Nach Stoß: Obdachloser ist Pflegefall

Schwere Körperverletzung? Nicht, wenn man Ulrich G. (55) glaubt. Er habe den Mann doch lediglich mit einer Hand an der Schulter gestoßen, sagt der Beschuldigte. "Der hat sich dann nach hinten fallenlassen." Doch die Vorsitzende Richterin Nicole Selzam hat ihre Probleme mit dieser verharmlosenden Darstellung.
"Nachher kommen Zeugen, die berichten, dass sie massiv mit zwei Händen gestoßen haben", sagt sie. Doch Ulrich G. bleibt bei seiner Version der tragischen Geschehnisse in der Nacht auf Karfreitag 2016.
Das haben die Ermittler herausgefunden: Ulrich G., der an Verfolgungswahn leide, entdeckte im SB-Bereich der Postbankfiliale am Goetheplatz zwei Obdachlose. Er habe sich bedroht gefühlt und den Notruf der Polizei alarmiert.
Doch die Polizisten reagierten nicht. Ulrich G. ließ nicht locker, rief später noch einmal an und ging schließlich selber erneut zu den beiden Männern. Er schrie sie so lange an, bis sie sich mit ihren Habseligkeiten davon machen wollten. Einen der beiden – er ist bis heute unbekannt geblieben – habe Ulrich G. zurückhalten wollen, doch der habe sich losgerissen.
In diesem Moment sei Bogdan H. vorbeigegangen und habe eine Watschn des Angeklagten kassiert. Dann habe ihn der Beschuldigte "mit starker Wucht" geschubst.
Opfer Bogdan H. stürzte nach hinten ungebremst auf den Asphaltboden vor der Bankfiliale. Das Resultat ist schrecklich: Bogdan H. erlitt unter anderem eine Trümmerfraktur im Schädel und Hirnblutungen. Laut Anklage kann er nur noch sehr eingeschränkt sprachlich kommunizieren und wird dauerhaft pflegebedürftig bleiben.
Aber auch der Täter ist nicht gesund. Ulrich G. leidet an einer paranoiden Schizophrenie. In der Nacht der Tat sei er schlecht drauf gewesen, sagt er.
Die Staatsanwaltschaft aber hat beantragt, den 55-Jährigen dauerhaft in der Psychiatrie unterbringen zu lassen: "Er stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit dar." Der Prozess dauert an.
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