Nach Überfall: Friedhofsräuber vor Gericht
München - Mit einem Aktenordner vor dem Gesicht lässt sich Industriekaufmann Wolfgang F. (49) von Justizwächtern in Handschellen in den Münchner Landgerichtssaal 162 führen. Dem groß gewachsenen Anklagten ist der Handtaschenraub auf dem Alten Südfriedhof sichtlich peinlich: „Ich muss weit ausholen, um zu erklären, wie sich alles auf den Tag zugespitzt hat.“
Im November 2011 beichtet ihm seine Ehefrau, die aus Tahiti stammt, eine Affäre. „Sie ist zweimal fremdgegangen. Das hat mich schwer getroffen“, so Wolfgang F. Neben den privaten Sorgen plagen ihn noch ein Bank-Problem. Zirka 60000 Euro Schulden. Die sollen sich seit der Geburt der heute sechsjährigen Tochter angehäuft haben.
Allein 12000 Euro muss er für die Kaiserschnittgeburt aufnehmen. „Meine Frau ist damals nicht krankenversichert gewesen“, so der Angeklagte. Dann streikt das alte Auto. Ein Neuwagen wird angeschafft. Er übernimmt die Beerdigungskosten eines Verwandten in der Karibik. Die Ehefrau pocht auf regelmäßige Flugreisen in ihre Heimat.
Strafverteidiger Maximilian Grashey: „Das kann man mit monatlich 2000 Euro netto kaum stemmen.“ Um seine Sorgen zu vergessen, sei Wolfgang F. viel spazieren gewesen. Kurz vor Weihnachten 2012 hat Wolfgang F. nur noch 100 Euro auf dem Konto: „Dafür musste ich Lebensmittel für Heilig Abend einkaufen.“
Ein Geschenk für die Tochter sei da nicht mehr drin gewesen. „Sie wünschte sich ein Nintendo-Spiel für 40 Euro. Ich hatte Angst, meine Tochter auch noch zu verlieren, wenn ich ohne Geschenk dastehe“, so Wolfgang F. Am 22. Dezember, einem Samstag, dreht er wie gewohnt im Alten Südfriedhof am Vormittag seine Runden.
Nur diesmal hat Wolfgang F. eine Gaspistole dabei. Er plant einen Überfall. Als er die Spaziergängerin Susanne D. (59) sieht, bedroht er sie mit der Pistole und sagt: „Ganz ruhig. Ich will nur ihre Handtasche.“ Dann reißt er ihr die Tasche mit 30 Euro weg, flüchtet. Die Frau schreit. Zwei Jogger nehmen die Verfolgung auf.
Sie alarmieren die Polizei. Per Handy geben sie ihren Standort durch. Auf der Flucht wirft Wolfgang F. die Tasche weg, schreit: „Lasst mich in Ruhe.“ Da klicken schon die Handschellen. Heute soll das Urteil kommen. Ihm drohen bis zu 10 Jahren Haft.
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