MVV-Jahreskarte: Münchner Politikerin fordert Jobticket für Sozialberufe

Finanzielle Entlastung – und Anerkennung: Die Münchner Landtagspolitikern Diana Stachowitz (SPD) möchte für Menschen in Erziehung, Alten- und Krankenpflege eine Art "Semesterticket" für den MVV durchsetzen. 
von  Anja Perkuhn
"Diese Berufe brauchen wir nun einmal dringend als gesamte Gesellschaft", sagt Diana Stachowitz (l) über die Pflege wie hier in einem Münchner Heim.
"Diese Berufe brauchen wir nun einmal dringend als gesamte Gesellschaft", sagt Diana Stachowitz (l) über die Pflege wie hier in einem Münchner Heim. © Petra Schramek/SPD Bayern/AZ

München – Ihr Bürgerbüro hat die Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz im Alten- und Service-Zentrum in Moosach. Dort, schräg gegenüber vom Essensraum, lagern auch ihre Plakate für die Landtagswahl im Herbst. Die SPD-Politikerin umgibt sich mit dem Thema Pflege und Betreuung von Alten und Kranken bewusst – und sieht und hört darum natürlich auch oft, wo es hakt.

Dass es an Pflegekräften mangelt und die vorhandenen überlastet sind, ist freilich kein Geheimnis. Für dieses Problem hat sich Stachowitz nun als (einen) Lösungsansatz etwas ausgedacht: Sie möchte in München eine Art Semesterticket schaffen für Menschen in Erziehungsberufen, Alten- und Krankenpflege – festangestellte bei öffentlichen Einrichtungen und denen der Freien Wohlfahrtspflege. Quasi die Kümmerer-Karte.

Das soll einerseits eine finanzielle Entlastung sein – die Kümmerer-Karte soll günstiger sein, als ein IsarCard-Jahresabo. Das kostet 522 Euro – in der allergünstigsten Variante, mit der man nur in den zwei Innenstadt-Ringen fahren darf. "Viele Menschen in diesen Berufen haben keine Jahreskarte, weil sie sich das nicht leisten können", sagt die Politikerin. "Sie wären dann viel mobiler."

Die zwölf Millionen Euro sollen alle Beteiligten "gemeinsam schultern"

Außerdem würde man damit Wertschätzung zeigen: "Es hätte eine Signalwirkung", sagt Stachowitz. "Auch viele andere Berufe tun sich schwer, vor allem in einer teuren Stadt wie München. Wenn es nach mir ginge, sollten sie alle kostenlos fahren können. Aber bis wir da sind, dauert es noch eine Weile. Und diese Berufe brauchen wir nun einmal dringend als gesamte Gesellschaft."

Finanzieren sollen das Sozialjob-Ticket im Grunde alle, die Pfleger und Betreuer beschäftigen: der Freistaat, "dessen Aufgabe es ja ist, den Fachkräftemangel zu beheben", die Pflegekassen, die Krankenkassen und die Träger – wie Caritas, Rotes Kreuz und Arbeiterwohlfahrt. "Die haben doch alle ein Interesse daran und können den dafür benötigten Betrag gemeinsam sicher auch schultern." Aus der Szene habe sie bisher zu der Idee "begeisterte Zustimmung" bekommen, sagt sie.

Kostenpunkt pro Jahr wären laut Stachowitz’ Berechnungen etwa zwölf Millionen Euro. Errechnet hat sie das bisher grob überschlagen: Etwa 30.000 Menschen arbeiten in München in Festanstellung in einem der betreffenden Berufe. Würden sie alle ein IsarCard-Jahresabo kaufen, nähme der MVV knapp 16 Millionen Euro ein. Würden die 30.000 stattdessen eine Karte analog zum Semesterticket (67,40 Euro) kaufen, wären es zwei Millionen Euro Einnahmen pro "Semester", also vier Millionen im Jahr – und damit eine Differenz von zwölf Millionen.

