Nach Sarrazins Äußerungen: „Das ist eine Beleidigung“

Thilo Sarrazin sagt, Muslime seien faul und bekämen nur wegen der Sozialhilfe Kinder: In München leben 100000 Muslime. Viele sind bestens integriert, die AZ hat ein paar gesprochen
von  Abendzeitung
Asgar Can (51) fühlt sich „voll integriert in München“.
Asgar Can (51) fühlt sich „voll integriert in München“. © Daniel von Loeper

MÜNCHEN - Thilo Sarrazin sagt, Muslime seien faul und bekämen nur wegen der Sozialhilfe Kinder: In München leben 100000 Muslime. Viele sind bestens integriert, die AZ hat ein paar gesprochen

Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin stößt mit seinen antimuslimischen und teilweise rassistischen Äußerungen weiter auf Unverständnis – vor allem in München, wo nach Schätzungen des Ausländerbeirats mindestens 100000 Muslime daheim sind. Laut jüngster Migrationsstudie leben in München, wie berichtet, die integrationswilligsten und ehrgeizigsten Einwanderer. Jeder fünfte Migrantenhaushalt zählt dort zum „jungen, leistungsorientierten Milieu, das sich mit dem westlichen Lebensstil identifiziert und nach beruflichem Erfolg strebt“. Zum Vergleich: Bundesweit gehört zu dieser Gruppe jeder achte Migrantenhaushalt.

Eine AZ-Umfrage bei Muslimen in München ergab: Die meisten fühlen sich durch Sarrazins Äußerungen diskriminiert. Allein der Titel von Sarrazins neuem Buch, „Deutschland schafft sich ab“, sei eine „Beleidigung“, sagt zum Beispiel Ruhi Yakinda (21), der den Gemüseladen „Cavusoglu“ in der Goethestraße leitet.

Gleich mehrere Filialen der türkischen Supermarkt-Kette betreiben Ruhis Vater und Opa in der Goethestraße. Sarrazins Vorwurf, muslimische Einwanderer ließen sich schlecht in den Arbeitsmarkt integrieren, lässt sich der Münchner nicht gefallen. Er sagt: „Dass sich Moslems laut Sarrazin schlecht in die Gesellschaft einfügen, trifft auf meine Familie nicht zu.“ Ruhis Schwester Selin (23) kann zudem ein Vorurteil des Politikers nicht bestätigen: Dass muslimische Frauen mehr Kinder bekommen als deutsche. „Reiche Deutsche um uns herum kriegen viel mehr Kinder.“ Am 29. September will Sarrazin sein Buch im Literaturhaus vorstellen. Mit Kritik ist zu rechnen. Anne Hund

„Er ist ein Hassprediger“

Asgar Can (51), stellvertretender Vorsitzender des Münchner Ausländerbeirats: „Die Äußerungen von Herrn Sarrazin sind rassistisch und menschenverachtend. Er bewirkt damit das Gegenteil von Integration. Von einem Mann in einer solchen Position hätte ich eine tolerantere Erklärung erwartet – stattdessen verachtet und verletzt er Menschen."

"Man könnte ihn genauso gut als Hassprediger bezeichnen. Ich als Uigure und Moslem bin das beste Beispiel dafür, dass Sarrazin unrecht hat. Meine Familie fühlt sich voll integriert in München – so wie viele der gut 100 000 Muslime, die in München leben.“

„Ich bin gläubig ohne Kopftuch“

Aylin Gülsever (23), Mitarbeiterin im Hotel Atlas in der Landwehrstraße: „Dass Herr Sarrazin türkische Frauen als Kopftuchmädchen bezeichnet, empfinde ich als diskriminierend. Es zeigt, welche Berührungsängste er mit Moslems hat. Ich selbst trage kein Kopftuch, obwohl ich gläubige Muslimin bin."

"Warum regt sich Herr Sarrazin zudem darüber auf, dass türkische Frauen mehr Kinder bekommen als die deutschen? Wenn ich mich im Freundeskreis umschaue, ist das in der Tat so. Die Kinder meiner türkischen Freundinnen sind aber nicht dümmer. Sie haben gleiche Chancen wie deutsche Kids.“

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