Nach Zschäpes Aussage: Die Widersprüche und offenen Fragen

Nach ihrer Aussage im NSU-Prozess will Beate Zschäpe Fragen wohl nur schriftlich beantworten. Die aber gibt es zuhauf, das hat auch der Vorsitzende Richter Manfred Götzl schon deutlich gemacht. Und Ansatzpunkte, wo man nachbohren muss, gibt es auch zur Genüge.
München - Beate Zschäpes Aussage im NSU-Prozess umfasst 53 Seiten, ihr Anwalt Mathias Grasel brauchte eineinhalb Stunden, um sie vorzutragen. Viele, ganz viele Fragen sind aber offen geblieben. Zudem gibt es Widersprüche innerhalb der Aussage. Einige Beispiele:
RECHTS ODER NICHT RECHTS: Das ist schon der erste Widerspruch in Zschäpes Aussage: Vor dem Untertauchen des NSU-Trios Anfang 1998 habe man "gemeinsam" nationalistische Lieder gegrölt. Zschäpe besuchte reihenweise rechtsextreme Demonstrationen und andere Veranstaltungen. "Wir wollten (...) durch gezielte Aktionen darauf aufmerksam machen, dass es einen politischen Gegenpol zu den Linken gibt", heißt es in der Aussage. Und: "Es sollte etwas passieren, und es sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die rechte Szene lebt." Nach dem ersten Mord, der ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt angelastet wird, will sie aber zunächst keine Ahnung von einem möglichen rassistischen Motiv gehabt haben - und das, obwohl sie die Erklärungsversuche der beiden Uwes nicht habe nachvollziehen können.
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NUR MITLÄUFERIN ODER MEHR: Der nächste Widerspruch: In früheren Jahren war Zschäpe nach eigener Darstellung "aktiv" dabei. Beispielsweise verschickte sie 1996 zwei von Böhnhardt mit Schwarzpulver präparierte, zündfähige Briefe. Und auch mit dem ersten Raubüberfall nach dem Abtauchen war sie "einverstanden". Später aber will sie kein "gleichgeordnetes" Mitglied der Gruppe mehr gewesen sein, stellt sich selbst als bloße Mitläuferin dar, die jedenfalls von den Morden und Bombenanschlägen nichts gewusst habe. Zeugen hatten das im Prozess anders dargestellt: Zschäpe sei keinesfalls das Heimchen am Herd, sondern gleichberechtigter Teil des Trios gewesen.
ZUSAMMEN AUF ENGSTEM RAUM: Zschäpe gibt an, von den Vorbereitungen der Verbrechen nichts mitbekommen zu haben - obwohl die drei mehr als zehn Jahre lang zusammenlebten, teilweise auf allerengstem Raum. Beispielsweise will sie vom Bau der ersten Kölner Bombe nichts mitbekommen haben: Sie sei joggen gewesen und "erst einige Stunden später" zurückgekommen. Auch hier wären Nachfragen angebracht.
"POGROMLY"-SPIEL: Das menschenverachtende, rassistische Spiel erwähnt Zschäpe in ihrer Aussage nicht. Möglicherweise deshalb - so könnte man mutmaßen - weil dann ihre politische Gesinnung klar würde.
BEKENNER-VIDEO: Das sogenannte Paulchen-Panther-Video, in dem sich der NSU zu den Morden und Anschlägen bekennt, will Zschäpe im Prozess das erste Mal gesehen haben. Sie habe nicht bei der Erstellung geholfen, habe auch den Inhalt nicht gekannt. Sie habe "vermutet", dass die Überfälle und die Morde Gegenstand sein könnten. "Ich verdrängte jedoch diesen Gedanken", erklärt sie. Passt das zu ihren wiederholten Aussagen, sie sei von den Morden und Anschlägen entsetzt gewesen, hätte von den Uwes verlangt, dass sie damit aufhören? Warum hat sie die Sache mit dem Video dann nicht nur untätig laufen lassen, sondern die DVDs nach dem Tod der Uwes sogar noch selber verschickt?
DIE WAFFEN: Zschäpe will erst nach dem ersten Raubüberfall erfahren haben, dass die beiden Uwes eine scharfe Waffe dabei hatten - sie sei "entsetzt" gewesen. Das Entsetzen legte sich aber offenbar schnell: Bei folgenden Überfällen "vermutete" Zschäpe nach eigenem Bekunden jedenfalls, dass Mundlos und Böhnhardt eine Pistole dabei hatten. Von Versuchen, die beiden davon abzuhalten, berichtet sie aber nicht. Sie erklärt sogar, sie habe sich daran "gewöhnt", ab und zu eine herumliegende Pistole zu sehen. Ein dickes Fragezeichen wirft auch Zschäpes Aussage auf, sie sei irgendwann von rund einem Dutzend Waffen ausgegangen. Und dazu soll das von den beiden Uwes angegebene Motiv für den Mord an der Heilbronner Polizistin Kiesewetter passen - dass es ihnen bei dem Verbrechen nur um die Waffen gegangen sei?
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BEZIEHUNG ZU BÖHNHARDT: Zschäpe gibt an, Uwe Böhnhardt geliebt zu haben. Auch deshalb sei sie nie zur Polizei gegangen. Gleichzeitig berichtet sie, die beiden Uwes hätten ihr zwar vertraut, "aber eben nicht zu 100 Prozent". Kann das sein, kann das zusammenpassen?
FRAGEN NUR SCHRIFTLICH: Zuletzt muss man noch die Frage stellen: Warum will Zschäpe nach dem Verlesen ihrer Erklärung zwar Fragen beantworten, aber wohl nur schriftlich? Fürchtet sie, ihr könnte etwas herausrutschen, was nicht zu der genau ausgearbeiteten schriftlichen Aussage passt? Das Gericht wird dies am Ende zu bewerten wissen.