Nachfolger für ein schweres Erbe gesucht

MÜNCHEN - Interview mit dem Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD): Er hat noch viel Lust und will seinen Nachfolger erst preisgeben, nachdem im Jahre 2013 der übernächste Kanzlerkandidat gekürt wird.
AZ: Herr Ude, eine alte Dauerfrage müssen Sie aus Altersgründen definitiv nicht mehr beantworten – ob Sie noch einmal antreten.
CHRISTIAN UDE (lacht): Wenn der Gesetzgeber in seiner gütigen Weisheit die Altersbeschränkung aufhebt, schaut das wieder ganz anders aus.
Würde es Ihnen nach jetzt schon 15 Jahren im OB-Amt weiter Spaß machen?
Jetzt noch sechs Jahre Oberbürgermeister sind eine schöne, aber auch ausreichende Zeit.
Dann verraten Sie uns, wer Ihr Nachfolger wird.
Damit kann ich nicht dienen. Es hat sich in der Vergangenheit sehr bewährt, dass die CSU seit 1990 ein gutes Dutzend OB-Kandidaten verschlissen hat und wir keinen.
Und wer soll für die SPD gewinnen?
Der CSU-Aspirant Josef Schmid ist kein Angstgegner
Bei aller Seriosität erlaube ich mir den Hinweis, dass der momentane CSU-Kandidat kein richtiger Angstgegner ist. Seit er Vorsitzender der CSU-Fraktion ist, hat diese Fraktion zehn Mandate weniger als die SPD, während sie früher mal stärker war. Seit er OB-Kandidat ist, hat es diese Partei geschafft, in München die 25-Prozent-Grenze zu unterschreiten.
Dafür muss Josef Schmid erstmal Kandidat bleiben. Doch auch Ihr OB-Aspirant hat noch nicht gewonnen. Wann geben Sie Ihren Nachfolger bekannt?
Sicher nicht im Jahre 2009. Eines möchte ich feststellen: Meine Amtszeit dauert länger als die Amtszeit des Bundeskanzlers, der im September gewählt wird. Man wird also erst die übernächste Kanzlerkandidatur im Jahre 2013 klären müssen, bevor die Frage der OB-Kandidatur in München aktuell wird.
Als Fraktionschef will Josef Schmid neue Akzente setzen und kündigt im AZ-Interview an, die CSU gegen Rechtsextremismus zu positionieren.
Das ist ein erfreulicher, wenn auch reichlich später Fortschritt. 1998 hat die CSU geschlossen gegen die Gründung des Bündnisses für Toleranz und Rechtsstaat gestimmt, obwohl es sich ausdrücklich gegen jedweden Extremismus richten sollte.
Wo sehen Sie die Gefahr?
"Ich warne vor einer Verharmlosung neonazistischer Vereinigungen"
Ich habe immer vor einer Verharmlosung der Kameradschaften und der neonazistischen Vereinigungen gewarnt. Die menschenverachtende Ideologie und die Gewaltbereitschaft waren am äußersten rechten Rand in München immer gegeben: Ob 1980 beim Oktorfestattentat, mit 13 Toten, ob beim geplanten Anschlag auf den Synagogenbau 2003 oder als ein Grieche brutal niedergestiefelt wurde.Darum bleibt es eine wichtige Aufgabe, hier wachsam zu sein, Entschiedenheit zu zeigen und organisatorische Strukturen zu zerschlagen. Ich halte auch ein NPD-Verbot für wünschenswert.
Seit Mai sitzt auch ein Rechtsextremist im Stadtrat.
Mit einem rechtsextremen Stadtrat unter 80 Stadträten müssen wir als selbstbewusste Demokraten fertig werden. Er spielt in der offenen Aussprache keine Rolle. Er reicht Fleißarbeiten ein, bei denen auch verkappte antisemitische und antidemokratische Töne erkennbar sind. Es ist immer ein Spiel mit Andeutungen und Assoziationen. Aber damit hat er nicht den geringsten Erfolg und ist im Rathaus vollkommen isoliert. Das ist auch gut so.
Josef Schmid sucht jetzt auch die Nähe zu unpolitischen Moslems, sagte er der AZ.
Die Münchner CSU hat mit ihren Kampagnen gegen Muslime nicht punkten können. Nach dem Wahldebakel versucht sie es mal mit einem Islam-freundlichen Kurs. Überzeugender wäre es, wenn sie von Anfang an die Religionsfreiheit des Grundgesetzes hochgehalten hätte.
