Nebenkosten-Schock im Sozialbau in München: Jetzt rechtfertigt sich das Wohnungsunternehmen
München - Für einige Mieter in einer Siedlung der Münchner Wohnen war die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2022 ein Schock: 1170 Euro, 1500 Euro, 1300 Euro – solche Beträge mussten sie nachzahlen. Sie zahlten damit zeitweise mehr als dreimal so viel wie Kunden im Grundtarif der Stadtwerke München (SWM). "Das sind Sozialbauten hier. Viele von uns kämpfen sowieso schon sehr damit, über die Runden zu kommen", schimpfte eine Anwohnerin in der AZ. "Warum schließt man ausgerechnet hier einen so teuren Vertrag ab?"
Nun rechtfertigte sich die Münchner Wohnen in einer Pressekonferenz gegen die Vorwürfe. Man müsse die Entscheidung für den Vertrag mit dem Wissenstand von Anfang 2022 betrachten – und da habe man eben noch nichts vom russischen Krieg gegen die Ukraine und den daraus resultierenden extremen Kostensteigerungen bei den Energiepreisen wissen können, so die Argumentation.
Nachzahlungs-Schock am Harthof in München: So rechtfertigt sich die Münchner Wohnen
Den Grundtarif habe die Münchner Wohnen indes nicht wählen können, erläutert Christian Decker von den SWM. Er gelte nur für Privatkunden. Stattdessen entschied sich die Münchner Wohnen für einen sogenannten indexierten Vertrag. Dabei wird der Energiepreis vierteljährlich neu anhand der Marktentwicklungen berechnet. Ein solcher Vertrag ist nach Angaben der SWM üblich bei Kunden aus der Wohnungswirtschaft.
Dass bei manchen Mietern eine exorbitante Nachzahlung nötig wurde, ist laut Decker in einem enormen Preissprung im Sommer 2022 begründet: Während der Preis Anfang des Jahres bei unter 20 Euro pro Megawattstunde gewesen sei, sei er im August auf 300 Euro gestiegen. Dieser Monat ist die Berechnungsgrundlage für den Preis im vierten Quartal.
Einen Festpreisvertrag könne man kaum zum Bestpreis abschließen, so die SWM
Das Gegenstück, ein Festpreisvertrag, gleiche einer "Lotterie", sagt Christian Müller, Geschäftsführer der Münchner Wohnen. Bei einem Festpreisvertrag wird der Preis ebenfalls anhand des Marktpreises berechnet und gilt dann für ein Jahr. Der Kunde hat laut Decker von den SWM nur eine kurze Spanne, in der er sich entscheiden muss – Minuten oder wenige Stunden, danach könne der Preis schon ein anderer sein. Das führe dazu, dass man den Vertrag im Normalfall nicht zum optimalen Zeitpunkt und zum Bestpreis abschließe, so Decker. "Wenn wir uns da vertun, haben wir uns für ein ganzes Jahr vertan", sagt Müller.

Nach Angaben des Geschäftsführers seien lediglich zwei Prozent der 70.000 Mietparteien von den hohen Nachzahlungen betroffen. Mit mehr als 6000 von ihnen habe man Ratenzahlungsvereinbarungen geschlossen. "Es wird niemanden geben, der aufgrund der hohen Energiepreise seine Wohnung bei uns verliert", verspricht Müller. Dass nach Informationen der Stadtratsfraktion der Linken/die Partei mehrere Mieter Warnzettel zu einer drohenden Kündigung erhalten haben, verwundert ihn: "Wenn das so ist, entschuldigen wir uns und sorgen dafür, dass das nicht mehr passiert."
Stefan Jagel (Die Linke): Gaspreis wurde mit "komplizierter Börsenformel" berechnet
Beschwerden von Mietern, sie hätten keine Reaktion auf Anfragen erhalten, weist Müller zurück. Er räumte zwar ein, dass es zum Jahreswechsel Probleme mit der Telefonanlage gegeben habe, die dazu geführt hätten, dass Anrufer in der Warteschleife nicht durchgestellt worden seien. Das sei aber behoben worden. Zudem habe immer die Möglichkeit bestanden, sich schriftlich an die Münchner Wohnen zu wenden.
Stefan Jagel (Linke) widerspricht der Argumentation der Münchner Wohnen: Bereits ab Mitte 2021 seien die Energiepreise gestiegen, den Vertrag habe man im November abgeschlossen. Man habe also sehr wohl Anzeichen für die Entwicklung gehabt. Dass man einen Gaspreis mit "komplizierter Börsenformel" berechnet, ist für Jagel ebenfalls nicht nachvollziehbar. "Ich finde eher, das ist die Lotterie."