Nach Geiselnahme in Hamburg: Betreiber sehen keinen Handlungsbedarf für Flughafen in München

München - Trotz des glimpflichen Endes der Geiselnahme am Hamburger Flughafen bleiben in Sachen Sicherheit viele Fragen offen. Der Täter hatte die Absperrungen mit seinem Auto durchbrochen und war bis aufs Flugfeld vorgedrungen. Die AZ wollte wissen, ob und wie man in München am Flughafen "Franz Josef Strauß" auf solche Vorfälle vorbereitet ist.
Sicherheit am Münchner Flughafen: "Bei Audits sehr gut abgeschnitten"
"Sämtliche Sicherheitseinrichtungen des Münchner Flughafens entsprechen den Vorgaben der internationalen zivilen Luftfahrtorganisation", sagt ein Flughafensprecher auf AZ-Anfrage. "Die mit den zuständigen Aufsichtsbehörden und der Polizei abgestimmten Sicherungsmaßnahmen gehen über die gesetzlichen Anforderungen hinaus."
Der Flughafen München habe in diesem Jahr bei Audits ("Prüfungen", d. Red.) sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene "sehr gut abgeschnitten".
Flughafen-Sprecher nennt keine Details zu Sicherheitsvorkehrungen
Wie kann es passieren, dass jemand mit dem Auto in die Sicherheitszone eines Airports gelangt? Wäre der Münchner Flughafen auf eine solche Konstellation wie die Geiselnahme in Hamburg vorbereitet? "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir, ebenso wie die Polizei und andere Sicherheitsbehörden, keine Auskunft über Details zu Sicherheitsvorkehrungen und Sicherheitsmaßnahmen geben", antwortete der Sprecher auf die entsprechenden AZ-Fragen.
Flughafen München stimmt "mögliche Maßnahmen" mit Partnern ab
Seinen Angaben zufolge stehen der Flughafen sowie die Polizei- und Sicherheitsbehörden im regelmäßigen engen Austausch: "Vorfälle, bei denen mit brachialer Gewalt und hoch krimineller Energie die lokalen Sicherungsmaßnahmen durchbrochen werden, nehmen wir sehr ernst. Zusammen mit unseren Partnern werden wir mögliche Maßnahmen abstimmen."
Passagieraufkommen am Flughafen München wächst
Der internationale Verkehrsflughafen in München zählt zu den verkehrsreichsten Luftfahrt-Drehkreuzen in Europa, in den ersten neun Monaten dieses Jahres stieg die Zahl der Passagiere auf 27,9 Millionen – das ist ein Zuwachs von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Das Sicherheitskonzept für den Flughafen München wird von der zuständigen Luftsicherheitsbehörde genehmigt. Das Konzept und die daraus abzuleitenden Maßnahmen legen die Verantwortlichen in enger Abstimmung mit den Polizei- und Sicherheitsbehörden des Bundes und des Landes fest.
Am Münchner Flughafen hatte im vergangenen Jahr auch die Gruppe "Letzte Generation" den Betrieb gestört, weitere Versuche dieser Art habe es seitdem nicht mehr gegeben, sagte der Sprecher: "Bis auf den Protest der Klimaaktivisten gab es keinen Vorfall."
Flughafen Hamburg kündigt bauliche Maßnahmen an
Der Hamburger Flughafen will als Reaktion auf die Geiselnahme sein Sicherheitskonzept anpassen. "Wir werden weitere bauliche Maßnahmen umsetzen, um mögliche Zugangspunkte zum Sicherheitsbereich zu verstärken", sagte eine Flughafensprecherin auf dpa-Anfrage.
Luftfahrt-Experte nennt Flughafenbetreiber und Behörden "unfassbar naiv"
Vorfälle wie die Geiselnahme zeigten, dass die Sicherheitskonzepte laufend neu bewertet werden müssen. "Das gilt für die gesamte kritische Infrastruktur, aber eben auch ganz konkret für den Flughafen Hamburg."
Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt warnt eindringlich. "Der Hamburger Flughafen ist nicht sicher – und andere Airports in Deutschland auch nicht", wird der frühere Mitarbeiter der Pilotenvereinigung Cockpit im "Spiegel" zitiert und bezeichnet das Ganze als "Skandal".
Hamburger Fluggast: "Ganz ehrlich, da läuft irgendwie was verkehrt"
Flughäfen seien "seit Jahrzehnten als bevorzugte Angriffsziele für Terroristen bekannt. Auf den Vorfeldern stehen Maschinen mit Zehntausenden Litern Kerosin im Bauch und Hunderten Passagieren an Bord". Großbongardt nennt die Flughafenbetreiber und Behörden deshalb "unfassbar naiv".
Der Fluggast Roland Kaminski wollte am Samstag mit Frau und Sohn in Hamburg in Richtung Dubai abheben. Daraus wurde nichts. Viel mehr als der stundenlang ausgesetzte Flugverkehr ärgerte ihn, dass es dem Geiselnehmer überhaupt möglich gewesen war, auf das Flughafengelände zu gelangen. "Wir werden durch sämtliche Sachen durchgecheckt. Da noch mal, da noch mal, da noch mal – und er kommt hier mit seinem Auto und kann die Sicherheitsanlagen durchbrechen", sagte Kaminski der dpa. "Ganz ehrlich, da läuft irgendwie was verkehrt."
Polizeigewerkschaft fordert Verbesserungen
Auch der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) reicht das bisherige Vorgehen nicht mehr. "Es ist nur schwer vermittelbar, dass etwa Weihnachtsmärkte mit Betonbarrikaden gesichert werden, und unsere Flughäfen werden als Hochsicherheitsbereiche von Betreibern stiefmütterlich behandelt", sagt DPolG-Bundesvize Heiko Teggatz der dpa. Die Politik unternehme da viel zu wenig. "Da vermisse ich auch eine Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser."
Am Samstag hatte ein Mann laut Polizei seine vierjährige Tochter aus der Wohnung der Mutter in Stade entführt und war mit ihr in einem Auto in Richtung Hamburg geflüchtet. Am Flughafen durchbrach er eine Absperrung und fuhr mit dem Auto aufs Vorfeld des Airports.
Nach einem mehr als 18-stündigen Nervenkrieg ergab sich der Mann am Sonntagnachmittag der Polizei. Die Geiselnahme ging unblutig zu Ende, der Geiselnehmer mit türkischer Staatsbürgerschaft sollte im Lauf des Montags dem Haftrichter vorgeführt werden. Am Montagmorgen startete man am Hamburger Flughafen wie geplant in den Normalbetrieb.