Nachtleben: Braucht München einen Party-Bürgermeister?

Der Nachtbürgermeister vermittelt zwischen den Anwohnern und den Feiernden – bald könnte auch München einen haben.
München - In London heißt er Night Czar, der Conseil de la Nuit ist er in Paris, in New York der Senior Executive Director of the Office of Nightlife und in Amsterdam Nachtburgemeester – also Nachtbürgermeister.
Amsterdam war im Jahr 2012 die erste Stadt, die den Posten des Nachtbürgermeisters schuf. Was als Ehrenamt begann, ist in Amsterdam mittlerweile ein angesehener Beruf, ein bezahltes Amt. Das Ziel: Eine bessere Stadt zum Leben und zum Feiern zu schaffen – und zwar für alle, Partyvolk und Anwohner. Die Hauptaufgabe des Nachtbürgermeisters ist es, zwischen der Partyszene, den Anwohnern und der Politik zu vermitteln.
Angebote für das Viertel
Eigene konkrete Ziele hat der Nachtbürgermeister von Amsterdam schon erreicht. Rund ein Dutzend Clubs dürfen in Amsterdam rund um die Uhr offen haben. So gibt es laut dem Nachtbürgermeister weniger Gewalt und Lärm auf den Straßen, weil nicht alle gleichzeitig nach Hause gehen.
Tagsüber haben ausgewählte Lokalitäten dafür verschiedene Angebote, von Kunstausstellungen bis hin zu Yoga-Kursen – so dass dem Viertel auch etwas zurückgegeben wird.
Konfliktvermittlung in München
In München wurde erkannt, dass die Subkultur in der Stadt unterrepräsentiert ist und dass es eine vermittelnde Stelle zwischen Anwohnern und Partyvolk braucht. Hier vermittelt derzeit das Allparteiliche Konfliktmanagement München (AKIM). Deren Mitarbeiter kommen bei Konflikten an öffentlichen Plätzen, Straßen und Grünanlagen zur Hilfe, oder wo es beispielsweise keine ordnungsrechtliche Handhabe für einen Einsatz der Polizei gibt.
Und das Sozialreferat erarbeitet seit dem Frühjahr 2018 eine "Gesamtstrategie nächtliches Feiern". Auf Nachfrage können vom Sozialreferat noch keine Ergebnisse präsentiert werden, da die Strategie derzeit noch in Abstimmung ist.
Mannheim macht es vor
Mirik Milan, der Amsterdamer Nachtbürgermeister a.D. hat sein Amt in München beim Festival Manic Streetparade bereits vorgestellt. Die Stadtratsfraktion von Grünen und Rosa Liste hat daraufhin ein ganzes Antragspaket für einen Nachtbürgermeister und für die Unterstützung der Subkultur eingereicht.
Mannheim in Baden ist da schon weiter: Dort gibt es bereits seit 2018 einen Beauftragten für Clubkultur. 50 Stunden im Monat soll ein 27-jähriger Student bei Konflikten zwischen Tag- und Nachtleben vermitteln und Club- und Barbetreiber miteinander vernetzen.
In München wird sich in diesem Jahr der Stadtrat damit auseinandersetzen müssen, ob Dieter Reiter einen Bürgermeister der Nacht an seine Seite gestellt bekommt. Was Parteien und was Clubbetreiber zu dieser Idee sagen, lesen Sie unten. Gute Nacht!
Stadtratsanträge: Ideen für die Subkultur
Damit die Subkultur nicht unter die Räder kommt, haben die Stadtratsfraktion von Grünen und Rosa Liste im April 2018 ein Paket von zwölf Anträgen eingereicht, in dem sie unter anderem einen Nachtbürgermeister fordern, aber auch nach Berliner Vorbild einen Fonds, aus dem Schallschutz für Musik-Clubs oder Anwohner, die unter Lärm leiden, bezahlt werden soll.
Zudem soll die Stadt Mietzuschüsse für Proberäume und Ateliers erhöhen, beziehungsweise solche in Tiefgaragen städtischer Wohnanlagen der in Schulen schaffen. Auch sollen Bühnen für Livemusik in Gemeinbedarfsflächen wie Stadtteilzentren miteingeplant werden. Das vom Sozialreferat angedachte, zweite Jugendzentrum nach Art des Feierwerks mit Auftrittsmöglichkeiten jenseits kommerzieller Interessen soll vorangetrieben werden.
Florian Roth: "Sonst stirbt die Nacht"

Florian Roth (Die Grünen): "Eine Stadt ohne Nachtleben ist nicht attraktiv. David Süß, Betreiber vom Electro-Club ,Harry Klein’ in der Sonnenstraße warnt davor, dass München in fünf bis zehn Jahren popkulturell tot sei. Immer wieder müssen Clubs schließen, es gibt Konflikte mit den Nachbarn. In Münchner Neubaugebieten plant man Nachtleben erst gar nicht mit ein.
Die Stadt München braucht einen Schallschutzfonds wie in Berlin und einen Nachtbürgermeister wie in Amsterdam, London, Paris und New York. Dieser könnte von Clubs gewählt werden und zwischen Politik und Nachtkultur, Anwohnern und Partyszene vermitteln. Schallschutzfonds und Nachtbürgermeister haben wir als Fraktion schon im April 2018 beantragt. Zeit wird’s. Sonst stirbt die Nacht."
Manuel Pretzl: "Neue Locations für Bands"

