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Nach zehn Wochen Lockdown: So lief die Bau- und Blumenmarkt-Öffnung in München

Am ersten Tag mit geöffneten Blumen- und Baumärkten kaufen die Münchner ein wie lange nicht. Trotzdem gelingt es den Märkten, die Situation entspannt zu halten. Ein Spaziergang mit und zu glücklichen Blumenfreunden.
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Hier wird der Balkon aufgehübscht - mit gleich drei Rhododendron-Bäumchen. Kostümbildnerin Leni (31) will "übers Grün in den Himmel schauen".
Hier wird der Balkon aufgehübscht - mit gleich drei Rhododendron-Bäumchen. Kostümbildnerin Leni (31) will "übers Grün in den Himmel schauen". © Bernd Wackerbauer

München - Einen Moment lang an diesem Montagmorgen, so gegen halb neun, hat sie noch gedacht, das wird nix Gescheites heute mit der heiß ersehnten Wiedereröffnung. Die Leute würden wohl doch erst mal alle in die Bau- und- Gartenmärkte strömen und Farbe, oder Dübel oder billige Balkonprimeln kaufen.

Blumenhändlerin: "Leute sind so hungrig nach Blumen und Farbe und Duft"

Ja von wegen. Kaum hatte Eva Ostermair (54) ihre prächtiggelben Narzissen draußen vor ihren kleinen "Blütenzauber"-Laden an der Belgradstraße hindekoriert, Hyazinthen und bunten Osterkörbchen auf den Gehsteig gestellt, da strömten die Menschen auch schon her. "Junge Männer, Frauen, Rentner - die Leute sind so hungrig nach Blumen und Farbe und Duft", sagt die Blumenladenchefin. Bis zum Mittag seien schon an die 50 Kunden dagewesen, "wir verkaufen Sträuße und Sträuße und immer wieder Sträuße." Bitte ganz viel Frühlingszauberduft fürs graue Homeoffice.

Schnell eine Pause machen fürs AZ-Foto: Eva Ostermair (M.) mit ihren Mitarbeiterinnen Anja Heilig (l.) und Claudia Buck vorm "Blütenzauber" in der Belgradstraße.
Schnell eine Pause machen fürs AZ-Foto: Eva Ostermair (M.) mit ihren Mitarbeiterinnen Anja Heilig (l.) und Claudia Buck vorm "Blütenzauber" in der Belgradstraße. © Bernd Wackerbauer

Zehn Wochen Lockdown seit Mitte Dezember, das sei jetzt nach dem finsteren Winter einfach zu lang gewesen für Münchens Blumenfreunde. Schon in den letzten Wochen, als "Click & Collect" (also bestellen und abholen) wieder möglich war, sei das Geschäft gut gelaufen. Nur halt viel umständlicher und aufwendiger, weil Bestellungen notiert und Namen aufgeschrieben und Blumen beschriftet und Termine ausgemacht werden mussten.

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Nach langem Lockdown können Münchner wieder im Blumenladen kaufen

Man habe ja nur draußen stehen und die Ware aushändigen dürfen, sagt Eva Ostermair, und ist gut genug gelaunt, um leise raunend Scherze zu machen: "Das hat sich schon ein bissl absurd angefühlt, fast als wenn ich statt Blumen verkaufen Drogen verticken würde." An die zwei Kilometer weiter nördlich, am Schwabinger Krankenhaus, ist eine ebenso fröhliche Ladenchefin anzutreffen. Olena Burkhart (55) bindet im "Blumenladen Rauch" einen Strauß Rosen mit Fresien, Oleander und Thymian (das zwanzigsten Gebinde schon heute!), und der Herr, der fasziniert danebensteht, strahlt wie die Frühlingssonne selbst.

Ein Geburtstagsstrauß für die Liebste: Der Schwabinger Cemal Orman lässt sich von Blumenhändlerin Olena Burkhart beim Blumenladen "Rauch" einen Strauß mit Rosen, Fresien, Oleander und Thymian binden.
Ein Geburtstagsstrauß für die Liebste: Der Schwabinger Cemal Orman lässt sich von Blumenhändlerin Olena Burkhart beim Blumenladen "Rauch" einen Strauß mit Rosen, Fresien, Oleander und Thymian binden. © Bernd Wackerbauer

"Total happy" sei er, dass ausgerechnet heute sein Lieblingsblumengeschäft habe wieder öffnen dürfen, sagt Cemal Orman (58), Immobilienmanager aus Schwabing, "meine Frau hat 50. Geburtstag, das ist perfekt!" Er sei doch schon 20 Jahre mit seiner Berit verheiratet, und ja, er wolle wirklich, dass für sie heute die Sonne aufgeht.

Auch die Baumärkte in München sind wieder geöffnet

Noch mehr Menschen waren hier, die völlig grundlos Blumen gekauft haben. Seit dem Morgen schon hätten sie sich fast die Klinke in die Hand gegeben, sagt Olena Burkhart. "Es gab keine Schlange draußen, aber es war dauernd jemand da." Man könne sich ja keine Freude machen, indem man schön essen geht oder reist, also mache man sich eben Freude mit Tulpen, Rosen oder Anemonen. Nebenbei: Am Valentinstag vor zwei Wochen habe sie per Bestellung und Abholung so viel Umsatz gemacht wie in den ganzen letzten zehn Jahren nicht.