Nach der Stadtratswahl hat es bei Rot-Grün geknirscht. Sie haben einmal türenknallend die Bündnisverhandlung verlassen. Hat sich die Stimmung wieder aufgehellt?
Es hat zwischen Rot und Grün geknirscht
Es war tatsächlich so. Das waren aber keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten. Die Neuzugänge der Grünen-Fraktion wollten wirklich alle Fleißarbeiten ihres Lebens in das Koalitionspapier einarbeiten, und so was nervt. Auch ohne Schönfärberei ist das Verhältnis immer besser geworden. Wir haben einige gemeinsame Zukunftsprojekte.
Zwischen Ihnen und dem neuen SPD-Fraktionschef Alexander Reissl hat es auch Unstimmigkeiten gegeben. Es hat Sticheleien gegen „den Mann aus dem zweiten Stock“ gegeben, gegen Sie.
Geknirscht hat es nicht, ich habe ja seine Wahl unterstützt. Es gab aber in der Tat einige flapsige Bemerkungen. Ich bin der Letzte, der dies anderen zum Vorwurf machen dürfte. Wir sind uns vollkommen einig, dass wir den Erfolg der SPD in München wollen. Ich bewundere sogar manchmal, mit welcher Kompetenz er über Bau- und Wirtschaftsfragen spricht und wie konsequent er bei Finanzfragen ist, wo er keineswegs jeder Klientel nachgibt.
Er scheut sich intern nicht, die SPD-Fraktion auch mal gegen den eigenen OB zu positionieren.
Die SPD muss im Rathaus als größte Kraft deutlich wahrnehmbar sein
„Gegen den OB“ hab ich noch nicht erlebt. Aber „neben dem OB“. Ich halte es auch für dringend erforderlich, dass die Fraktion als die bestimmende und größte Kraft im Rathaus deutlich wahrnehmbar ist.
Was ist 2008 nicht optimal gelaufen?
Die Frage war 2006 und 2007 leichter zu beantworten. Mir fällt in diesem Jahr tatsächlich nichts ein.
Das gilt aber nicht immer für die SPD.
Die Kommunalwahl ist für uns optimal gelaufen, und ich habe eine Zweidrittelmehrheit bekommen.Im Landtagswahlkampf ist es uns als SPD nicht gelungen, von der beispiellosen und historisch einmaligen Schwäche der CSU zu profitieren. Das hat mit mangelnder Kompetenz zu tun, die SPD wird in Bayern eben nicht für voll regierungsfähig gehalten. Da muss man mit langem Atem Aufbauarbeit leisten. Die ist nicht gelungen.
Jetzt soll der Bundestagsabgeordnete Florian Pronold an die Spitze der Bayern-SPD und den Aufbau versuchen.
Er hat die Kommunen beim Kampf um die Gewerbesteuer unterstützt, hat uns auch geholfen, die deutschen Wohnungsbestände vor dem Zugriff der Finanzmärkte zu bewahren. Das nimmt mich alles für ihn ein.
Was werden die zentralen Themen 2009?
Keine großsprecherischen Milliardengeschenke
Das sind die schlimmen Auswirkungen der Finanzkrise. Deshalb wird 2009 harte, arbeitsreiche Themen liefern: Wie begegnen wir der Krise, wie kann man sie eingrenzen, wie kann man sie überwinden? Ohne dass man in großsprecherischerweise Milliarden zum Fenster hinauswirft, die nicht da sind. Ich warne vor Hemmungslosigkeit bei der Krisenbewältigung.
Das werden Sie auch der Kanzlerin sagen müssen.
Das ist wie bei der Landesbank, die Milliarden ausgab, die sie nicht hatte und damit die Krise auslöste. Jetzt will man Milliarden als Steuergeschenk verteilen, die man ebenfalls nicht hat. Das könnte die Krise verschärfen. Vielmehr müssen wir das Ziel im Auge behalten, die Haushalte auszugleichen und in absehbarer Zeit wieder Schulden abzubauen, statt sie ins Hemmungslose auszuweiten.
Und in München?
Bisher ist in München fast nichts passiert, aber die Krise wird sich in den ersten Wochen des Jahres bemerkbar machen und sie wird das beherrschende Thema 2009 sein.
Interview: Willi Bock