Manuel Pretzl (CSU): "Die CSU-Stadtratsfraktion ist der Idee eines Nachtbürgermeisters in München gegenüber sehr positiv eingestellt. Die Erfahrungen in anderen Städten und auch des AKIMs (Allparteiliche Konfliktmanagement München) zeigen die erfreulichen Auswirkungen einer vermittelnden Schnittstelle zwischen den Clubbetreibern, der Politik und den Feiernden. Es ist wichtig, dass man miteinander redet.
Sowohl mit den Feiernden, als auch mit den Anwohnern, welche vielleicht nicht immer so offen gegenüber dem Nachtleben eingestellt sind. Ein Nachtbürgermeistern würde sich aber natürlich um noch viel mehr kümmern, wie zum Beispiel mögliche neue Locations für Bands oder die kreative Szene im allgemeinen."
Sven Künast: "Eine undankbare Aufgabe"

Sven Künast (Betreiber vom Club Pimpernel): "Ich habe als ehemaliger Wirtesprecher im Glockenbachviertel schon feststellen müssen, dass es schwierig ist, Clubs, Anwohner und Stadt an einen Tisch zu bekommen und Ergebnisse zu liefern. Ich bin ja Clubbetreiber und Anwohner im Glockenbachviertel und sehe deshalb beide Seiten. Nachtbürgermeister ist eine undankbare Aufgabe. Da denken ja viele, der hätte irgendwelche Befugnisse, aber hat er nicht.
Der Nachtbürgermeister kann nur reden, vermitteln und netzwerken. Der Posten ist meiner Meinung nach für München kein Thema. In den Metropolen geht es härter zu, aber auch da ist der Nachtbürgermeister kein Selbstläufer und das läuft nicht reibungslos. Sinnvoller wäre es, wenn die Stadt München bestehende Bestimmungen wie beispielsweise beim Schallschutz durchsetzen würde. Oder ein Wirt hat eine Betriebsgenehmigung für eine Schank- und Speisewirtschaft und betreibt aber einen Club. Da fehlt der politische Wille, das zu unterbinden. Kein Wunder, dass die Anwohner da genervt sind."
Christian Vorländer: "Bereits vorhandene Projekte stärken"

Christian Vorländer (SPD): "Das Nachtleben ist ein wichtiger kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Faktor für unsere Stadt. Aber natürlich gibt es auch Probleme und Konflikte beim nächtlichen Feiern – gerade in den Hotspots, etwa im Gärtnerplatzviertel, in der Müller- oder Sonnenstraße. Hier treffen verschiedene Interessen aufeinander: Die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner, der Clubbetreibenden und der Gäste.
Die Einführung eines eigenen Nachtbürgermeisters ist dafür aber nicht nötig – und vor allem kein Allheilmittel. Wichtig ist es, bereits vorhandene Projekte wie AKIM (Allparteiliches Konfliktmanagement in München) zu stärken. Ein Runder Tisch kann dazu beitragen, das Verständnis und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu verbessern und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dazu haben wir als SPD-Fraktion einen Antrag gestellt. Und dafür wollen wir die Erfahrungen aus anderen Städten einbeziehen."
Till Hoffmann: "Bewerbe mich als Nacht-Sheriff"

Till Hofmann (u. a. Live-Club Milla): "Wir hatten in der Milla auch Probleme mit den Anwohnern, weil auf dem Platz vor der Milla unsere Gäste, aber auch Leute, die von der Isar kommen, sitzen und sich unterhalten. Da gab es Beschwerden wegen des Lärms, weil’s halt immer lauter wird, wenn Leute auf öffentlichen Plätzen zusammenkommen. Es gab einen Termin im Bezirksausschuss und eine städtische Mittlerin zwischen uns und den Anwohnern.
Jetzt haben wir einiges modifiziert, haben unter anderem einen Silencer draußen, der die Leute zur Ruhe ermahnt und bleiben im Gespräch mit den Anwohnern. Aber was soll da ein Nachtbürgermeister machen? Sollte die Stadt allerdings das Amt eines Nacht-Sherrifs schaffen, der auf seinem Pferd durch die Nacht reitet, dann bewerbe ich mich sofort um den Posten. Ich bitte um Ihr Vertrauen."
Zukunft Stadt - eine Serie der Abendzeitung
Lesen Sie hier Teil eins der Serie: Vorbild Florenz mit einer autofreien Innenstadt - Was Gegner und Befürworter sagen
Lesen Sie hier Teil zwei der Serie: München, eine Stadt für Cykeler?
Lesen Sie hier Teil drei der Serie: Mehr Sicherheit am Gleis: Warum hat München keine Bahnsteigtüren?