Nach der Pleite: Karstadt und Co. wird zur Reste-Rampe

Metro und Sport Scheck sind scharf auf Karstadt, Rewe will die Reise-Firma Thomas Cook. Nur für die Traditionsfirma Quelle ist die Deutsche Post die einzige Hoffnung. Die Stimmung bei den Mitarbeitern ist mies.
von  Abendzeitung
Wütende Karstadt-Mitarbeiter am vergangenen Mittwoch in München
Wütende Karstadt-Mitarbeiter am vergangenen Mittwoch in München © Mike Schmalz

MÜNCHEN - Metro und Sport Scheck sind scharf auf Karstadt, Rewe will die Reise-Firma Thomas Cook. Nur für die Traditionsfirma Quelle ist die Deutsche Post die einzige Hoffnung. Die Stimmung bei den Mitarbeitern ist mies.

Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Arbeit klaut“ – wütende Sprechchöre schallten am Mittwoch über den Münchner Karlsplatz. Der Karstadt-Mutterkonzern Arcandor ist pleite, und die meisten Beschäftigten haben nichts weniger vor, als ihre Stellen kampflos aufzugeben. Währenddessen melden Interessenten für die Sahneschnittchen aus dem Arcandor-Reich ihre Wünsche an.

Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Für viele Unternehmensteile sind verschiedene Investoren denkbar – bei Arcandor geht’s jetzt zu wie am Wühltisch. Allerdings dürfte der Insolvenzverwalter etliche Monate brauchen, bis er die vielen Einzelteile des riesigen Konzerns untergebracht hat.

Karstadt. Die Warenhauskette will vorerst nicht mehr mit Konkurrent Metro (Kaufhof) über eine Fusion reden – doch das letzte Wort ist nicht gesprochen. Der Unternehmensberater und Einzelhandels-Experte Ulrich Eggert hält eine Übernahme von Karstadt-Standorten durch Kaufhof für sinnvoll, auch wenn so Jobs verloren gingen. Allein dadurch, dass Bereiche wie Einkauf oder Verwaltung zusammengelegt würden, könnte Kaufhof die Verluste, die Karstadt erwirtschaftet, wettmachen, sagt er.

Für die Karstadt-Standorte, die überteuerte Mieten zahlen, bietet die Insolvenz eine Chance. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg kann den Eigentümern jetzt günstigere Verträge abhandeln. Dadurch wird ein Einstieg für Investoren interessanter.

Werden Einkaufstempel mit vielen Läden aus den Karstadt gemacht?

Für die Karstadt-Sport-Filialen hat der Otto-Konzern (Sport Scheck) Interesse bekundet. Eggert kann sich als Investoren für Karstadt-Standorte außerdem die Bekleidungskette Peek & Cloppenburg, Möbelhäuser wie Ikea oder den Immobilienentwickler ECE vorstellen. ECE entwickelt Shopping-Center, in denen verschiedenste Läden Platz finden. Für die Beschäftigten wären diese Einkaufstempel sogar besser als traditionelle Warenhäuser, sagt Eggert. Mehrere Geschäfte unter einem Dach brauchen mehr Personal als ein einziges Kaufhaus. Allerdings würden potenzielle neue Arbeitgeber wohl jüngere Karstadt-Beschäftigte bevorzugen – die älteren hätten das Nachsehen.

Thomas Cook. Für die Arcandor-Ertragsperle einen Käufer zu finden, dürfte nicht schwierig sein. Der Reiseveranstalter (Neckermann, Condor) ist in Deutschland die Nummer zwei hinter Tui. Die Nummer drei, Rewe (unter anderem ITS Reisen, Jahn Reisen, Tjaereborg, Dertour, Meier’s Weltreisen, Derpart, ADAC Reisen) hat Interesse bekundet.

Allerdings ist noch gar nicht klar, wer über Thomas Cook verfügen kann. Arcandor hält gut 52 Prozent. Der größte Teil des Aktienpakets ist an Arcandor-Gläubigerbanken verpfändet. Die Kreditinstitute möchten Thomas Cook lieber heute als morgen zu Geld machen.

Primondo.Zur Versandsparte gehören Quelle und etliche Spezialversandunternehmen wie Hess Natur und Baby Walz. Um Letztere brauche man sich nicht zu sorgen, sagt Eggert. Es gebe genügend Versender, die gerne zusätzliche Marken unter ihre Fittiche nehmen würden.

Quelle. Das Traditionsunternehmen mit seinen üppigen Katalogen kann kaum noch auf Zuwächse hoffen. „Universalversender standen nach der deutsch-deutschen Vereinigung für zwei Drittel des gesamten Versandhandels“, sagt Eggert. „Heute haben sie nur noch ein Drittel.“

Die Deutsche Post will jetzt Quelle übernehmen – aus purer Verzweiflung. Quelle und die Post sind quasi miteinander verheiratet. Ex-Postchef Klaus Zumwinkel war einst Vorstandschef von Quelle. Die Post-Tochter DHL wickelt die Quelle-Lieferungen ab und verwaltet sogar die Lager von Quelle. Wird Quelle dichtgemacht, muss sich die Post nach neuen Aufträgen für rund 4000 Mitarbeiter umsehen. Das dürfte schwierig werden. Der Otto-Versand beispielsweise ist mit seinem Dienstleister Hermes ein direkter Konkurrent der Post.

Susanne Stephan

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