wahrgenommen. Lügen und Legenden rankten um seine Motive. Die Nazis dachten, der britische Geheimdienst habe ihn geschickt, andere hielten ihn für einen Mann der SS, den Hitler für Propagandazwecke benutzte.

"Von allen Widerstandskämpfern aus der NS-Zeit ist man Georg Elser am längsten die Anerkennung schuldig geblieben", sagt Tim Pröse. "Er ist das Paradebeispiel eines sogenannten kleinen Mannes, der zeigt, dass er die Welt hätte verändern können."
Georg Elser wurde kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, im KZ Dachau ermordet. Mittlerweile hat er seinen Platz in der Geschichte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte ihn vor wenigen Tagen als "einen herausragenden Vertreter des Widerstands gegen das NS-Regime".
Deutschland sei ihm Anerkennung, Respekt und Dank schuldig. "Wenn sich nun sogar der Bundespräsident hinter meinen Onkel stellt, ist das natürlich eine große Ehre für mich", sagt Franz Hirth.
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