Nach der Bluttat in Blumenau: Anwohner in Angst
BLUMENAU - Eftal K. (24) starb am Pfingstsonntag – nach einem Messerstich vor einer Eisdiele. Seither ist die Blumenau im Westen der Stadt im Aufruhr. Abends trauen sich viele nicht mehr vor die Tür.
Wenn es dunkel wird, schließt Edelgard Kaiser ihre Wohnung ab. „Abends geh’ ich gar nicht mehr vor die Tür“, sagt die 81-Jährige, die schon lange in der Blumenau wohnt. „Besorgt war ich schon vorher, weil sich hier immer die Cliquen getroffen haben. Dass sowas passiert, hätte ich trotzdem nicht gedacht“, sagt die Rentnerin.
Seit dem Tod von Eftal K. nach einer Messerstecherei in der Blumenau am Pfingstsonntag (AZ berichtete) ist ein ganzes Viertel in Aufruhr. Die Trauer ist groß, aber auch die Furcht. „Das ist schrecklich“, sagt eine Passantin. „Er war doch so jung, erst 24.“ „Wir haben alle Angst – es gibt nur keiner zu“, sagt Gymnasiallehrer Walter H. (Name von der Redaktion geändert). „Die Blumenau ist ein sozialer Brennpunkt, das wird von der Polizei total heruntergespielt.“ Mit einem Streifenwagen allein, erzählt Walter H., würden sich die Beamten nicht einmal in das Viertel wagen. „Zwar gibt es in der Nähe ein Jugendzentrum, aber für die älteren Jugendlichen gibt es hier keinen Treffpunkt.“
Der Asphalt ist mit dunkelroten Flecken besprenkelt. Es ist Blut.
Sylvia B. lebt mit ihrem Sohn Leopold ganz in der Nähe. „Ich habe Angst um ihn“, sagt sie. „Man merkt das schon auf den Spielplätzen: Da gibt es Gruppen, die lassen einfach keine Neuen dazu. Und es ist viel zu wenig Polizei hier, die ein Auge auf die Jugendlichen hat.“
An einem Baum in der Nähe des Tatorts brennen Kerzen, Jugendliche und Verwandte von Eftal K. haben Briefe hinterlassen, Blumen bedecken den Boden. Der Asphalt ist mit dunkelroten Flecken besprenkelt. Es ist Blut.
Die beiden Sozialpädagogen Philipp Nägele und Nicole Lindenthal arbeiten im Jugendzentrum „Treff 21“ in der Terofalstraße ein paar Meter weiter. Bis vor ein paar Jahren kam Eftal K. oft hierher. Jetzt kümmern sich die beiden um die trauernden Jugendlichen. „Sie sind erschüttert und geschockt. Viele hier kannten ihn“, sagt Lindenthal. „Besonders die Jüngeren haben viel Angst. Aber Trauer kann auch schnell in Wut umschlagen“, sagt Nägele.
„Er wollte doch nur helfen“, sagt Paula (Name von der Redaktion geändert). Die 15-Jährige war ein paar Minuten nach der Tat am Sonntag vor Ort, sie kennt Eftals Familie.
Eftal K. wollte bald heiraten
Branko, der Eftal erstochen haben soll, hatte sich mit einem Türken gestritten, erzählt sie. „Es ging um Drogen und Geld. Branko war voll auf Kokain“, sagt Paula. Ein Drogenkrieg? Eftal, ein muskulöser junger Mann, der auf der anderen Straßenseite wohnt, wurde zu Hilfe gerufen. „Dann hat Branko ein Messer gezogen und auf alle eingestochen“, sagt Paula. Eftal verletzte er tödlich. „Es war keine Notwehr“, sagt sie. „Es hat den Falschen getroffen. Eftal war nicht aggressiv, mit Drogen hatte er nichts zu tun.“
Eigentlich, erzählt Paula, wollte Eftal, der bei der Bahn arbeitete, bald heiraten. „Wir wissen, dass er nicht Schuld ist.“ Tamer Tufan, der Eftal K. ins Krankenhaus brachte, sagt: „Ich glaube, dass es Rache geben wird. Eftals Schwester hat sehr an ihrem Bruder gehangen.“
Drei Türken und ein Italiener, die bei dem Verbrechen dabei waren, sitzen in U-Haft. Der Serbe, der Eftal K. getötet haben soll, ist mittlerweile wieder frei. Der 26-Jährige steht unter Polizeischutz. „Es war Notwehr“, sagt die Polizei. Seit der Tat kontrolliert sie die Blumenau verstärkt. Aus Angst vor Racheakten. „Wir werden ein Auge darauf haben, wie sich die Situation entwickelt“, sagt Polizeisprecher Andreas Ruch. „Selbstjustiz werden wir nicht dulden.“ Paula ist da anderer Meinung: „Das wär’ schon angemessen.“ So schnell wird die Blumenau wohl nicht zur Ruhe kommen.
Jetzt sammeln die Menschen im Viertel Geld, damit die Mutter von Eftal K. in die Türkei fliegen kann. Dort wird ihr Sohn beerdigt.
Christoph Landsgesell