Nach dem Debakel der SPD in München: Die neue grüne Macht

MÜNCHEN - Der Erfolg der Ökos macht das Regieren im Bündnis schwieriger – sie wollen sich nun stärker durchsetzen. Auch die FDP sonnt sich im Erfolg
„Im Rathaus wedelt der grüne Schwanz mit dem roten Hund“ haben die Schwarzen im Stadtparlament jahrelang gelästert. Doch nach der Europawahl können die kraftstrotzenden Grünen zum bestimmenden Hund werden. Sie stehen wie schon nach der Europawahl von 2004 als zweitstärkste Kraft da. Das wird die Kräfteverhältnisse im Rathaus deutlich verändern. Schon länger knirscht es dort zwischen SPD und Grünen.
München wählte Schwarz-Grün: Die CSU siegte in 19 Stadtteilen, die Grünen in sechs – in doppelt so vielen wie bei der EU-Wahl 2004. Die SPD in keinem einzigen. Die FDP hat ihr Ergebnis verdoppelt.
Die einstige kunterbunte grüne Protestpartei wird mächtiger als die Volkspartei SPD. Die Grünen haben zwar stadtweit minus 1,9 Prozentpunkte verloren. Aber sie sind die zweitstärkste Kraft. Auch im ländlichen Oberbayern degradierten die Ökos mit 14,9 Prozent die Sozis (12,1 Prozent). Bayernweit haben sie 0,2 Prozentpunkte verloren (11,5 Prozent).
Häfner zitterte die ganze Nacht
So sind nach zehn Jahren wieder bayerische Grüne im Europaparlament: Barbara Lochbihler und der Münchner Gerald Häfner. Er hatte den Zitterplatz 14 und erfuhr erst nach Mitternacht, dass er es geschafft hat. Häfner war mit Unterbrechungen zehn Jahre im Bundestag und ist Sprecher von „Mehr Demokratie“.
Dass die Grünen in München ihre Position immer stärker ausbauen, erlebte man schon zur Landtagswahl im September. Sie haben sich mit ihren Themen fest positioniert und sind damit viel fassbarer geworden als die SPD. Das spielen sie auch selbstbewusst aus, weshalb es regelmäßig im rot-grünen Bündnis kriselt: Die Grünen-Basis ist gegen die Bewerbung um die olympischen Winterspiele, sie sind gegen den zweiten S-Bahntunnel und für den Südring, sie wollen die Umweltzone verschärfen und den Flughafenausbau stoppen.
Neben den harten Themen sind sie die Partei der Lebensfrohen geworden: Sie unterstützen die Blade-Night oder den Kulturstrand. „Die grüne Basisarbeit ist perfekt“, schwärmt Alexander Miklosy, BA-Chef in der Ludwigsvorstadt, wo die Grünen sensationelle 40 Prozent bekamen: „Wir stehen für eine neue Art der Politik“ – eine, die dem eigenen Gewissen verantwortlich sei.
„Die Wahl zeigt, dass wir das Lebensgefühl der Münchner treffen“, sagt Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker: „Und wir punkten, weil wir bei unseren Themen klar erkennbar sind.“ Dafür würden sie auch jeden Streit aushalten. „Der Erfolg zeigt, dass wir deutlich auf unseren Themen beharren müssen.“
FDP jubelt über "gigantisches Ergebnis"
Die Grünen geben sich gern als die andere FDP. Mussten aber auch an die Liberalen Stimmen abgeben. „Die Leute trauen uns die Wirtschaftskompetenz mehr zu“, meint die neue Europaabgeordnete Nadja Hirsch. Auch mit Themen wie Bürgerrechte oder Bildung hätte die FDP von den Grünen Stimmen gewonnen.
„Mit so einem gigantischen Ergebnis hätte ich nicht gerechnet“, gibt der Münchner FDP-Chef Rainer Stinner zu. Die FDP sonnt sich im neuen, noch nie erlebten Erfolg, dem dritten nach der Stadtrats- und der Landtagswahl 2008: zwei Münchner im Bundestag, vier im Landtag, fünf im Stadtrat und 53 in den BA’s.
Wird München Schwarz-Grün? Denn auch SPD und Grüne stimmen heute nicht immer zusammen. „Im Herbst wird sich zeigen, wie die Grünen die Muskeln spielen lassen und das Rathaus-Bündnis das aushält“, so CSU-Fraktions-Vize Hans Podiuk: Dann geht’s um Olympia.
Willi Bock