Nachfolge von Münchens Bürgermeister Josef Schmid: Das große Personalkarussell der CSU

München - Ein halbes Jahr ist es her, dass CSU-Bürgermeister Josef Schmid (48) seine Fraktion im Rathaus mit der Nachricht aufgeschreckt hat, er wolle Schluss machen mit der Rathauspolitik. Um sich im Oktober in den Landtag wählen zu lassen.
Zurück blieben ratlose Gesichter: Wer soll ihm nachfolgen als Bürgermeister, mitten in der Amtsperiode? Wer übernimmt den Posten als Wirtschaftsreferent und Chef über die Wiesn, den Schmid ebenfalls bekleidet? Und wer soll dann, wenn 2020 Kommunal- und OB-Wahl ist, gegen den populären OB Dieter Reiter (59, SPD) antreten? Ein ziemlich aussichtsloser Kampf für einen noch kaum bekannten CSU-Kandidaten.
Die Fraktion werde das "in aller Ruhe" klären, hieß es damals von einer planlos wirkenden CSU. Es gebe ja keine Eile. Inzwischen haben die Schwarzen im Rathaus sich gesammelt. Im Gespräch mit der AZ äußert sich Josef Schmid nun erstmals deutlicher über die Optionen.
Wer wird neuer Bürgermeister in München?
Alles deutet darauf hin, dass der CSU-Rathaus-Fraktionschef Manuel Pretzl den Bürgermeisterposten übernimmt. Schmid hatte ihn im Oktober als "natürlichen Anwärter" für die Nachfolge bezeichnet. Pretzl, Chef des Jagd- und Fischereimuseums, erklärte auch, das Amt sei "sehr reizvoll" für ihn – auch wenn er es nur für eineinhalb Jahre übernehmen kann, bis zur Kommunalwahl. Dann werden die Karten neu gemischt.
Wird Manuel Pretzl der neue Bürgermeister? (Foto: dpa)
Andere Kandidaten wie Rathaus-Urgestein Hans Podiuk haben die 65-Jahre-Altersgrenze überschritten – oder sich auf die Referentenbank verabschiedet wie Kristina Frank, die Kommunalreferentin wird.
In den letzten Wochen fällt Pretzl zudem mit lauten Forderungen auf, beschwert sich über "langweilige Architektur", schießt gegen die Stadtgestaltungskommission und Wiesnwirte, als probe er schon mal für den Chefsessel.
Der Bürgermeister muss aus dem Stadtrat heraus gewählt werden. Neben Pretzl werden in der CSU nur noch einer Frau Außenseiterchancen eingeräumt: Evelyne Menges, eine Anwältin, die in der Fraktion hohe Anerkennung genießt. Wenn Pretzl doch noch abwinkt, könnte ihre große Stunde schlagen. "Dann", sagt einer, "ist sie die einzige Alternative."
Pretzl aber betont auch intern, dass noch keine Entscheidung gefallen sei. In der CSU heißt es, es sei noch gar nicht geklärt, ob und wie er für die eineinhalb Jahre mit Rückkehroption seinen Museums-Job niederlegen könnte. Vor allem aber will die CSU die Landtagswahl abwarten. Theoretisch könnte Schmid bei der Landtagswahl scheitern.
Zudem spielt es eine Rolle, wie es für den geschassten Kultusminister Ludwig Spaenle weitergeht, der noch München-CSU-Chef ist – und ob Stadtrat und Landtagskandidat Hans Theiss ins Maximilianeum einzieht.
Auch die Zukunft von Ludwig Spaenle spielt eine große Rolle. (Foto: dpa)
Von Zeitdruck will Schmid ohnehin nichts wissen. "Wir liegen voll im Zeitplan bei diesem Thema. Ich habe von Anfang an gesagt, dass das nicht eilt."
Wer übernimmt den Fraktionsvorsitz?
Wechselt Pretzl auf den Bürgermeistersessel, tut sich eine neue Baustelle für die Rathaus-CSU auf. Denn dann braucht sie einen neuen Fraktionschef.
Anders als für das Bürgermeister-Amt gibt es hier keine Altersgrenze. Deshalb kommen die Urgesteine der Fraktion ins Spiel: Walter Zöller (78) – und vor allem Hans Podiuk (71), der schon einmal übernommen hat. Als Problem gilt vor allem die Symbolik: Ein Aufbruch sieht anders aus, als noch einmal einen Hochbetagten zu befördern. Podiuk schließt auf AZ-Nachfrage nichts aus. "Das ist aktuell aber gar kein Thema", betont er.
