Nach dem Hochwasser: Tierheim in Trümmern

„Es ging rasend schnell“: Die Flut hat Freilassing verwüstet. Das Tierheim hat es hart getroffen. Die Leiterin hat auch ihr Wohnhaus verloren. Jetzt lebt sie im Wohnwagen. AZ-Leser können helfen.
München - Am Morgen der Katastrophe sei es ganz still gewesen, sagen die Menschen in Freilassing. Kein Vogel habe in den Flussauen gesungen, der Boden unter den Füßen gezittert und die Saalach in ihrem Bett getobt. Der sonst so träge Grenzfluss zu Österreich schwoll an, schoss über die Ufer, setzte innerhalb kürzester Zeit 200 Anwesen unter Wasser – und vernichtete große Teile des Lebenswerks von Lilli Helminger, seit 1974 Leiterin des Freilassinger Tierheims: Mehrere Tiere ertranken. Etliche Gebäude müssen flutbedingt abgerissen werden – darunter das Haus der Chefin, in dem sie seit 40 Jahren wohnt. Weil sie bei ihren Schützlingen bleiben möchte, lebt Lilli Helminger nun in einem Campingwagen auf dem Tierheim-Gelände. „Ich kann nicht anders“, sagt die 64-Jährige.
Als das Wasser kam, am ersten Juni-Sonntag, war Lilli Helminger nicht in Freilassing. Nach einer Woche Urlaub in Südengland saß sie im Reisebus nach Hause. Zufall? Fügung? „Vielleicht wollte das Schicksal, dass ich Kraft tanke – für das, was dann passiert ist.“ Im Tierheim versorgte Hundetrainerin Christine von Hake Vierbeiner und Vögel. „Um kurz nach neun stand plötzlich die Feuerwehr vor der Tür: Sofort evakuieren! Der Damm bricht!“ Früher habe es auf dem Tierheim-Areal nie Hochwasser gegeben, nicht einmal eine Pfütze, erzählt die 48-Jährige. „Aber als ich die Panik in den Augen des Mannes sah, wusste ich: Es ist ernst.“
Sie packte zwei Hunde in ihr Auto, parkte es an einer sicheren Stelle in der Stadt, hastete zurück und verfrachtete zwei weitere Vierbeiner in den Tierheim-Dienstwagen. Mehr Hunde saßen zu diesem Zeitpunkt nicht in den Zwingern, weil das alte Hundehaus – es stammt wie die meisten Gebäude aus den Anfangsjahren des Tierschutzvereins 1956/57 – demnächst saniert werden sollte.
Mittlerweile waren der Vereinsvorstand und zwei Tierpfleger eingetroffen. So schnell sie konnten, brachten die vier die übrigen Tiere in den ersten Stock des neuen Katzenhauses, das erst 2011 eröffnet worden war. Acht extrem scheue Katze im Erdgeschoss konnten sie nicht einfangen. Als das Wasser stieg, kletterten die Tiere in die obersten Etagen ihrer Kratzbäume. „Sie standen noch lange unter Schock, hatten panische Augen und haben erst vier Tage später wieder angefangen zu fressen“, sagt Lilli Helminger.
Immerhin: Die Stubentiger haben überlebt. Zwei Kaninchen im Außengehege und vier Hühner bekamen die Tierschützer nicht zu fassen. Sie ertranken im Wasser, das bald hüfthoch auf dem Gelände stand. Ein Tierpfleger brach sich während des verzweifelten Rettungsversuchs das Handgelenk. Hunderte Kilo schwere Terrarien schwammen wie Spielzeug durchs Kleintierhaus. Das Wohnhaus der Leiterin war komplett überflutet. „Es ging alles rasend schnell“, sagt Christine von Hake.
Am Tag danach stand Lilli Helminger zum ersten Mal in den Trümmern ihrer Existenz. „Es war einfach nur schlimm.“ Das Wasser hatte sich zurückgezogen und alles mit einer grauen, stinkenden Schlammschicht überzogen. Fische aus dem Tierheim-Teich lagen leblos in den Gullys. Im Haus hatte die Flut die gesamte Einrichtung durcheinander gewürfelt. „Der Kühlschrank war umgekippt, das Sofa vollgesogen, meine Videosammlung mit Privataufnahmen aus vier Jahrzehnten kaputt, sämtliche Fotoalben aufgeweicht.“ Die Analyse des Statikers war niederschmetternd: Kleintierhaus, Futterküche und Quarantänestation sind verloren. In den nächsten Tagen werden die Gebäude abgerissen, die Tiere auf das Katzenhaus und den alten Hunde-Trakt verteilt, dessen Renovierung bis auf Weiteres verschoben ist. Lilli Helmingers Heim ist nicht mehr bewohnbar.
„Aber ich kann hier nicht weg. Das Tierheim ist doch mein Baby“, sagt die resolute Frau, die ernsthaft erwog, auf dem Gelände zu zelten. Die Spende eines Tierfreundes hat sie vor diesem Schicksal bewahrt: Er schenkte ihr kurzerhand einen Wohnwagen.
Lilli Helminger und ihre Mitstreiter schätzen den Flut-Schaden auf 600000 bis eineMillion Euro – ein enormer Betrag für den privaten Tierschutzverein und seine rund 600 Mitglieder. „Alleine können wir das niemals schaffen“, sagt Christine von Hake.
Deshalb will die AZ auch Lilli Helminger und den kleinen Tierschutzverein mit der Spenden-Aktion „Münchner helfen“ (siehe unten) beim Wiederaufbau unterstützen.
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Wollen auch Sie einen Beitrag dazu leisten, dass die Feilmeiers und andere Flut-Opfer wieder auf die Beine kommen? Mit der Aktion „Münchner helfen“ unterstützt die AZ Menschen in Not – ursprünglich in München, nun auch im Hochwassergebiet. Die AZ kann für Spenden ab 201 Euro Bescheinigungen fürs Finanzamt ausstellen (Adresse nicht vergessen!). Für niedrigere Beträge gilt der Überweisungsbeleg als Bestätigung.
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