Nachbarin wegen Geld erstochen! Angeklagter gesteht

Arvid K. soll die Rentnerin Ursula Sch. (76) vor einem Jahr gedrosselt und erstochen haben, um an ihre EC-Karte zu kommen. Vor Gericht sagt K., er habe Geld für seine Verlobte gebraucht
von  Sophie Anfang
Arvid K. beim ersten Verhandlungstag vor dem Münchner Landgericht. Selbst äußert er sich nicht zur Tat.
Arvid K. beim ersten Verhandlungstag vor dem Münchner Landgericht. Selbst äußert er sich nicht zur Tat. © dpa

München – Vierzehn Stichwunden klaffen in Ursula Sch.s Hals, als sie nach ihrem zähen Überlebenskampf leblos am Boden liegt. Die 76-Jährige wurde gewürgt, quälend lang. Es gelang ihr noch, wegzurobben, aber der Täter setzte ihr nach, stach erneut zu.

Nun, da die Rentnerin nicht mehr atmet, versucht der Täter, das Blut wegzuwischen. Es gelingt ihm nicht. Der Boden, alles rot. Schmuck und EC-Karte seines Opfers steckt er ein. Er nimmt das Messer, vergräbt es im Garten seiner Eltern in Erdweg bei Dachau. Die Tasse, die er bei Sch. benutzt hat, wirft er in den Wald. Seine Kleidung packt er in eine Plastiktüte und versenkt sie in die Glonn.

Ein Jahr ist es her, dass der Mord an der beliebten Erdwegerin die 5700-Einwohner-Gemeinde erschüttert hat. Seit gestern sitzt Arvid K. vor dem Landgericht, um sich für die Tat zu verantworten. Er ist geständig, will es aus Liebe getan haben, um seine Verlobte aus der Haft freizukaufen. Selbst spricht er nicht.

K. ist ein bulliger Typ mit aufgedunsenem Gesicht. Kleine Ohren, dünne Schnurrbärtchen und Augenbrauen, dafür breite Hände wie Schaufeln. Seine lange Drogenkarriere haben ihn altern lassen. Wie 27 sieht er nicht aus. Während sein Anwalt Michael Pösl eine Erklärung verliest, wackelt er mit dem Kopf. Es könnte ein Nicken sein oder nur ein kurzweiliges Zusammenzucken.

„K. hat Ursula Sch. getötet“, führt Pösl gleich zu Anfang aus. Dann springt er in Kindheit und Jugend des Angeklagten. K. sei nach der Wende mit seiner Mutter aus Thüringen nach Grafrath gekommen. Richtige Freunde habe er nie gehabt. Mit elf zog er an der ersten Kippe, es folgten Hasch, mit 14 nahm er zum ersten Mal Heroin, seit 2007 war er vollends in die Drogenszene abgestürzt.

 

Laut Anklage soll K. sein Opfer mit einem Kabel gewürgt haben

 

2013 lernte er Zoitsa M. kennen. Auch sie ist drogenabhängig und gut zehn Jahre älter als er. M. wird schwanger, sie wollten heiraten, K. kaufte einen Ring, doch dann musste M. wegen eines kleineren Delikts in Haft. Es wäre nur ein Monat Haftzeit gewesen oder 1350 Euro Strafe. Geld, dass M. nicht hat – K. auch nicht.

Der 27-Jährige sorgte sich um seine Verlobte, versuchte, Geld bei Verwandten zu beschaffen. Als das nicht gelang, wollte er bei seiner früheren Nachbarin Sch. einzubrechen. Doch der Bewegungsmelder schlug an. Wenig später klingelte er bei Sch. sagte, er habe sich ausgesperrt, müsse telefonieren. In der Erklärung des Verteidigers heißt es: K. habe gewartet, bis Sch. aus dem Zimmer ging, um ihre EC-Karte zu klauen, an der die Geheimzahl auf einem Post-it klebte. Als Sch. überraschend zurück ins Zimmer kam, habe sich K.s „sämtliche Wut an der an seiner Situation völlig unschuldigen Frau entladen.“

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass K. von Anfang an vorhatte, Sch. umzubringen. Laut Anklage soll K. die Rentnerin mit einem Computermaus-Kabel gewürgt haben, damit sie ihm die Karten-Pin verrät.

Es geht um die Frage: Wie vorsätzlich war die Tat? Und: Gibt es eine besondere Schwere der Schuld?

Man hätte gerne die Frau gesehen, für die K. nach dem Mord mit der geraubten EC-Karte Geld abhob und sie aus der Haft auslöste. Doch Zoitsa M. erscheint nicht vor Gericht. Ihr Hund sei angefahren worden, teilt der Vorsitzende Richter Martin Rieder mit. „Wie geht es dem Hund?“, fragt da K.. Es ist der erste längere zusammenhängende Satz, den er an diesem Tag von sich gibt. Von dem Thüringer Akzent, wegen dem er in der Schule einst gehänselt worden sei, ist nicht mehr viel zu hören. „Hat sie mir nicht gesagt“, erwidert Rieder knapp.

M. wird erneut geladen werden. Dann wird es um wichtigere Fragen gehen. Auch, ob die Verlobung überhaupt noch steht. M. hat den Angeklagten in Haft nicht einmal besucht. K. sagt, er liebt sie noch immer.

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