Nach zehn Wochen Lockdown: So lief die Bau- und Blumenmarkt-Öffnung in München
München - Einen Moment lang an diesem Montagmorgen, so gegen halb neun, hat sie noch gedacht, das wird nix Gescheites heute mit der heiß ersehnten Wiedereröffnung. Die Leute würden wohl doch erst mal alle in die Bau- und- Gartenmärkte strömen und Farbe, oder Dübel oder billige Balkonprimeln kaufen.
Blumenhändlerin: "Leute sind so hungrig nach Blumen und Farbe und Duft"
Ja von wegen. Kaum hatte Eva Ostermair (54) ihre prächtiggelben Narzissen draußen vor ihren kleinen "Blütenzauber"-Laden an der Belgradstraße hindekoriert, Hyazinthen und bunten Osterkörbchen auf den Gehsteig gestellt, da strömten die Menschen auch schon her. "Junge Männer, Frauen, Rentner - die Leute sind so hungrig nach Blumen und Farbe und Duft", sagt die Blumenladenchefin. Bis zum Mittag seien schon an die 50 Kunden dagewesen, "wir verkaufen Sträuße und Sträuße und immer wieder Sträuße." Bitte ganz viel Frühlingszauberduft fürs graue Homeoffice.

Zehn Wochen Lockdown seit Mitte Dezember, das sei jetzt nach dem finsteren Winter einfach zu lang gewesen für Münchens Blumenfreunde. Schon in den letzten Wochen, als "Click & Collect" (also bestellen und abholen) wieder möglich war, sei das Geschäft gut gelaufen. Nur halt viel umständlicher und aufwendiger, weil Bestellungen notiert und Namen aufgeschrieben und Blumen beschriftet und Termine ausgemacht werden mussten.
Nach langem Lockdown können Münchner wieder im Blumenladen kaufen
Man habe ja nur draußen stehen und die Ware aushändigen dürfen, sagt Eva Ostermair, und ist gut genug gelaunt, um leise raunend Scherze zu machen: "Das hat sich schon ein bissl absurd angefühlt, fast als wenn ich statt Blumen verkaufen Drogen verticken würde." An die zwei Kilometer weiter nördlich, am Schwabinger Krankenhaus, ist eine ebenso fröhliche Ladenchefin anzutreffen. Olena Burkhart (55) bindet im "Blumenladen Rauch" einen Strauß Rosen mit Fresien, Oleander und Thymian (das zwanzigsten Gebinde schon heute!), und der Herr, der fasziniert danebensteht, strahlt wie die Frühlingssonne selbst.

"Total happy" sei er, dass ausgerechnet heute sein Lieblingsblumengeschäft habe wieder öffnen dürfen, sagt Cemal Orman (58), Immobilienmanager aus Schwabing, "meine Frau hat 50. Geburtstag, das ist perfekt!" Er sei doch schon 20 Jahre mit seiner Berit verheiratet, und ja, er wolle wirklich, dass für sie heute die Sonne aufgeht.
Auch die Baumärkte in München sind wieder geöffnet
Noch mehr Menschen waren hier, die völlig grundlos Blumen gekauft haben. Seit dem Morgen schon hätten sie sich fast die Klinke in die Hand gegeben, sagt Olena Burkhart. "Es gab keine Schlange draußen, aber es war dauernd jemand da." Man könne sich ja keine Freude machen, indem man schön essen geht oder reist, also mache man sich eben Freude mit Tulpen, Rosen oder Anemonen. Nebenbei: Am Valentinstag vor zwei Wochen habe sie per Bestellung und Abholung so viel Umsatz gemacht wie in den ganzen letzten zehn Jahren nicht.

Verglichen damit ist gegen Mittag geradezu friedliche Ruhe im Hagebaumarkt mit seinem Gartencenter weiter im Norden an der Lerchenauer Straße. Der Parkplatz ist gut gefüllt, von einer Schlange vorm Eingang allerdings keine Spur. Dort sind, mit luftig viel Platz dazwischen, Regale mit Primeltöpferln, Narzissen & Co und Stapel mit Blumenerden aufgebaut, nur ein Zehntel dessen, was sonst zu dieser Jahreszeit dort steht, berichtet Marktleiter Mario Hiller (42). Drinnen überm Eingang zählt ein Personenzählgerät, wer alles reingeht. 196 Menschen auf 15.000 Quadratmeter Fläche zeigt ein Bildschirm an, nur 500 zeitgleich hat der Baumarkt sich für die Wiedereröffnung selber verordnet, staatlich erlaubt wären sogar um die 900.

Baumarkt will lange Schlangen an den Kassen vermeiden
"Wir wollen jetzt gar nicht den großen Ansturm anlocken wie nach dem ersten Lockdown", sagt Hiller, "es hat ja keiner was davon, wenn wir dann gleich wieder zumachen müssten." Und sein Gefühl ist: "Die Leute sind klüger geworden, die stürmen jetzt nicht alle gleich los, sie werden gemächlich nach und nach kommen." Vorsichtshalber hat der Markt trotzdem alle Kassen besetzt, damit sich erst gar keine langen Schlangen bilden.

Und so ist, völlig entspannt, etwa die Kostümbildnerin Leni (31) anzutreffen, die drei Rhododendron-Bäumchen für ihren Südbalkon holt. "Wenn ich schon ohne Job zuhause sitzen muss, will ich wenigstens über das Grün in den Himmel schauen." Oder die Flugbegleiterin Angelina Stein (42) mit ihrem Sohn Rafael (2), die fünf Riesenpakete Hortensienerde und Rindenmulch auf dem Einkaufswagen hat - für den Garten vorm neuen Haus in der Lerchenau.
Eigenheim renovieren statt auswandern
Oder der 3D-Designer Gerhard Holtz (63), der eigentlich von Moosach nach Mallorca hätte auswandern wollen - wenn Corona nicht gekommen wäre. Was bleibt einem da als Alternative? Das Eigenheim renovieren. Die neue Küche, magnolienfarben, haben sie schon eingebaut und das Wohnzimmer gestrichen. Heute holt er noch ein paar MDF-Platten, Spax-Schrauben und Lack für ein Zeitschriftenregal. Die AZ soll übrigens Berit, der Dame mit dem 50. Geburtstag, noch etwas ausrichten von ihrem Mann Cemal, dem Herren mit dem Blumenstrauß. "Schreiben Sie bitte, dass ich sie liebe! Und dass sie eine wunderbare Frau ist!" Das machen wir hiermit. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
- Themen:
- Coronavirus
- Lockdown
- München