Nager-Alarm in München – Wirte haben nicht nur ein Ratten-Problem

Im Stadtrat wird diskutiert, Ratten besser zu schützen. Dabei sehen Gastronomen in München ein wachsendes Problem, auch mit Mäusen. Die AZ erklärt die ganze Debatte.
von  Ruth Frömmer
Die vielen Baustellen in der Stadt verschärfen das Ratten-Problem zusätzlich.
Die vielen Baustellen in der Stadt verschärfen das Ratten-Problem zusätzlich. © picture alliance/dpa

München – Mäuse sind putzig, machen aber viel Ärger. Münchens Wirte können ein Lied davon singen. Aber sie tun es nicht öffentlich. Denn wer eine Gaststätte betreibt, möchte mit den kleinen Nagern nicht in Verbindung gebracht werden.

Nun meldet sich der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga zu Wort. Der Verband macht darauf aufmerksam, dass in Münchens Außenbereichen zwar Ratten bekämpft werden, aber keine Mäuse. Doch auch diese vermehren sich in einer Großstadt wie München mit ihren zahlreichen Baustellen rasant. Und schon eine Bleistift-dicke Ritze reiche einer Maus, um in ein Gebäude, auch in Gaststätten und Supermärkte, einzudringen.

Explodierende Ratten-Population in München: Was die ÖDP vorschlägt

Bereits im Januar hat die ÖDP-Fraktion einen Antrag bei der Stadt eingereicht, die Ratten im Rahmen eines Pilotprojekts für ein bis zwei Jahre an Hotspots wie dem Nußbaumpark, Viktualienmarkt und in Bereichen rund um die großen Bahnhöfe durch Flüssigköder mit Geburtenkontroll-Technologie anstelle von Giftködern zu bekämpfen. Dadurch erhofft man sich, die Population der Ratten zu reduzieren. Bei Erfolg des Pilotprojekts soll diese Methode künftig flächendeckend eingesetzt werden. Denn, so der Antrag, die bloße Vergiftung der Ratten sei weder erfolgversprechend noch mit dem Tierschutz vereinbar.

Für Tobias Ruff, den Fraktionsvorsitzenden der ÖDP, zeigt sich der Wert unserer Gesellschaft auch daran, wie sie mit den Tieren in der Stadt umgehe. "Und damit meinen wir explizit auch Tiere, die keine Lobby haben, weil sie nicht als niedlich und schützenswert angesehen werden." In einem weiteren Antrag fordert die ÖDP die Stadt auf, eine Informationskampagne zu starten, um die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren, dass Essensreste, die im öffentlichen Raum oder über die Kanalisation entsorgt werden, zu einer explodierenden Ratten-Population führen. Ziel soll die Eindämmung von Lebensmittelverschwendung und die korrekte Entsorgung von Bioabfällen sein.

Gastronomen und Hoteliers in München reagieren "irritiert" auf ÖDP-Vorschlag

Der Dehoga vertritt laut eigenen Angaben rund 1300 Gastronomen und Hoteliers in der Stadt und begrüßt die Initiative der ÖDP, auf ordentliche Entsorgung von Müll und Essensresten in der Stadt aufmerksam zu machen. Aber der Verband zeigt sich "irritiert" darüber, dass ausgerechnet Ratten, die als Hygiene-, Vorrats- und Materialschädlinge gelten, nun im Stadtgebiet mehr geschützt werden sollen. Christian Schottenhamel ist Kreisvorsitzender des Dehoga in München und er ist wütend. "Dieser Antrag der ÖDP ist idiotisch", findet der Wirt, der selbst unter anderem den Paulaner am Nockherberg betreibt.

Die meisten Gastronomen geben viel Geld für Schädlingsbekämpfung aus, so Schottenhamel. Bei den warmen Temperaturen vermehren die Mäuse sich auch im Winter. "Wir bekämpfen und bekämpfen und können trotzdem nicht verhindern, dass immer wieder Mäuse in unsere Lokale gelangen", klagt der Wirt. Werden diese bei einer Hygienekontrolle entdeckt, kommt es zu einem strafrechtlichen Verfahren. Das Bußgeld zahlt dann der Gastronom. Wenn Gäste eine Maus in einem Lokal entdecken, fotografieren sie diese oft und stellen dann eklige Bilder ins Internet. Damit ist der Ruf eines Lokals schnell ruiniert. Sprechen möchte darüber keiner.

Christian Schottenhamel sieht auch die Mäuse als Problem

"Es ist auch ein großes Problem, dass in der Stadt nur Ratten, aber keine Mäuse bekämpft werden dürfen", sagt Schottenhamel. In der Schützenstraße sei die Lage zum Beispiel besonders schlimm. "Die vielen Baustellen dort, vor allem der Benko-Leerstand, haben dazu geführt, dass sich die Mäuse in den letzten Jahren extrem vermehrt haben."

Am Montag hat der Dehoga einen Brief an den Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die Fraktionen des Stadtrats der Landeshauptstadt geschickt und auf das Problem aufmerksam gemacht – und schon am nächsten Tag eine Antwort vom Referat für Klima und Umweltschutz (RKU) bekommen. "Das RKU hat uns mitgeteilt, dass es nicht zuständig ist und das Schreiben ans Kreisverwaltungsreferat (KVR) weitergegeben hat."

Bislang ist unklar, wer für die Nagetiere zuständig ist 

Eine Lösung hat Schottenhamel zwar selbst nicht, aber ein paar Vorschläge: "Man könnte zum Beispiel die Taktzahlen der Mülltonnen-Leerungen erhöhen oder mäusefeste Mülltüten einsetzen. Das gibt es in anderen Städten auch." Schottenhamel findet, dass sich die Zuständigen gemeinsam eine Lösung überlegen sollen. Er wünscht sich, dass der OB das Thema zur Chefsache erklärt.

Das Umweltbundesamt möchte künftig das Beködern von "Schadnagern" in Innenräumen mit Fraßködern grundsätzlich verbieten. An diesem geplanten Vorhaben übt der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands (BVLK) jetzt schon scharfe Kritik: "Dies würde für uns alle bedeuten, dass Mäuse, Ratten und Co. künftig ein ständiger Begleiter beim Einkaufen in Supermärkten oder beim Essengehen werden." Die Nager sind klein, der Ärger ist groß. Der erste Schritt zur Lösung ist nun die Klärung der Frage, wer überhaupt zuständig für sie ist.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.