Nach AZ-Bericht über Isar-Security: Wirbel im Stadtrat in München

Die Verwaltung erklärt, es seien Kompetenzen überschritten worden - nachdem ein Sicherheitsdienst Oben-ohne-Badende an der Isar gestoppt hatte. Im Rathaus werden Konsequenzen gefordert.
von  Myriam Siegert, Emily Engels
Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes sprechen ziemlich unsensibel Frauen an, die sich an der Isar oben ohne am Ufer sonnen.
Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes sprechen ziemlich unsensibel Frauen an, die sich an der Isar oben ohne am Ufer sonnen. © Privat

München - Die Nackerten im Englischen Garten und an der Isar gehören zu München wie die Biergärten und die Wiesn. In manchem Reisenführer, etwa für Touristen aus den USA, sind sie gar als Attraktion vermerkt.

Trotzdem darf man sich in der Stadt zum Schwimmen oder auch Sonnen nicht einfach überall die Kleider vom Leib reißen - das haben zuletzt einige junge Frauen erlebt, die am vergangenen Freitag oben ohne in der Isar zwischen Reichenbach- und Wittelsbacherbrücke badeten.

Ein Sicherheitsdienst forderte sie auf, sich anzuziehen, es kam zu Diskussionen, sogar die Polizei wurde hinzugezogen. Die bestätigt auf AZ-Nachfrage den Einsatz am Freitagnachmittag. "Die Frauen wurden über die Örtlichkeiten bzw. mögliche Folgen belehrt", so Polizeisprecher Peter Wertmann. "Sogenanntes Nacktbaden außerhalb der von der Stadt ausgewiesenen Stellen kann entweder eine Ordnungswidrigkeit gegen die Verordnung der Stadt sein, oder eine Straftat, Erregung öffentlichen Ärgernisses - darauf wurden die Frauen hingewiesen."

Security an der Isar: Situation als sehr unangenehm beschrieben

Die erwähnte Verordnung ist die "Badekleidungsverordnung" der Stadt. Die fußt auf einem Stadtratsbeschluss von 2014 und besagt: "Wer öffentlich badet, muss im Stadtgebiet der Landeshauptstadt München Badekleidung tragen. Dies gilt für das Wasser-, Luft- und Sonnenbaden." Ausgenommen von dieser Pflicht sind Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr.

Außerdem gibt's festgelegte Nacktbadebereiche und sieben Münchner Freibäder, nämlich das Ungerer-, Cosima-, Michaeli- und Dantebad, sowie das Naturbad Maria Einsiedel und das Westbad, die eigene FKK-Bereiche haben. Verordnung hin oder her – viele Münchner ärgerten sich über den Einsatz der Sicherheitsmänner – auch weil die Situation von Zeugen als sehr unangenehm beschrieben wird.

Security soll textilfreies Baden nicht von sich aus verfolgen

Und gehört es nicht ohnehin zum Münchner Leben und Leben lassen, die Nackerten am Isarstrand oder im Englischen Garten auch außerhalb der FKK-Zonen zu tolerieren?

Das sieht wohl letztlich auch das zuständige Baureferat so, denn das rudert nach den AZ-Berichten deutlich zurück: Die Durchsetzung der Badebekleidungsverordnung gehöre "nicht zu den vertragsgemäßen Aufgaben" des Sicherheitsdienstes, sondern liege "in der Zuständigkeit der Ordnungsbehörden und der Polizei", so Sprecherin Dagmar Rümenapf zur AZ. "Das am Freitagnachmittag eingesetzte Personal handelte zunächst in der irrigen Meinung, es gehöre zu ihren Aufgaben, dies anzusprechen."

Das Baureferat habe den Sicherheitsdienst deshalb nochmals auf die geltenden Regelungen und seinen expliziten Auftrag hingewiesen. Insbesondere wurde er angewiesen, das textilfreie Baden an der Isar auch außerhalb der FKK-Zonen nicht von sich aus zu verfolgen.

Grüne: "Angriff auf Weltoffenheit der Stadt"

Sollte der Wachdienst einmal von anderen Isar-Besuchern hingewiesen werden, dass eine Störung der Öffentlichkeit durch Nacktbadende vorliege, würde dieser sich gegebenenfalls direkt an die zuständige Ordnungsbehörde bzw. an die Polizei wenden, so Rümenapf.

Der AZ-Bericht hat in der Zwischenzeit auch im Rathaus für Wirbel gesorgt. Die Grünen-Fraktion fordert dringende Aufklärung. Vize-Chef Dominik Krause kritisiert: "Das Vorgehen des Sicherheitsdienstes ist ein Angriff auf die so häufig von allen beschworene Liberalität und Weltoffenheit der bayerischen Landeshauptstadt."

CSU fordert Aufklärung des Vorfalls

Es sei höchst zweifelhaft, dass die "Kommunale Badebekleidungsverordnung" eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür bildet, um an der Isar einen Sittenkodex durchzusetzen. Krause fordert OB Dieter Reiter (SPD) auf, dafür zu sorgen, dass "oben ohne" Badende – gleich welchen Geschlechts – an öffentlichen Münchner Badestellen nicht schikaniert werden.

Ähnlich empört zeigt sich auch Stadtrat Gerhard Mayer (SPD). Schon vor der Antwort des Baureferates zweifelte er stark an der Zuständigkeit der Sicherheitsleute in Sachen Badebekleidung. Ganz unabhängig davon, ob gegen die kommunale Badeverordnung verstoßen wurde, findet auch Stadtrat Thomas Ranft (FDP) das Verhalten der Sicherheitsdienst-Mitarbeiter unmöglich.

"Hier wird eine Umgangsform beschrieben, die so einfach nicht geht", ärgert sich Ranft. Ähnlich sieht das auch die CSU-Fraktion, die in zwei Dringlichkeitsanträgen als Reaktion auf den AZ-Bericht die Aufklärung des Vorfalls und eine Anpassung der Badebekleidungssatzung fordern.

Lesen Sie hierzu den AZ-Kommentar

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