Nach fast dreißig Jahren: Beliebter Tassilogarten in München macht zu – das sind die Gründe

Wirt Michael Greim hat die Reißleine gezogen: Nach fast 30 Jahren macht der Tassilogarten in München-Haidhausen dicht. Das steckt dahinter.
von  AZ
Lässig, leger und völlig unaufgeregt: So haben die Gäste über viele Jahre hinweg im Tassilogarten in Haidhausen entspannt. (Archivbild)
Lässig, leger und völlig unaufgeregt: So haben die Gäste über viele Jahre hinweg im Tassilogarten in Haidhausen entspannt. (Archivbild) © Daniel von Loeper

München - Der Wirt selbst beschrieb den Tassilogarten als einen "sonnigen Stadtteilbiergarten" in München-Haidhausen – "mit Flair und für ein bunt gemischtes Publikum". Jetzt ist bittere Realität, was sich schon länger angedeutet hatte: Nach fast 30 Jahren schließt das Lokal in der Auerfeldstraße jetzt seine Pforten.  

Aus für den Tassilogarten in München: Erst bis auf Weiteres geschlossen, jetzt endgültig dicht  

"Wir hoffen, dass wir zum Biergartenstart auch wieder am Start sein können!",  war man dort vor knapp sechs Wochen noch optimistisch, dass sich noch alles zum Guten wendet, doch das tat es nicht. 

Der Tassilogarten könne seinen Gästen "auf Grund aktueller Ausfälle und der allgemeinen Arbeitsmarktsituation momentan nicht die Qualität anbieten, die Ihr von uns gewohnt seid", entschuldigte man sich auf der Website für die Entscheidung, das Lokal "vorerst geschlossen zu lassen, bis genügend qualifiziertes Küchenpersonal gefunden ist".

Es ist nicht der einzige Münchner Gastronomie-Betrieb, der händeringend neues Personal sucht bzw. suchte. Waren die Arbeit mit Menschen, der Arbeitsort Wirtshaus und das Trinkgeld vielen haupt- und nebenberuflich tätigen Kräften in früheren Jahren stets schon Anreiz genug dafür, sich ihr Geld in Restaurants oder Cafés zu verdienen, müssen sich die Wirte jetzt schon einiges einfallen lassen, um potenzielle Neuzugänge von der Attraktivität des Jobs zu überzeugen.

Mit Corona habe sich alles verändert, sagte Fabian Stingl – er betreibt mehrere Lokale, unter anderem die Bäckerei Alof und das Wirtshaus Maximilian im Glockenbachviertel – der AZ: Ob nun Köche, Kellner oder Küchenhilfen, "spätestens nach dem ersten Lockdown haben die meisten gekündigt". Er wirbt mit Benefits wie Dirndl und Lederhosn, einer Mitarbeiter-Kreditkarte, einem Jobticket, einer beruflichen Altersvorsorge und sogar einer Mitarbeiterwohnung um das an allen Ecken und Enden fehlende Personal.

Tassilogarten in Haidhausen schließt: Das sagt Wirt Michael Greim

Solche Zuckerl konnte oder wollte Michael Greim den Bewerbern nicht anbieten: Seit 1995 hatte er den Tassilogarten betrieben, doch jetzt zog er angesichts der Personalnöte einen Schlussstrich und will sich jetzt auf sein anderes Restaurant "Weissenfelder" in Vaterstetten konzentrieren. "Es ist schade, dass man nicht mehr das machen kann, was man eigentlich liebt", sagte er der "Süddeutschen Zeitung", er sei an einem Punkt angekommen, "an dem es einfach nicht mehr ging – weil mir die Leute gefehlt haben".

Wirt Michael Greim : "Niemand entwickelt mehr Leidenschaft für irgendetwas"

Heuer können Fachkräfte in der Gastronomie ihre Arbeitsstelle nahezu frei wählen und auch gutes Geld verdienen. Steigende Personalkosten in den Wirtschaften sind die Folge. Der Mangel an Personal betrifft nicht nur die Gastronomie, sagte Thomas Geppert, der bayerische Landesgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga der AZ: "Die Schere zwischen Schulabgängern und Renteneintritten geht immer weiter auseinander." Das treffe personalintensive Branchen wie die Gastronomie am stärksten.

Geppert fordert von der Politik "Zuwanderung in den Arbeitsmarkt". Skills wie der "der Umgang mit Menschen" sind eben auch für andere Branchen interessant, und die werben die Mitarbeiter ab. Deshalb habe es die Gastronomie zusätzlich schwer, ihre Leute zu halten, fordert Geppert entsprechende Anreize. Wenn statt der geregelten Tages- eine Wochenarbeitszeit eingeführt werden würde, könnten die Mitarbeiter zumindest ihre Arbeitszeit flexibler gestalten, lautet sein Vorschlag.

Tassilogarten-Wirt Michael Greim nennt in der "SZ" drei Gründe dafür, dass sich die Gastronomie bei der Personalakquise so schwertut: die Branche habe sich mit ihrem rauen Umgangston, den vielen Überstunden und der schlechten Bezahlung selbst zunehmend in Verruf gebracht, außerdem fehle der Nachwuchs fürs Handwerk, weil die Politik immer mehr junge Menschen zum Abitur dränge. Schließlich sieht Greim auch ein "gesellschaftliches Problem", niemand entwickle "mehr Leidenschaft für irgendetwas".

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.