Nach der Gewalt-Orgie: Prügel-Kids in Stadelheim

Nach ihrer Jagd auf Passanten tut es ihnen leid: Die drei Schweizer, die einen Versicherungskaufmann verprügelten, müssen trotzdem in U-Haft. Ein Prozesstermin steht nicht fest, das Opfer ist auf dem Weg der Besserung.
von  Abendzeitung
Illustration
Illustration © az

MÜNCHEN - Nach ihrer Jagd auf Passanten tut es ihnen leid: Die drei Schweizer, die einen Versicherungskaufmann verprügelten, müssen trotzdem in U-Haft. Ein Prozesstermin steht nicht fest, das Opfer ist auf dem Weg der Besserung.

„Ich hab etwas Schlimmes getan. Es tut mir so leid“, jammerte Mike B. als er kurz mit seinem Vater in der Schweiz telefonierte. Gestern wurden der 16-Jährige und seine zwei Klassenkameraden Ivan Z. und Benji D. in die JVA Stadelheim gebracht. Die 16-Jährigen hatten in der Nacht zum Mittwoch in der City Jagd auf Passanten gemacht: Sie schlugen fünf Männer zusammen – einer von ihnen, Wolfgang O., wurde halb tot geprügelt.

„Wir wollten Leute wegklatschen“, sagten die Jugendlichen, nachdem sie die Polizei gefasst hatte. Im Nußbaumpark fielen sie kurz vor Mitternacht grundlos über drei ältere Männer her. Am Sendlinger-Tor-Platz lief ihnen Wolfgang O. (46) über den Weg. Die Schüler aus Küsnacht bei Zürich schlugen den Versicherungskaufmann zusammen, traten ihm ins Gesicht. Mike B., Iwan Z. und Benji D. ließen ihr blutendes Opfer zurück (siehe Bericht Seite 8) und stürzten sich wenig später auf den nächsten, einen Studenten aus Bulgarien. „Es war ein Amoklauf ohne Waffen - mit Fäusten und Fußtritten", betont Staatsanwalt Laurent Lafleur.

„Das ist ein Albtraum, nichts als ein Albtraum“, sagte Mikes Vater fassungslos dem Schweizer Sender „Radio1“. „Es ist unglaublich, die ganze Familie ist im Elend“, berichtet Toni B. (44) unter Tränen. Er habe immer gedacht, als Vater bei seinem Sohn und seinen zwei Töchtern alles richtig gemacht zu haben.

Die Jugendlichen könnten ihre Strafen in der Schweiz absitzen

Sohn Mike B. ist wegen eines Raubversuchs vorbestraft. Zudem soll er einen Menschen mit Faustschlägen und Tritten verletzt haben – so wie jetzt in München Wolfgang O..

Auch die anderen Schläger sind nach Angaben der Jugendstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich aktenkundig. Iwan Z. ist wegen Körperverletzung polizeibekannt. Benji D. geriet wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs mit dem Gesetz in Konflikt.

Alle drei kamen gestern in die JVA Stadelheim. Die Jugendlichen wurden getrennt voneinander in verschiedenen Zellen untergebracht, damit sie ihre Aussagen nicht absprechen können. „Mittags gab’s für sie Spargelcremesuppe mit Reiberdatschi und Apfelkompott“, erzählt Gefängnisdirektor Michael Stumpf.

Die Eltern dürfen ihre Kinder zwei Stunden pro Monat sehen. Die Jugendlichen haben einmal am Tag Hofgang. Wenn sie wollen, dürfen sie arbeiten: Staubsaugerbeutel kleben oder Schrauben sortieren.

Mike B., Iwan Z. und Banji D. sollen sich vor einem Münchner Gericht verantworten. „Ein Prozesstermin steht noch nicht fest“, so Oberstaatsanwalt Anton Winkler. Nach Angaben des Schweizer Bundesamtes für Justiz wäre es denkbar, dass die drei Schüler nach einem Urteil ihre Strafen in der Schweiz absitzen. Ihnen droht wegen versuchten Mordes bis zu zehn Jahren Haft.

Wolfgang O., geht es inzwischen etwas besser. Am Freitagmorgen wurde der 46-Jährige von München in die Uniklinik nach Düsseldorf gebracht. Seine Kollegen bei der Versicherungsgesellschaft Alte Leipziger-Hallesche halten zu ihm: „Wir wollen alles tun, um ihn zu unterstützen“, sagen sie.

Ralph Hub, Thomas Gautier

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.