Allerdings handelt es sich beim Semesterticket für 67 Euro um eines mit zeitlich begrenzter Fahrtberechtigung (18 bis 6 Uhr). Das vergleichbare unbegrenzte Ticket kostet dann schon 196 Euro.

Die Reaktionen der anderen Landtagsfraktionen auf den Vorschlag sind verhalten. Die Grünen weisen darauf hin, dass sie im April bereits Vergleichbares, nämlich einen Zuschuss zum Jobticket, für Beschäftigte im öffentlichen Dienst gefordert haben – erfolglos. Er begrüße aber "jeden Vorstoß, den Bürgerinnen und Bürgern den Umstieg auf Busse und Bahnen schmackhaft zu machen", sagt der Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann.

Sein Appell richte sich an Arbeitgeber: Sie sollten den Umstieg ihrer Mitarbeiter auf Busse und Bahnen unterstützen.

Kritiker: Idee ist sympathisch, aber eigentlich ungerecht

Die sozialpolitische Sprecherin der Freien Wähler, Gabi Schmidt, findet die Idee "im ersten Moment absolut sympathisch" – allerdings sei das System "eigentlich ungerecht, wenn dann wieder die Altenheime und Krankenhäuser, also die Träger, einzahlen".

Schmidt schlägt stattdessen einen Steuerfreibetrag vor für Menschen in Sozialberufen – "damit das die Allgemeinheit bezahlt. Das wäre gerechter."

Und apropos Gerechtigkeit: "Die Idee selbst ist nett, aber sehr kurz gesprungen, nämlich nur im Stadtbereich München", sagt Schmidt. "Der Rest von Bayern ist wieder abgehängt."

Die CSU wollte nicht an der Debatte teilnehmen: Ein Sprecher der Landtagsfraktion verwies darauf, dass es sich bei "der Frage nach der Tarifgestaltung im Münchner Verkehrsverbund" mehr um ein kommunalpolitisches Thema handele als um Landespolitik – und schließlich habe der Stadtrat erst im Juli der geplanten Tarifreform des MVV zugestimmt.

Aus der CSU-Stadtratsfraktion hieß es nur, von dort werde es "zu diesem Thema keine Stellungnahme geben".

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Fahrkarten, Rabatte, Freibeträge: Wer bekommt welche Vergünstigungen?

Berufe gegeneinander auszuspielen ist nicht Sinn dieser Auswahl. Sie soll zeigen, dass Politik, Öffentlichkeit und Arbeitgeber beschließen können, Anerkennung anders auszudrücken als durch das reine Gehalt:

Wie allgemein bekannt können Beamte – verbeamtete Lehrer beispielsweise oder Mitarbeiter der Justizverwaltung – nicht gekündigt werden (haben aber auch kein Streikrecht). Außerdem müssen sie keine gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung zahlen.

Polizisten dürfen (in Uniform) in allen Zügen der Deutschen Bahn kostenlos mitfahren, ebenso im Nahverkehr. (Einer der Gründe dafür ist auch, dass dies "das Sicherheitsgefühl der Reisenden erhöht".) Ein Jobticket für die kostenfreie beziehungsweise bezuschusste Nutzung von ÖPNV und Regionalverkehr haben Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes – allerdings nur in Hessen und Baden-Württemberg.

Ärzte bekommen beispielsweise Rabatte bei Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen. Journalisten zahlen keinen Eintritt beispielsweise in viele Museen und Tierparks. Und Ehrenamtler – kein Beruf aber oft Berufung – wie Übungsleiter, Pfleger oder Vormünder bekommen Steuerfreibeträge.

 

Hinweis: In einer früheren Version des Infotextes "Wer bekommt welche Vergünstigungen?" schrieben wir, Beamte müssten nicht für eine Krankenversicherung zahlen. Richtig ist: Der Dienstherr deckt einen großen Teil der Kosten - für die Differenz müssen Beamte eine private Restkostenversicherung abschließen oder sich freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse absichern.

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