Eine neue Küche hat der Moosacher Gerhard Holtz (63) schon, jetzt kauft er noch MDF-Platten und Farbe im Baumarkt, für ein Regal.
Eine neue Küche hat der Moosacher Gerhard Holtz (63) schon, jetzt kauft er noch MDF-Platten und Farbe im Baumarkt, für ein Regal. © Bernd Wackerbauer

Verglichen damit ist gegen Mittag geradezu friedliche Ruhe im Hagebaumarkt mit seinem Gartencenter weiter im Norden an der Lerchenauer Straße. Der Parkplatz ist gut gefüllt, von einer Schlange vorm Eingang allerdings keine Spur. Dort sind, mit luftig viel Platz dazwischen, Regale mit Primeltöpferln, Narzissen & Co und Stapel mit Blumenerden aufgebaut, nur ein Zehntel dessen, was sonst zu dieser Jahreszeit dort steht, berichtet Marktleiter Mario Hiller (42). Drinnen überm Eingang zählt ein Personenzählgerät, wer alles reingeht. 196 Menschen auf 15.000 Quadratmeter Fläche zeigt ein Bildschirm an, nur 500 zeitgleich hat der Baumarkt sich für die Wiedereröffnung selber verordnet, staatlich erlaubt wären sogar um die 900.

Maximal 500 Besucher auf 15.000 Fläche hat der Hagebaumarkt in der Lerchenauer Straße sich selbst verordnet. Montagmittag sind nur 196 da.
Maximal 500 Besucher auf 15.000 Fläche hat der Hagebaumarkt in der Lerchenauer Straße sich selbst verordnet. Montagmittag sind nur 196 da. © Bernd Wackerbauer

Baumarkt will lange Schlangen an den Kassen vermeiden

"Wir wollen jetzt gar nicht den großen Ansturm anlocken wie nach dem ersten Lockdown", sagt Hiller, "es hat ja keiner was davon, wenn wir dann gleich wieder zumachen müssten." Und sein Gefühl ist: "Die Leute sind klüger geworden, die stürmen jetzt nicht alle gleich los, sie werden gemächlich nach und nach kommen." Vorsichtshalber hat der Markt trotzdem alle Kassen besetzt, damit sich erst gar keine langen Schlangen bilden.

Marktleiter Mario Hiller will zur Wiedereröffnung im Hagebaumarkt"gar nicht den großen Ansturm anlocken". Es soll gemächlich losgehen.
Marktleiter Mario Hiller will zur Wiedereröffnung im Hagebaumarkt"gar nicht den großen Ansturm anlocken". Es soll gemächlich losgehen. © Bernd Wackerbauer

Und so ist, völlig entspannt, etwa die Kostümbildnerin Leni (31) anzutreffen, die drei Rhododendron-Bäumchen für ihren Südbalkon holt. "Wenn ich schon ohne Job zuhause sitzen muss, will ich wenigstens über das Grün in den Himmel schauen." Oder die Flugbegleiterin Angelina Stein (42) mit ihrem Sohn Rafael (2), die fünf Riesenpakete Hortensienerde und Rindenmulch auf dem Einkaufswagen hat - für den Garten vorm neuen Haus in der Lerchenau.

Eigenheim renovieren statt auswandern

Oder der 3D-Designer Gerhard Holtz (63), der eigentlich von Moosach nach Mallorca hätte auswandern wollen - wenn Corona nicht gekommen wäre. Was bleibt einem da als Alternative? Das Eigenheim renovieren. Die neue Küche, magnolienfarben, haben sie schon eingebaut und das Wohnzimmer gestrichen. Heute holt er noch ein paar MDF-Platten, Spax-Schrauben und Lack für ein Zeitschriftenregal. Die AZ soll übrigens Berit, der Dame mit dem 50. Geburtstag, noch etwas ausrichten von ihrem Mann Cemal, dem Herren mit dem Blumenstrauß. "Schreiben Sie bitte, dass ich sie liebe! Und dass sie eine wunderbare Frau ist!" Das machen wir hiermit. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.

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5 Kommentare
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  • am 03.03.2021 09:37 Uhr / Bewertung:

    Ja genau was in den Blumencentern los. Ist. Eine Menschenansammlung-kein Abstand- Sogar die Verkäufer haben bedenken.
    ABER DER EINZELHANDEL UND DIE KLEINEN GESCHÄFTE BLEIBEN ZU!!!!!!!! Super-vielen Dank!

  • Leserin am 03.03.2021 22:50 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von

    Realitätscheck: Das Blumengeschäft in dem der immer noch veliebte Ehemann eingekauft hat, ist kein Gartencenter. Also ist das "nur die Grossen" Geschrei unrichtig.

  • am 02.03.2021 18:19 Uhr / Bewertung:

    Freue mich schon sehr auf meinen ersten Besuch im Blumenladen. In Gartencenter gehe ich erst später, hab heute gesehen, was da zum Teil los ist. Aber kann mir jemand erklären, weshalb im Hagebaumarkt in München in der Lerchenauerstraße die Kundenzahl mit englischer Bezeichnung angeben ist? Wo leben wir hier eigentlich? In Bayern oder wo?

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