Nach der Flut: "Wir helfen zusammen"

Die verheerende Flut ruft in Bayern eine ungeahnte Hilfsbereitschaft hervor. Viele Menschen kommen in die Krisengebiete, um zu helfen – und erfahren dabei viel Dankbarkeit.
von  Markus Merz
Melanie Geiger(l., mit Sylvia Manhart): „Ich bin jetzt schon mehrere Tage in Fischerdorf dabei. Die Leute hier brauchen einfach unsere Hilfe. Es hat sich ein starker Zusammenhalt zwischen Bevölkerung und Helfern entwickelt, der mich beeindruckt. Ich finde das hier fantastisch.“
Melanie Geiger(l., mit Sylvia Manhart): „Ich bin jetzt schon mehrere Tage in Fischerdorf dabei. Die Leute hier brauchen einfach unsere Hilfe. Es hat sich ein starker Zusammenhalt zwischen Bevölkerung und Helfern entwickelt, der mich beeindruckt. Ich finde das hier fantastisch.“ © Mike Schmalz

Die verheerende Flut ruft in Bayern eine ungeahnte Hilfsbereitschaft hervor. Viele Menschen kommen in die Krisengebiete, um Fremden in und aus der Not zu helfen – und erfahren dabei viel Dankbarkeit.

Deggendorf/Passau - Die Brücke nach Fischerdorf führt in eine andere Welt. Außer den Anwohnern des Örtchens bei Deggendorf und den Helfern darf niemand die Donau-Überquerung passieren. Penibel kontrolliert die Polizei, wer nach Fischerdorf will. Schaulustige und Sensations-Touristen sollen erst gar nicht bei den Aufräumarbeiten stören.

Melanie Geiger und Sylvia Manhart sind nicht gekommen, um zu glotzen. Mit der Schippe in der Hand ziehen sie von Haus zu Haus und fragen, wo ihre Hilfe gebraucht wird. „Ich war schon in Passau, und jetzt bin ich hier in Fischerdorf“, sagt Sylvia Manhart aus der Nähe von Landshut. Ihre Mitstreiterin kommt aus der Nähe von Dingolfing. Die beiden haben sich in Fischerdorf kennen gelernt. Helfen verbindet.

In ganz Bayern hat sich nach der Flut eine ungeahnte Welle der Hilfsbereitschaft breit gemacht. Jeder packt mit an, wo er kann. Ob in Deggendorf oder Passau. Bayern – einig Helferland.

Das hat auch Maren Häußermann festgestellt. Die 24-Jährige aus Stuttgart studiert in Passau und ist überrascht von dem, was in ihrer Wahlheimat alles passiert: „Ich wusste gar nicht, wie sehr die Passauer uns Studenten gehasst haben. Erst jetzt, wo sich alle entschuldigen, wie scheiße sie immer zu den Studenten waren, hab’ ich das gemerkt.“

Auch Sylvia Manhart berichtet von der neuen Verbundenheit der Passauer. „Dort ist der Zusammenhalt noch krasser als in Deggendorf. Es hat sich unter Anwohnern und Helfern eine richtige Festival-Stimmung ausgebreitet.“

Von einer derartigen Stimmung ist in Fischerdorf nichts zu spüren. Am Donnerstag knallt die Sonne vom Himmel, die Helfer von Bundeswehr, Feuerwehr und THW räumen Häuser leer, aus denen das Wasser bereits gewichen ist.

Für Petra Berthold aus Plattling ein unwirklicher Anblick: „Mit dem ganzen Staub, der aufgewirbelt wird, sieht das hier aus wie im Krieg.“ Lange stehen bleiben will sie nicht, schnappt sich lieber Irina Müller und Bettina Stark, die auch zum Helfen gekommen sind: „Auf geht’s, wir holen uns ein Stück Pizza, dann machen wir weiter.“ Nur keine Zeit verlieren. Die Mittagspause fällt bei allen Helfern kurz aus.

Auch Rupak Kumar Shrestha begnügt sich mit einer kleinen Brotzeit, einem Schluck aus der Wasserflasche und einer feuchten Abkühlung für den Kopf. Der 29-Jährige stammt aus Nepal, studiert aber seit kurzem in Deggendorf Elektrotechnik. Für ihn und seine brasilianischen Freunde Gabriel Kopte und Diego Duarte war es selbstverständlich, dass sie mit anpacken. „Wir helfen zusammen mit, die Häuser leerzuräumen. Ich glaube die Menschen sind einfach froh, dass wir mit anpacken“, sagt Diego Duarte.

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Annette Fischer steht vor dem Nichts – und ist doch dankbar: „Das ist wirklich unglaublich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es hilft mir auch, meine Kraft für das alles weiterhin aufzuwenden.“ Klagen will sie nicht. Sie, die seit kurzem Witwe ist und nun auch ihr Hab und Gut verloren hat. Versichert gegen das Hochwasser ist sie nicht.

Ein paar Häuser weiter helfen Ole Eichler, Vinzenz Werner und Philipp Gruber aus Altötting einem Kommilitonen. Der hatte in der Uni nach Helfern gesucht – und sie gefunden. „Wir sind freigestellt worden, um in Deggendorf mit anzupacken“, sagt Ole Eichler.

Es sind diese Geschichten, die zeigen, dass die Menschen in Bayern nicht tatenlos zuschauen. Von der Hilfsbereitschaft begeistert ist Michael Härlein. Er organisiert mit vielen anderen, wo die spontanen Helfer eingesetzt werden. „Die Menschen kommen aus ganz Deutschland. Und was wir an Sachspenden bekommen, ist Wahnsinn.“ Die Münchner BMW Group etwa hat am Freitag 1,5 Millionen Euro gespendet, Werksfeuerwehr und Mitarbeiter für Hilfseinsätze freigestellt.

Bis in Fischerdorf oder Passau wieder Normalität einkehrt, wird es noch dauern. Immerhin: „Die Stadt ist schon wieder vergleichsweise sauber. Völlig krass, wie hier in wenigen Tagen aufgeräumt wurde. Und meine Freundinnen, die vom Hochwasser betroffen waren, haben neue Wohnmöglichkeiten gefunden“, sagt Maren Häußermann. Auch an der Universität in Passau ist fast wieder Normalität eingekehrt.

Bei den Bewohnern von Fischerdorf ist die Sehnsucht nach einem Stück Normalität groß. Auch bei Annette Fischer, der ein paar Tränen über die verstaubte Wange kullern, als sie dem Bundeswehr-Laster hinterherblickt, der den nächsten Haufen mit Gerümpel von ihrem Grundstück fährt. „Ich will gar nicht wissen, was mir alles verloren gegangen ist. Ich werde aber versuchen, alles wieder aufzubauen. Vielleicht kommen ein paar Helfer auch nach dem großen Aufräumen wieder. Wir können jeden gebrauchen.“

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