Nach grundlosem Kindesentzug: Klinik muss 20 000 Euro zahlen
MÜNCHEN - Schwere Vorwürfe hat die Haunersche Kinderklinik gegen das Laimer Elternpaar Ugur und Ezo Yalcin erhoben: Die Ärzte diagnostizierten fälschlich Kindesmisshandlung bei der damals viereinhalb Jahre alten Tochter Daria. Die Eltern hatten deshalb das Sorgerecht verloren und klagten jetzt erfolgreich.
Es ist der Albtraum aller Eltern: Das Kind zieht sich zu Hause eine Kopfverletzung zu. Aus Sorge wird die kleine Daria von Vater Ugur (36) und Mutter Ezo (34) ins Krankenhaus gebracht und plötzlich sind sie einem schlimmen Verdacht ausgesetzt – Misshandlung des eigenen Kindes. Der Behördenapparat springt an. Polizei, Jugendamt, Entzug des Sorgerechts.
So einen schweren Vorwurf hatte die Haunersche Kinderklinik gegen das Münchner Elternpaar erhoben. Die Ärzte diagnostizierten fälschlich Kindesmisshandlung bei der damals viereinhalb Jahre alten Daria. Den Eltern wurde daraufhin das Sorgerecht entzogen. Vier Wochen war das Kind in staatlicher Obhut – bis der renommierte Mediziner Wolfgang Eisenmenger, Professor am Institut für Rechtsmedizin der Uni München, den Verdacht gegen die Eltern dreier Kindern entkräften konnte.
Mit blauem Auge und Gehirnerschütterung ins Klinikum
Die 9. Zivilkammer beim Landgericht München I verurteilte jetzt die Klinik zur Schmerzensgeldzahlung. Den Eltern wurde jeweils 5000 Euro zugesprochen, Daria selbst bekommt 10 000 Euro.
Im Februar 2006 wurde das Mädchen mit blauem Auge und Gehirnerschütterung ins Klinikum Dritter Orden gebracht. Die Verletzungen habe sich das Kind beim Spielen zugezogen. Nach ein paar Tagen ging das Mädchen wieder in den Kindergarten.
Für die Eltern brach eine Welt zusammen
Dort fiel Daria einer zufällig anwesenden Sozialarbeiterin vom Jugendamt auf. Sie veranlasste, dass das Mädchen zur stationären Beobachtung in die Haunersche Kinderklinik kommt. Eine „Helferkonferenz“, bestehend aus Ärzten, Sozialpädagogen und Psychologen, wurde gebildet.
Aufgrund der Tatsache, dass das Kind Monate zuvor aus einem Fenster im ersten Stock gefallen ist und keine bleibenden Schäden zurückbehalten hatte, kam die „Helferkonferenz“ zu dem Schluss, dass Kindsmisshandlung vorliegen müsse.
Für die Eltern brach eine Welt zusammen. Vater und Mutter sind völlig aufgelöst. Unter Begleitung der Polizei werden die Eltern in die Psychiatrie gebracht, nachdem der Vater in seiner Verzweiflung drohte, dass er sich umbringen werde. Immer wieder hatten sie beteuert, dass ihre Tochter gegen eine Tür gelaufen sei. Aber niemand wollte ihnen glauben.
„Keinerlei Hinweise“ auf eine Misshandlung
Schließlich schalteten sie den Münchner Anwalt Uwe Pratunky ein. In Zusammenarbeit mit dem Rechtsmediziner Eisenmenger wurde der Fall neu aufgerollt. Und man kam zu dem Ergebnis: Bei den Blessuren handelt es sich um alterstypische Verletzungen, die beim Spielen entstehen können. Es gebe „keinerlei Hinweise“ auf eine Misshandlung.
Die Ermittlungen der Polizei wurden sofort eingestellt. Ein weiterer Gutachter prüfte nochmals für das Zivilgericht den gesamten Vorgang und war entsetzt. Das Klinik-Team habe viele Fehler gemacht.
Der Klinikanwalt sprach sein Mitgefühl aus. Der Klinik tue es leid, was geschehen ist. Aber aus damaliger Sicht habe man geglaubt, das Richtige zu tun.
Das Urteil (AZ.: 9 O 20622/06) ist noch nicht rechtskräftig.
Torsten Huber