Aus den Reihen der drei Stellvertreter werden Evelyne Menges nicht viele Chancen eingeräumt. Kristina Frank wird im August Kommunalreferentin und fällt damit ebenfalls aus.
Stadtrat Hans Theiss (ebenfalls Stellvertreter), der als fleißig und zielstrebig gilt, wäre eine Option. Allerdings strebt auch der Arzt ein Landtagsmandat an. Sollte er im für die CSU nicht ganz einfachen neuen Stimmkreis München-Mitte als CSU-Direktkandidat scheitern, könnte er die Fraktion im Rathaus übernehmen. Zumindest theoretisch. Denn dass ein angesehener Medizin-Professor sich das wenig prestigeträchtige Amt antut: unwahrscheinlich.
Wer wird neuer Wirtschaftsreferent?
Wer auch immer in der CSU-Fraktion sich Hoffnung gemacht hat, Schmid als Wirtschaftsreferent zu beerben: Das wird nichts. "Für mich ergibt sich aus der Fraktion keine Option für den Wirtschaftsreferenten", betont Josef Schmid im AZ-Gespräch. Keiner aus den eigenen Reihen erfülle die strengen formalen Anforderungen für das Amt. Die CSU, die das Vorschlagsrecht für den Posten hat, wird einen externen Bewerber wählen.
Wer wird OB-Herausforderer?
Das könnte besonders spannend werden. Denn: Vieles deutet darauf hin, dass der nächste Herausforderer für OB Dieter Reiter eine CSU-Frau sein könnte. Diese Symbolik würde all jenen gefallen, die die CSU in den vergangenen Jahren als moderne Großstadt-Partei verkaufen wollten.
Immer wieder fallen auf den Rathausfluren zwei Namen: Stadträtin Kristina Frank. Und Stephanie Jacobs, aktuell Gesundheitsreferentin der Stadt. "Zwei herausragende Frauen auf Referentenebene", lobt Josef Schmid ausdrücklich die Kolleginnen. Überhaupt habe die CSU München, was Frauen betrifft, "Vorbildliches" geleistet. "Wir haben einen sehr hohen Frauenanteil in der Fraktion", betont der Bürgermeister.
Frank äußert sich vorsichtig – schließt eine Kandidatur aber nicht aus. "Der Wunsch wird an mich herangetragen", sagt sie der AZ. "Das ist ein interessanter Posten, aber mein Fokus liegt jetzt auf dem Kommunalreferat."
Stephanie Jacobs klingt auf Nachfrage nur mäßig interessiert. "Derzeit sehe ich keinen Veränderungsbedarf. Ich fühle mich im Referat sehr wohl", lässt sie mitteilen. Jacobs gilt überall als smart und fleißig – könnte aber den Nachteil haben, nicht im Bezirksverband verwurzelt zu sein: Sie ist nicht mal Parteimitglied. So etwas kommt bei Delegierten traditionell schlecht an. Und am Ende entscheiden die über Kandidaten – und nicht Strategen an der Spitze alleine.
Auch zwei Männer könnten OB-Kandidaten werden. Falls Hans Theiss bei der Landtagswahl durchfällt, wäre er frei für eine OB-Kandidatur. Seit Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle kein Kultusminister mehr ist, hat auch er sich als möglichen OB-Kandidaten ins Spiel gebracht. "Wir haben derzeit faktisch vier plus eins geeignete Kandidaten für die OB-Kandidatur", sagt Schmid, "von Personalmangel kann man da nicht reden." Spaenle allerdings gilt parteiintern eher als Außenseiter. Wie ernst sein öffentliches Kokettieren gemeint war, ist ohnehin umstritten.
Ein weiterer potenzieller Kandidat, dessen Name in der Partei immer wieder genannt wird, winkt auf AZ-Nachfrage ganz offiziell ab. Michael Kuffer, Ex-Stadtrat und Neu-Bundestagsmitglied, erklärt: "Ich habe meine zehnjährige Arbeit im Münchner Rathaus abgeschlossen." Die Arbeit im Bundestag mache ihm viel Freude. "Selbstverständlich will ich nicht OB-Kandidat werden." Wer auch immer es am Ende macht: Er oder sie kann sich bis zur Kommunalwahl 2020 ein bisschen warmlaufen, sich profilieren und sich am Platzhirschen Reiter reiben.
Und dann 2026 ernsthaft um den Chefsessel im Rathaus kämpfen. Bis dahin nämlich hat Dieter Reiter die Altersgrenze erreicht. Dann wird auch die SPD ein neues Gesicht antreten lassen – und die Karten werden neu gemischt.