Nach dem Börsencrash kommt der Ehekrach
MÜNCHEN - Die Kurse fallen, das Eheglück fällt mit: Anwälte verzeichnen mehr Scheidungen aufgrund der Finanzkrise. Eherechts-Experte Hermann Messmer befürchtet einen Anstieg der Scheidungsquote von 10 bis 20 Prozent.
Liebe macht blind. Gier auch. Seit Monaten fallen die Aktienkurse, tausende Münchner haben an der Börse viel Geld verloren. Die Finanzkrise erreicht jetzt auch das Liebesleben der Münchner, sagt Scheidungsanwalt Hermann Messmer (73): „Die Finanzkrise wird zur Ehekrise.“ Seit Wochen kommen immer mehr zerstrittene Paare zu ihm. „Es sind spürbar mehr“, sagt Messmer und rechnet mit einer Steigerung der Scheidungsquote „um 10 bis 20 Prozent“.
Täglicher Streit ums Geld
Von solchen Raten hatten die Münchner bis vor kurzem noch selig geträumt – an der Börse. Jetzt trauern sie um ihr Erspartes und zittern um ihren Job. „Das hat fatale Auswirkungen“, sagt Messmer. „In vielen Ehen herrscht der tägliche Streit ums Geld.“ Die Erfahrung machte auch eine 49-Jährige Münchnerin. Vergangenes Jahr plünderte ihr Mann heimlich Konten, die sie für ihre Söhne angelegt hatten, und investierte das Geld in riskante Papiere. Ein anderer zockte mit einem Darlehen seiner Schwiegereltern. Damit wollte das Paar eigentlich ein Haus bauen. „Es sind meistens Männer, die heimlich zocken“, sagt Messmer. „Dann kommen die Vorwürfe der Ehefrau.“ Besonders schlimm sei es, wenn ein Ehepartner einen Kredit aufnahm, um zu spekulieren. Die Aktien sinken, die Scheidungen steigen – Messmers Anwaltskollegin Vera Templer kennt das Phänomen: „Finanzkrisen sind ein Auslöser für viele Scheidungen, aber nicht der alleinige Grund.“ Sie berichtet von einer Mandantin aus dem Münchner Süden, deren Mann Hunderttausende an der Börse verlor. Ihre Villa müssen sie verkaufen. „Sie will jetzt ihre wirtschaftliche Absicherung überprüfen. Wer diesen Schritt geht, ist von der Scheidung nicht mehr weit entfernt.“ Auch Hermann Messmer sagt: „In dieser Zeit bröckeln gerade angeschlagene Ehen.“
Für Geliebte bleibt nichts übrig
Es kriselt auch bei vielen Paaren ohne Aktien-Stress. Im Zuge der anrückenden Rezession haben viele Männer Angst, ihren Job zu verlieren – und sparen. Sie verhängen eine Urlaubssperre, verbieten teure Lokale, verkaufen den Zweitwagen und suchen eine kleinere Wohnung. „Die Ehefrauen aber sagen: ,Wir sind eh’ bald pleite’, und geben das Geld erst recht aus“, sagt Messmer. „Da wird gekauft wie vorm Weltuntergang.“ Ein Gutes habe die Krise aber doch, meint Messmer: „Viele einst vermögende Männer können sich ihre Geliebte nicht mehr leisten – und kehren reumütig ins Ehebett zurück.“
Thomas Gautier
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